BLOG 28 Vietnam

Sa 04.05.18 Thi Tran Hoa Binh (km 18.765 / H 70)

Ich muss unbedingt darauf achten, dass ich nicht alles Geld verbrauche. An der Grenze hatte ich noch 6000 Kip (-,60€) und zu meiner Überraschung war mein Laos Visum schon am 03.05. ausgelaufen. 1 Tag overstay kostet 1 Dollar, der officer hat sich mit den 6000 K begnügt. Hinter der Grenze das nächste Problem: der nächste Geldautomat ist angeblich 20 km entfernt, in Muong Sen. Fehlinformation! Nochmal 50km weiter. Jetzt musste ich trampen, weil es langsam Abend wurde. So hat auch dieses Abenteuer noch mal ein glückliches Ende gefunden. Und weil es doch inzwischen schon spät war, habe ich mich wieder in ein Hotel einquartiert. Thin Tran Hoa Binh (ein unaussprechlicher Name) liegt an einem Fluss, nicht mehr viel höher als das Meer und hier herrscht wieder eine Affenhitze. Die Sonne steht zu Mittag schon fast im Ze. Ü nith (d.h. senkrecht über mir) und wird mich    nächste Woche ganz erreichen. Hier herrschen also gerade tropische Höchsttemperaturen. Letztes Jahr bin ich in Indien mit der Sonne nach Norden gezogen, da hat dieser Zustand kein Ende genommen. Diesmal gehe ich nach Süden und die Sonne zieht weiter nach Norden, wir entfernen uns also wieder relativ schnell voneinander und das ist gut so. Ä 

Mo 06.05. Tuong Son (km 18.849)

Vietnam nennt sich eine sozialistische Republik.Seit etwa 1850 versuchten die Franzosen eine Kolonialherrschaft über Vietnam zu erlangen, was ihnen 1883 auch gelang, trotz heftigster Gegenwehr der Vietnamesen vorher und nachher. Ab 1941 stritten sich Briten, Franzosen, Japaner und Chinesen um die Vorherrschaft, mit wechselndem Erfolg. Ho Chi Minh vereinigte 1930 verschiedene kommunistische Parteien in Indochina zu einer Einheitspartei und rief 1945 nach der erfolgreichen Augustrevolution die demokratische Republik Vietnam aus und wurde der erste Präsident. In der Unabhängigkeitserklärung berufen sie sich auf die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika und auf die Bürger- und Menschenrechte der französischen Revolution. Im Süden übernahm Frankreich erneut die Kontrolle und konnte sich noch bis 1954 halten, bis zur Waffenstillstandslinie am 17. Breitengrad. Bis 1965 konnten sich noch verschiedene westliche Marionettenregierungen halten, dann kamen die Amerikaner, um eine kommunistische Machtübernahme dort zu verhindern. 1973 mussten auch sie frustriert aufgeben. Der heldenhafte Widerstand der Vietnamesen, aber auch die Proteste im eigenen Land (und auch in Europa) führten zu dieser Einsicht. Auch ich habe mich im Alter von etwa 20 Jahren an solchen Protesten beteiligt und "Ho, Ho, Ho Chi Minh" skandiert. Seitdem fühle ich mich den Vietnamesen auf eine besondere Art verbunden und es ist immer noch da, obwohl ich es längst vergessen hatte. Wenn ich ihnen das erzähle, dann gibt es kein Halten mehr, dann spüre ich förmlich, wie ihre Liebe auf mich überströmt. 


Mi 08.05. Vu Liet (km 18.917)

Eine Bombe. Beide Unterarme abgerissen, ein Auge zerstört, so kann er wieder Motorrad fahren. Ein ganz normales Motorrad, da ist nichts speziell für ihn umgebaut. Er hat mir Fotos gezeigt, auf denen er vor etwa 10 Jahren noch unversehrt war. Amerika kann sich bedanken, dass aus Vietnam oder Laos keine Terroristen kommen, und auch mich wunderts.


Vietnam ist ein säkulares Land. Gab es schon in Laos nur wