BLOG 5 Schwarzmeerküste Mitte

So 23.07. Büyükdüz (km 2745)

Manchmal habe auch ich Zweifel, ob ich das richtige tue. Die häufige Frage ob ich verrückt bin, oder die Feststellung dass ich es bin, nagen schon manchmal an meinen Nerven. Sie verwenden die selbe Zeichensprache dafür wie wir. Mit dem Zeigefinger an die Schläfe tippen, oder mit der flachen Hand eine Art Scheibenwischerbewegung vor der Stirn. Es gibt auch oft die berechtigte Frage, warum ich es nicht mit dem Fahrrad mache. Wäre doch viel einfacher. Stimmt. Das glaube ich auch. 

Einer war mit so einem Fahrzeug in der Tee Kneipe. Nicht dieses, aber ein ähnliches. Auf der Ladefläche hätte meine Ausrüstung leicht Platz. Da bekomme auch ich ernsthafte Zweifel. 

Dieses habe ich ein paar Tage später gesehen, ich finde es sieht wirklich todschick aus, hat eine Gangschaltung wie ein Mountainbike, vorne dreifach, hinten 6 oder 7fach. Ich habs mir genau angeschaut. Um das Differentialgetriebe zu sparen, ist nur das rechte Hinterrad angetrieben. Das linke läuft frei mit. Außerdem wiegt es 50 kg. Bergtauglich ist es also nicht. 

Junge Menschen sehen das abenteuerliche an meiner Reise. Aber die Leute in meiner  Altersklasse sehen die Qualen und Strapazen, die sie selber dabei hätten. Nichtsportler wissen es nicht. Sie kennen nicht das Belohnungssystem unseres Körpers. Manche haben schon davon gehört und machen sich darüber lustig. Andere haben es selber schon erlebt aber nicht verstanden. Die anstrengendsten Unternehmungen waren nachträglich immer die schönsten. Warum wohl?

Weil unser Körper dabei Hormone erzeugt, die uns die Arbeit erleichtern und auch noch Glücksgefühle erzeugen.Dazu muss man seine Komfortzone allerdings überschreiten und sich ein bisschen plagen (oder quälen).

Zurückblickend auf die letzten 3 Monate kann ich sagen, die gehören zur schönsten Zeit meines Lebens. 

Auch heute wurde ich wieder mit der Fahrradfrage konfrontiert. Noch besser wäre doch ein motorbike und noch besser ein Auto. Der gute Mann ist 63, seit einem Schlaganfall halbseitig gelähmt und braucht zur Fortbewegung 2 Stöcke oder menschliche Hilfe, hat aber immer noch gute Ratschläge für mich. Weil er nicht weiß, welche Bedeutung körperliche Anstrengung und Bewegung für unseren Körper haben. Zu Leuten, die jede Anstrengung für eine Qual halten, kann ich nur sagen: wenn du deinen Körper liebst, dann quäl ihn.

Dass es gesund ist, dafür bin ich doch das beste Beispiel und der lebende Beweis. Für viele Menschen in meinem Alter ist das, was ich mache, unvorstellbar. 

Mo 24.07. Tarakçi (km 2781)

In einem kleinen Dorf kam ich an einem Tee Lokal vorbei, das ich erst gar nicht als solches erkannt habe. Ich sah einen Mann auf einer Bank liegen, und er sah mich auch. Als ich vorbeikam rief er mir "Çay" zu. Das fand ich in dem Moment eine gute Idee, stoppte und ging hinein. Er war der Wirt und brachte mir einen Tee und dann noch einen. Er verstand weder deutsch, noch englisch. Die ganze Zeit saß er schweigend neben mir. Das war sogar für mich außerordentlich zurückhaltend. So erzählte ich ihm halt von mir aus, mit Hilfe meines Smartphones, wo ich herkomme und was ich vorhabe. Am Ende wollte auch er kein Geld von mir nehmen, sondern mir im Gegenteil sogar noch 5 Lira mitgeben. Ich hatte aber den Eindruck, dass er weniger hat als ich  und es dringender braucht. Ich musste ihn also davon überzeugen, dass ich nicht so arm bin wie er denkt. Ich öffnete meinen Geldbeutel und zeigte ihm die 90 Lira, die grad drin waren. Das überzeugte ihn noch nicht ganz, so zeigte ich ihm auch meine Bankkarte, erst dann war er bereit, die üblichen 2 Lira für 2 Gläser Tee zu nehmen. 

Di 25.07. Sarikum (km 2805)

Ein eigenartiger Ortsname für türkische Verhältnisse. Klingt eher römisch. Vielleicht erfahre ich noch etwas darüber. Ich bin auf dem Weg zum Nordcap, das ist der nördlichste Punkt der Türkei, heißt Inceburun ( klingt wieder türkisch), und liegt 20 km nordwestlich von Sinop. Das ist ein Umweg von 20 km, aber den gönne ich mir. 

Die letzte Nacht habe ich mal wieder auf einem Campingplatz verbracht. Hauptsächlich war es eine Gaststätte. Auch  wenig Komfort, aber die wichtigsten Einrichtungen wie Toiletten, Wascbecken und Duschen waren vorhanden, funktionsfähig und in ordentlichem Zustand. Dort habe ich wieder mal meine Wäsche gewaschen und ausgiebig gefrühstückt. 

Mi 26.07. Sinop (km 2838)

Heute habe ich niemanden getroffen, den ich nach Sarikum hätte befragen können. Er od. sie müsste schon gut deutsch od. englisch können. Dafür hat mein Sohn Ruben im Internet recherchiert und herausgefunden, dass es schon türkisch ist und gelber Sand heißt. 

Von dort ging es erst mal wieder bergauf. Nach 2 km habe ich wieder einen schönen Zeltplatz im Wald gefunden, mit nächtlichem Wolfsgeheul. Türken haben mir erklärt, das könnten auch Schakale sein, die heulen auch, und vor denen fürchten sie sich etwas weniger, weil die kleiner sind. Trotzdem traut sich keiner nachts in den Wald. Höchstens die Jäger, weil sie bewaffnet sind. 

Das Leben der Menschen wird von Mythen bestimmt, wie z.B. dass Wölfe und Wildschweine gefährlich sind. Oder dass ein Mensch über 60 alt ist und krank und schwach.Und weil das so ist, lohnt es sich auch nicht, dagegen anzukämpfen. Mich halten sie für eine Ausnahmeerscheinung und der Verdacht, dass mit dem Mythos was nicht stimmt, kommt überhaupt nicht auf. So habe ich im Wald meine Ruhe. 

Am nächsten Morgen: Sanddünen auf 120 m über dem Meer und darüber wächst Wald..Entweder war das mal die Küste, oder eine Wüste.
Am nächsten Morgen: Sanddünen auf 120 m über dem Meer und darüber wächst Wald..Entweder war das mal die Küste, oder eine Wüste.

Danach bin ich in eine Sackgasse geraten. Die Straße wäre schon weitergegangen, aber Holzfäller haben dort viele Bäume gefällt und die auf den Weg, eine Forststraße, gefallen sind, lagen immer noch dort. Da war kein Durchkommen. Man darf sich die Wälder dort nicht wie in Mitteleuropa vorstellen, wo man zwischen den Bäumen spazieren gehen kann. Das sind Urwälder mit meterhohem Gestrüpp, hauptsächlich Brombeeren. Alles was nicht regelmäßig gerodet wird, wächst in kürzester Zeit damit zu. Man sieht den Boden nicht. Beim Brombeeren essen hatte ich  mal einen Unfall deswegen. Ich ging einen Schritt weiter in das Gestrüpp, aber da war kein Boden mehr, und die Ranken hatten meinen Fuß gefesselt, so dass ich nicht schnell zurück konnte. So wäre ich in das Loch oder den Abgrund gestürzt, wenn die Brombeerranken mich nicht wie eine Hängematte aufgefangen hätten. Dumm nur, dass ich kurze Hose und ärmelloses Laufshirt anhatte. Es war einigermaßen schwierig, mich möglichst verletzungsarm aus dieser misslichen Lage zu befreien. Das Paradies gibt's auch nicht ohne Nachteile.

Zurück zur Sackgasse: nach 1,5 km musste ich also umkehren. Es gab noch eine Alternative. Am Rückweg saß da ein Waldarbeiter beim Frühstück. Wir begrüßten uns, dort grüßt jeder jeden. Er lud mich zum Frühstück ein und  ich nahm gerne an. Ich hatte noch nichts gegessen, wollte erst später, aber da bin ich flexibel. Außerdem interessierte mich, was Waldarbeiter so früh am Morgen frühstücken. Es gab einen Stapel Pfannkuchen, dazu Marmelade, 4 gekochte Eier, Tomaten, Gurken und milde, frische Pfefferoni. Zum Trinken gab's Wasser. Zusammen haben wir etwa die Hälfte von dem verdrückt, was er dabei hatte. Wenn das eine ganze Tagesration war, reicht es immer noch. Beim Abschied, wenn sie es besonders herzlich meinen, nehmen Sie deine Hand mit beiden Händen, oder sie legen eine Hand auf ihr Herz. Eine Steigerung ist es auch, wenn sie mit den Schläfen sanft zusammenstoßen. Erst links, dann rechts. Hier reichte der beidhändige Druck. 

5 km vor dem Ziel. So habe ich mir immer die Prärie vorgestellt. 

Das Cap heißt Inceburun, mit Leuchtturm am Ende.

Das ist jetzt aber das letzte Ende. 

Do 27.07. demirciköy (km 2865)

Der Abstecher nach Inceburun war schon lohnenswert, aber heiß und anstrengend. Der Hinweg auf der Westseite war überwiegend Schotterstraße  (15 km incl. Sackgasse) und das verdoppelt ungefähr den erforderlichen Kraftaufwand, meinen Gepäckanhänger zu ziehen. Und der Tag war besonders heiß. Kurz vor Sinop kam ich an einem Haus vorbei, wo im Garten live Musik gespielt wurde. Offensichtlich eine private Feier. Ein Mann fragte mich über den Zaun, ob ich einen çai möchte. Ich wollte. Der Zaun war ein Stacheldraht in üblicher Höhe, ich stieg darüber und setzte mich zu den Leuten an einem der Tische. Und da sagte einer, er hat mich im Lokalfernsehen gesehen und erzählte den anderen von mir. Und soweit ich verstanden habe, war alles richtig. Bei der Feier handelte es sich um eine Hochzeit. Ich ging dann bald weiter und traf 2 km später 2 junge Österreicher, die mit einem Pickup eine Weltreise machen. Sie haben einen Kofferaufbau mit Hubdach und auch den Innenausbau mit viel Aluminium in beeindruckender Qualität selber gemacht. Wir hatten uns so viel zu erzählen, dass ich mein Zelt dort daneben stellte und erst heute am späten Vormittag weiterging, ins Zentrum von Sinop. Und so sieht der Eingang ins Zentrum aus:

Der griechische Philosoph Diogenes ist hier geboren und aufgewachsen. Das ist der, der völlige Bedürfnislosigkeit gepredigt hat. Einmal hat sein König ihn gefragt, was er sich wünscht,  und da sagte er, er (der König) möge ihm doch bitte etwas aus der Sonne gehen.

Ein paar alte Festungsmauern stehen noch

Diese Straße ist das Zentrum. 

Abends habe ich nochmal einen çai getrunken, und da war auch einer, der mich vom Fernsehen kennt. Ja ja, das muss ich sein, das kann nur ich sein. Ja genau, ein Deutscher, der zu fuß um die ganze Welt gehen will. Mit genau dem Anhänger. So ähnlich hat es sich angehört und so habe ich seine Körpersprache verstanden.

Fr 28.07. Gerze (km 2893)


Gerze spricht man so ähnlich aus wie Ferse. Das z ist im türkischen, wie in vielen anderen Sprachen auch, ein stimmhaftes s. 




und so sieht es im Rückblick aus 5 km Entfernung um 20:45 Uhr Ortszeit aus (bei euch ist das 19:45), da ist hier also die Sonne schon weg.



Sa 29.07. Yakakent (km 2928)

Ein Ort, den keiner kennt.

Das ist kein Schreibfehler, die schreiben Sport immer ohne t. Ich hab das Foto gemacht um zu zeigen, dass die türkische Sprache nicht so kompliziert ist, wie ich befürchtet hatte, und wie ich es z.B. in Ungarn erlebt habe. Hier gibt es durchaus einige Wörter, bei denen man die Bedeutung erraten kann.

Wenn jemand wissen will, wo's bei mir langgeht, kann er/sie Google Maps fragen. Start z.B. in Gerze, Ziel Batumi, und schon kann man/frau es vorhersagen. 

Das ist eine Autobahn mit sehr wenig Verkehr. Da komme ich zwar wieder unheimlich schnell voran, aber ab und zu verlasse ich diese Route, weil es auf Dauer langweilig wird, und das kann ich/man/frau nicht vorausahnen. 

So 30.07. Bafra (km 2961)

Bafra ist schon eine Großstadt mit 140 000 Einwohnern. Ich bin noch nicht ganz draußen, aber es ist schon dunkel. Ein paar Gespräche haben mich wieder zu lange aufgehalten. Hier  ist ein Park, den werde ich mal etwas genauer unter die Lupe nehmen. 

Hier ist noch ein Bild von Yakakent, schöner hätten es die Schildbürger auch nicht machen können. Hier hatte ich 2 Möglichkeiten: den Anhänger über die Leitplanken heben, oder 100 m zurück. Ich hab mich für die 100 m entschieden. Bei nächster Gelegenheit hab ich meinen Anhänger mit einem Kinderwagen verglichen, der war breiter. Und die türkischen Frauen haben mehr Kinder als die deutschen. 

Mo 31.07. Samsun (km 3009)

Der Park war gut. Ich hab eine abgeschiedene Ecke gefunden, wo ich mein Zelt hinter Bäumen und Büschen aufstellen konnte. Nur ein Hund hat mich entdeckt, aber der war so zutraulich, dass er gleich zu mir ins Zelt wollte. Das wollte ich aber nicht, so hat er dann mein Zelt und mich von außen bewacht. 

Die nächsten 37 km waren ein Vogellehrhighway auf türkisch, dann hab ich ihn verlassen 

Di 01.08. Tekkeköy (km 3028)

Ich musste dann noch 11 km weitergehen, immer am Strand lang, bis ich einen Schlafplatz gefunden habe. Entweder war der Platz nicht geeignet oder zu viele Menschen. Und ich bin noch nicht mal im Zentrum. Auf den türkischen Ortsschildern steht auch immer die Einwohnerzahl mit dabei, und Samsun hat unglaubliche 655 000 und zieht sich hauptsächlich der Küste entlang gestreckt. 

Der letzte Ort vor Samsun heißt Ondokuzmayis. Das heißt 19. Mai. Ich hab jemanden gefragt warum, und der erklärte mir, dass Kemal Atatürk mal an diesem Tag hier war. Und den lieben und verehren sie heute noch, alle. Und wer ein bisschen denken kann, vergleicht die aktuelle  Politik mit ihm und misst sie an ihm.

Es regnet leicht, ich hab mich in einen "Çay Salonu" gerettet, und hier sehe ich zum ersten Mal auch Frauen sitzen. Gegenüber ist eine Bushaltestelle, und Kopftücher sind eher selten. In den kleineren Orten schätze ich grob 50%. Die Menschen sind gekleidet und sehen aus wie in Mitteleuropa, nur der Teint ist etwas dunkler und die Haare auch. Es gibt aber auch  vereinzelt blonde Türken. 

Ich habe mir vor 3 Wochen eine sogenannte Power Bank gekauft. Hat 6 Wh, das reicht für 2mal Handy aufladen, ist klein und leicht, dazu ein Ladegerät mit 2 Anschlüssen, weil Steckdosen überall knapp sind. Man findet schon fast überall eine, aber eben auch nur eine. So kann ich mit einer Steckdose Handy und Ersatzakku gleichzeitig laden. Nur die Ladezeiten sind mir auf Dauer zu lang. Mein Solarladegerät hat schon nach wenigen Wochen den Geist aufgegeben, es war eh zu klein und zu schwach, das war nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Deshalb bin ich auf der Suche nach einem Ersatz, und hoffte, in Samsun fündig zu werden. Ich bin in einen Elektroladen gegangen und dann nochmal in einen anderen, und das war erfolgreich. Der Inhaber wusste zwar nichts davon, aber er hat sofort seinen Nachbarn Ömer herbei gerufen und der ist in Berlin aufgewachsen und spricht akzentfrei deutsch und ist fit im Internet und hat innerhalb weniger Sekunden was aufgetrieben. Genausoschnell waren weitere Nachbarn und Verwandte da und ich bekam einen Çay serviert. Ein Straßehändler brachte mir einen Sesam Brezelring, in seiner fahrbaren Verkaufsvitrine war nichts anderes. Ich wundere mich immer, warum die nicht umfallen. Mit 4 Rädern auf einer Grundfläche wie ein Stuhl und so hoch wie der Verkäufer selber, scheint mir das Vehikle ziemlich labil zu sein. 

der mit dem blauen T Shirt neben mir ist Ömer.

Er ist dann mit mir mit seinem Auto zu dem Laden gefahren, wo's das Solarladegerät zu kaufen gab (mein Anhänger blieb einfach auf der Straße zurück, 10 Leute haben ihn bewacht, da brauchte ich mir keine Gedanken zu machen). 100 Lira für das Ladegerät ist zu wenig, die Nachteile waren dann natürlich beträchtlich. Es ist nicht mit meiner Powerbank kompatibel, andere Spannung, anderer Stecker, deshalb muss ich den großen, schweren Akku mitschleppen, der serienmäßig dabei war. Ich schätze, da ist ein Bleiakku drin. Das Solarzellenpaneel ist zwar größer als das alte, aber ob es auch leistungsfähiger ist, muss  sich erst noch zeigen.  

Auf meinem weiteren Weg durch Samsun entdeckte ich ein Sportkaufhaus, Decathlon heißt es, das ist eine französische Sportkaufhauskette, die bauen und betreiben in allen Großstädten weltweit solche Megafilialen. Das war auch in Istanbul so eines, wo das Sicherheitspersonal Angst vor meinem Gepäck hatte. Hier war das kein Problem, ich durfte meinen Anhänger überall hin mitnehmen. Der Eingangsbereich sieht aus wie ein Flughafen Terminal mit Röntgenschleusen für Kunden und deren Gepäck. Meine Tasche war dafür zu groß, die haben sie mit einer Art Zauberstab gescannt und durchleuchtet, dann durfte ich passieren. Drinnen waren gefühlt 100 Läden in verschiedenen Größen um einen ovalen Innenhof über 5 Etagen angeordnet, für mich ist sowas fast ein Alptraum. Der Grund, warum ich überhaupt da hineingegangen bin, ist meine sich selbst aufblasbare Isomatte. Die ist undicht, ich vermute von Brombeer- und Disteldornen gelöchert (obwohl ich den Boden immer penibel danach absuche und alles beseitige, was mir riskant erscheint) aber die Löcher sind so klein, dass ich sie nicht finden kann. Auch nicht mit dem Unterwassertest. Und das wird immer schlimmer, mittlerweile ist sie nach einer Stunde platt. Ich wollte einfach mal schauen, ob es hier sowas gibt und was die kosten. Tatsächlich habe ich eine gefunden, etwas größer als meine alte, 2,5 cm dick, das hat sich bewährt, natürlich auch etwas schwerer, aber nicht viel. 1000g, darauf muss ich schon achten, und  spottbillig. 100 Lira. Die nehme ich mit. Was an Klamotten am schnellsten verschleißt, sind Socken und Unterhosen. Für eine 3er Packung Socken hat meine Geduld gerade noch gereicht, dann musste ich schleunigst nach draußen flüchten. Ich vermute, es handelt sich dabei um Klaustrophobie. Das fällt sonst nicht auf, auch mir nicht, nur beim Einkaufen. 


Do 03.08. Terme (km 3090)

Gestern Abend hat mich eine Familie zum Essen eingeladen. Die Großeltern waren jünger als ich, 2 Söhne und deren Ehefrauen (mit Kopftuch) mit je einem Kind. Es gab Reis mit Gemüse, eine süße Nachspeise und Çay. Sie hatten schon gegessen, aber sie hatten mehr Reste, als ich essen konnte. Und alle saßen um den Tisch und haben mir zugeschaut und zugehört, was ich zu erzählen hatte. Einer der Söhne konnte ein bisschen englisch. Der wohnt 200 m weiter in einem eigenen Haus, und hat mich dorthin eingeladen zu duschen und übernachten in einem ordentlichen Bett. Am nächsten Morgen bekam ich noch ein Frühstück bei den Großeltern: Brot, Rührei, Käse, Marmelade, Nutella mit brauner und weißer Schokolade und Çay. Diesmal hat der Opa mitgefrühstückt, die Oma hat sich mit den Kindern beschäftigt und die beiden jungen Frauen haben uns bedient. Entschuldigung, aber so läuft das dort. Die Söhne waren schon in der Arbeit. 

In Çarşamba riefen mich Arbeiter einer Fabrik zu sich und brachten mir einen Çay. Dann kam noch der Sohn vom Chef dazu, und der konnte wieder englisch. Er lud mich in die Kantine zum essen ein, es war kurz nach Mittag. Es gab Reis mit Gemüse. Ich fragte ihn, was sie eigentlich produzieren, pirinç (Reis) erklärte er mir. Der wächst hier in der Region. Hab ich auch schon oft gesehen. Grüne, getreideähnliche Pflanzen, und die Felder werden immer wieder mit Wasser geflutet. Dann hielt er mir sein Smartphone vor die Nase und fragte, ob er ein kurzes Video mit mir machen darf. Ok, wenn das der Preis für das Mittagessen ist, ich sollte nur einen kurzen Satz sagen: en iyi pirinç, Has pirinç. Nach dem 3. Versuch war er zufrieden und klärte mich auf: der beste Reis ist Has Reis. Has ist der Firmenname. Ich fühlte mich wie ein Schimpanse oder Papagei, dem man gerade einen Satz beigebracht hat.

Beim Weitergehen fielen mir auch die anderen Pirinç Fabriken auf. Allein in Çarşamba waren es mindestens 7 oder 8. Sie haben also ziemlichen Konkurrenzdruck. Und produzieren ist auch nicht der richtige Ausdruck, sie schälen und verpacken ihn ja nur, manche kochen ihn auch vor. Aber schmecken tut er normal gut. Egal von welcher Firma. Der Produzent ist der Bauer.


Am Nachmittag haben mir 2 Bullen einen ziemlichen Schrecken eingejagt. Zum ersten Mal wollten sie auch meinen Pass sehen. Besonderes Interesse fand der Stempel von Brasilien, das war eh der einzige da drin. Sie fotografierten Pass und Personalausweis von allen Seiten, telefonierten 10 mal, warteten wieder auf den Rückruf, dann war am anderen Ende der Leitung jemand, der englisch konnte und dem musste ich nochmal alles erklären. So ging das eine dreiviertel Stunde, alles bei laufendem Motor.

Ich habe die Reisewarnung der deutschen Politiker letzte Woche gelesen. Sie sagten, sie können nicht mehr für meine Sicherheit garantieren. Und ich habe mich noch darüber lustig gemacht. Die beiden Polizisten vor mir, so schien mir, hatten offensichtlich den Auftrag, einen Grund oder Vorwand zu finden, mich mitzunehmen. Aber nach diesen 45 Minuten, nach dem letzten Rückruf sagten sie, alles ok, du kannst gehen. Auf türkisch natürlich. Ich war ähnlich erleichtert wie nach meiner ersten Nacht unter Wölfen, gab ihnen zum Abschied freundlich die Hand und flog davon.

Fr 04.08. Ünye (km 3117)

Heute hat mich zum erstenmal eine Frau kontaktiert. Ich darf das ja nicht. Sie heißt Gabriele, ist 70 und hat keine Zähne mehr. Jedenfalls vorne nicht. Ich hab sie gefragt, ob ich ein Foto von ihr machen darf, durfte ich nicht. Ist auch verboten. Sie hat vor langer Zeit 8 Jahre in Deutschland gearbeitet, ein bisschen kann sie die Sprache noch. Sie ist höchstens 1 Meter 50 groß und trägt ein schwarzes Ganzkörperkleid, das hat eine Kopftuch ähnliche Kapuze. Gesicht und Hände bleiben frei, es ist bis Kinn Unterkante geschlossen. Ihr Mann ist schon gestorben, sie bekommt eine Rente und lebt in einer Mietwohnung ungefähr Stadtmitte. Es war früher Nachmittag und eine Affenhitze. Da hab ich sie gefragt, warum sie dieses Kleid trägt und ob ihr das nicht zu warm ist. Nein, ist es überhaupt nicht, sie trägt es, weil Allah es so will, und sie liebt dieses Kleid. Just in dem Moment überholten uns 3 junge Mädchen (wir waren mit ca 2 kmh unterwegs, ich hab extra nachgeschaut. Wer mich kennt weiß, dass ich immer alles ganz genau wissen muss). Eine davon trug ein ähnliches schwarzes Kleid wie Gabriele, aber etwas körperbetonter. Die zweite eine Jeans, irgend einen langärmeligen Pullover und ein buntes Kopftuch, und die dritte ein kurzes ärmelloses Kleid, ohne Kopftuch. Auf diese deutete ich von hinten und fragte Gabriele, ob das Sünde sei. Nein, so weit wollte sie nicht gehen. Die Mädchen sind jung und da muss man ein bisschen nachsichtig sein. Allah gefällt jedenfalls das geschlossene schwarze besser, aber ihr ist es egal. Sie hat mich etwa eine Stunde in diesem Tempo durch die Stadt geschleift, hat ein paarmal versucht, etwas zum essen zu kaufen, für mich, was ich aber jedesmal vereiteln konnte. Schließlich musste ich mich fast gewaltsam von ihr trennen, sonst wäre sie noch bis Trabzon mitgekommen (250 km) und das hätte ein halbes Jahr gedauert. Jetzt bin ich böse, sagte sie. Natürlich habe ich mich höflich und freundlich von ihr verabschiedet, obwohl sie davon nichts wissen wollte. 

Die neue Isomatte ist übrigens gut, da liege ich wie auf Daunen. Bei der Solaranlage haben meine Zweifel eher zugenommen. 

So 06.08. Ordu (km3179)

Bei Google Maps heißt der Ort Altinordu, aber das wissen die Türken nicht.  Gestern hab ich kurz nach Fatsa übernachtet. Ich bin nicht auf der Küstenstraße geblieben, weil sich hier eine Halbinsel ziemlich weit nach Norden ins Schwarze Meer schiebt. Statt dessen habe ich die direkte Verbindung nach Ordu genommen. Da wurde es wieder bergig und einsam, an meinem Zeltplatz hatte ich dann keinen Empfang. Mir war schon klar, dass der nächste Tag hart wird, aber so schlimm hab ichs mir nicht vorgestellt. 30 km ohne auch nur ein Haus. Fürs Frühstück hatte ich vorgesorgt, und die 30 km betrachtete ich als sportliche Herausforderung.Die wirkliche Herausforderung war aber ein 4 km langer Tunnel. Ich hab schon einige Erfahrungen mit den türkischen Tunnels, das ist nicht so schlimm. Aber die waren höchstens ein paar Hundert Meter lang. Einen Gehsteig gab's immer, manchmal verdammt schmal, 40 cm hoch, was hier ein Vorteil ist, man fühlt sich etwas sicherer vor den Autos. Nur der Zugang ist natürlich wieder von Leitplanken verwehrt, man kann ihn nur seitlich von der Fahrbahn aus erklimmen. Wenn viel Verkehr ist, unmöglich. War zum Glück aber nicht. Und dann ist er in einem saumäßigen Zustand. In der Mitte ist ein breiter Kanal, mit Betonplatten zugedeckt, der Rand links und rechts ist 10 bis 20 cm breit. Diese Deckplatten haben versenkbare Eisenbügel als Tragegriffe, und viele davon sind aber nicht versenkt, sie versinken auch nicht, wenn ich drauftrete. Oft fehlen eine oder mehrere Ecken, manchmal so groß, dass ein ganzer Fuß darin verschwinden kann. Manche sind zerbrochen oder geknickt, da wagt man nicht, sie zu betreten. Manchmal fehlt eine komplett und dann haben sie bis zu 10 cm Höhenunterschied. Also dass da mal jemand geht, war nie geplant. An laufen ist überhaupt nicht zu denken. Licht gibt's schon, aber das schlimmste ist der Lärmpegel. Es ist gefühlt 10 mal so laut, wie die Autobahn außerhalb des Tunnels, weil der Schall von den glatten Betonwänden reflektiert wird und nicht raus kann. Also garantiert gehörschädigend. Und auch da meinen manche Auto- oder Lastwagenfahrer, mich begrüßen oder schimpfen zu müssen indem sie hupen, was dann die Schmerzgrenze deutlich übersteigt. Und die Motorradfahrer quälen mich, indem sie grundsätzlich in Gruppen fahren und sich dabei Wettrennen liefern, also mit Vollgas bei Höchstdrehzahl.

  Schon oft haben Leute zu mir gesagt, das ist unmöglich zu fuß zu gehen, wenn ich nach dem Weg gefragt habe. Hier bin ich auch dieser Meinung. Möglich ist es schon, aber keinem normalen Menschen zumutbar. Das geht nur, wenn jemand ein Ziel so stur verfolgt wie ich, und selbst ich würde es nicht nochmal machen. Ich würde jeden Umweg und beliebig viele Höhenmeter in Kauf nehmen, um das zu vermeiden. 

In Ordu angekommen, war ich ziemlich am Ende. Dort hat ein freundlicher Deutscher mit türkischen Wurzeln und -Pass mich zum Essen eingeladen. Diesmal ließ ich mich gerne mit seinem VW Bus ein paar km mitnehmen bis zum nächsten Restaurant. Er war mit seiner Familie da, seine Eltern haben hier eine Haselnuss Plantage (hier wächst fast nichts anderes) und hier kommen Erntehelfer aus Kurdistan mit ihrer ganzen Familie, die leben in der Zeit hier in Zelten und da gibt es ganze Zeltsiedlungen. 

Diese Haselnuss Plantagen sind übrigens hervorragende Zeltplätze. Guter Sichtschutz, ebener Boden, keine Dornen. An so einem Platz bin ich jetzt auch gerade wieder. 

Richtige Künstler gibt es da. Man muss schon genau hinschauen um zu erkennen, dass diese Möbel nicht aus Holz, sondern aus Beton gemacht sind.

Mo 07.08. Giresun (km 3214)

Manchmal komme ich mir vor, wie ein Besucher von einem anderen Stern. 

Auf dem Planeten Erde leben zweibeinige Kreaturen, ob sie intelligent sind, ist mir noch nicht ganz klar. Sie benutzen Technik die ihre Fortbewegung beschleunigt, die ihren Planeten aber so sehr verschmutzt, dass ihre Existenz als gefährdet betrachtet werden muss. Sie lieben den Aufenthalt in natürlichen Landschaften. Dort werfen Sie Gebrauchsgegenstände achtlos fort. So gefällt ihnen die Natur aber nicht mehr, deshalb bezahlen sie einzelne Individuen ihrer Spezies, die wieder alles wegräumen. Sie haben ein Tauschsystem: Geld gegen Arbeit. An manchen Orten ist das so organisiert, dass sie das Areal einzäunen, und ein Eintrittsgeld verlangen und damit alles schön sauber halten. Dieses System scheint sehr beliebt zu sein, jedenfalls strömen sie massenweise dorthin. 

Ich verstehe nicht, wie Menschen einerseits so freundlich und hilfsbereit, und andererseits so rücksichtslos gegenüber Umwelt und Mitmenschen sein können. Da stehen 2 Müllkontainer und die sind keineswegs überfüllt. Ich habe mit einem der Arbeiter gesprochen, das ist das Ergebnis von einem Tag, die machen das jeden Tag. 

Sie bauen Gehwege, die keiner benutzt. Ich bin der erste.

Dieser Gehweg hat mit 4 m Breite angefangen und endet nach einem Kilometer so. Oft wage ich es nicht, einen Gehweg zu benutzen, wenn ich nicht weiß, wie er endet.

Di 08.08. uluburun plaji (km 3244)

Die Türkei ist ja inzwischen im Club der Bösen angekommen. Mit diesem Bild von einem Kinderspielplatz will ich beweisen: the Turks love their Children too.

Ich muss noch ein paar Gedanken zum Müll Problem nachtragen. Das ärgert mich fast permanent. Wohin man schaut: Müll. Und wenn man ihn nicht sieht, dann hört man ihn. Wenn sich die Temperatur ändert, ändert sich auch der Luftdruck in den Plastikflaschen (wenn Sie geschlossen sind), und das erzeugt charakteristische Knackgeräusche. Das hört man ständig. Viele, sehr viele sind auch schon überwachsen mit Gras oder dem typischen Gestrüpp. Wohin man auch tritt, man hört bei jedem Schritt das Geknister der Kanister. Wer das sieht, könnte leicht zu dem verallgemeinernden Ergebnis kommen, die Türken sind Dreckschweine. Dem stimme ich teilweise zu. Es gibt nämlich auch Türken, die das genauso ärgert wie mich. Die Sauberkeit in Deutschland oder Österreich fällt jedem Türken sofort ins Auge, und zählt zu den ersten Kriterien, wenn sie sagen was ihnen dort so gut gefällt. Ich kenne keine Statistik, aus der hervorgeht, wie viele Türken ihren Müll in der Natur entsorgen und wieviele nicht. Ich habe schon oft gesehen, dass ihn jemand in einen Mülleimer oder -container geworfen hat. Alle denen möchte ich nicht mit solchen Verallgemeinerungen Unrecht tun. Es ist ihnen im Gegenteil hoch anzurechnen, dass sie sich nicht vom allgemeinen Trend mitreißen lassen und ihrer Überzeugung treu bleiben. Die Versuchung, angesichts der hoffnungslosen Lage zu sagen, es hat keinen Sinn, ist groß. Und wenn man die offizielle Müllhalde einer Großstadt gesehen hat, fast unvermeidbar. Also nochmal ausdrücklich: Hochachtung vor den sauberkeitsliebenden und ihre Umwelt schützenden Türken. 



Mi 09.08 Tirebolu (km 3273)

Diese Schachfiguren sind bis zu einem Meter hoch, und sie sind alle vollzählig da. Was ich damit sagen will: es gibt in der Türkei keinen Vandalismus. Zumindest habe ich noch kein Anzeichen dafür gesehen. In dieser Sache können wir uns ein Beispiel an den Türken nehmen. Und das passt auch zu ihrer friedfertigen Art. Aggressionen untereinander habe ich erst einmal erlebt. 

Wo immer ein Fels aus dem Wasser ragt, weht eine türkische Fahne, wenn denn der Wind weht. Und das ist gut so. Nicht dass plötzlich die Griechen oder die Briten hier aufkreuzen und ihn für sich beanspruchen. Den Zirkus möchte ich mir gar nicht vorstellen. 

(Das war Spaß).

Do 10.08. Vakfikebir (km 3312)

Ich lerne jeden Tag so viele Menschen kennen, dass ich sie gar nicht mehr alle beschreiben kann (oder will). Und so viele Einladungen, oft mehr als ich essen kann. Ich habe bestimmt schon 2 bis 3 KG zugenommen. 

Gestern abend hat mich ein Student aus Ankara eine halbe Stunde begleitet, er hat lange blonde Haare und besucht hier seinen Vater. Langhaarige Männer sind selten hier, und mit allen entsteht sofort eine tiefere Verbundenheit als mit anderen Menschen. Das bilde ich mir sicher nicht nur ein, sie sind sofort viel zutraulicher. Das bin ich vermutlich auch und ermögliche ihnen damit dieses Verhalten. Das zeigt, wie groß mein Einfluss auf das Verhalten anderer ist. Wenn ich freundlich und offen bin, sind sie es auch. Wenn ich fies oder misstrauisch wäre, ich bin sicher, dann wären sie es auch. Und wenn ich den gut gemeinten Rat eines Nachbarn vor meiner Reise befolgt und mich bewaffnet hätte, würden mir sicherlich öfter mal bewaffnete Menschen begegnen. 

Wer öfter oder ständig schlechte Erfahrungen mit seinen Mitmenschen macht, möge doch mal sein eigenes Verhalten überdenken und unter die Lupe nehmen. Ich muss gar nicht schlecht sein, es genügt, wenn ich so denke, meine Körpersprache verrät alles, und jeder versteht sie, aber das wissen wir nicht. 


Viele werden jetzt denken, dass ich unvorsichtig geworden bin. Ich denke, dass es einen Unterschied zwischen Vorsicht und Mißtrauen gibt. Ich will nicht jedem Unschuldigen von vornherein böse Absichten unterstellen, aber mir ist bewusst, dass es auch hier Kriminalität gibt. Die vielen Zäune und Mauern beweisen es, besonders um die Häuser der wohlhabenden. Südöstlich von Lüleburgas, das war noch auf der europäischen Seite der Türkei, war eine Siedlung von etwa 50 ziemlich gleich aussehenden, aber super schicken und luxuriösen Häusern. Ich habs leider nicht fotografiert. Im vorbeigehen dachte ich zuerst an ein Gefängnis, wegen der Mauern und dem Stacheldraht und dem Wachpersonal und dem gesicherten Eingangsbereich. Aber darüber war ein Schild mit der Aufschrift: Elit City. Da wars mir klar.  Die bilden sich die Bedrohung sicher nicht nur ein. Meine Schlussfolgerung: ich gehöre nicht ins Beuteschema von Kriminellen und Wölfen. Ich bin nur der freundliche, verrückte Alte, der um die Welt läuft. So jemandem begegnet man auf einer anderen Ebene, zu mir ist auch der "Böse" freundlich, deshalb erkenne ich ihn nicht, deshalb gibt's das für mich nicht. Bis jetzt.



Nochmal zu dem blonden langhaarigen Studenten. Wie alle anderen auch, fragte er nach meinem Alter und zeigte sich ebenso überrascht. Er sagte, er hätte mich auf 45 geschätzt. Als ich das zum ersten Mal hörte, habe ich mich noch über den Falschschätzer lustig gemacht. Meine grauen Haare, und die Falten im Gesicht lassen doch eine solche Annahme überhaupt nicht zu. Inzwischen habe ich das aber schon so oft gehört, dass ich darüber nachdenken musste. Mir scheint, dass mein sportliches Outfit und meine inzwischen sonnengebräunte Haut und meine gestählten Muskeln und mein freundlicher und entspannter Gesichtsausdruck einen ganz anderen Gesamteindruck erzeugen. Das überraschendste ist ja für sie der Unterschied zu den Menschen, die sie kennen. Und warum ist das so? Dass Rauchen ungesund ist und der Mensch Bewegung braucht, wissen sie eh. Ihm erzählte ich von meinem Verdacht, dass Menschen viel zu früh alt werden, weil sie viel zu früh glauben, alt zu sein. Sie bewegen sich dann weniger, wollen sich nicht mehr anstrengen, und schonen sich. Und die Gesellschaft toleriert das nicht nur, sondern verlangt so ein Verhalten (mich erklären Sie für verrückt). Die Folge ist natürlich Muskelabbau und deshalb werden sie dann tatsächlich alt.

So, jetzt beginnt die Seite 6.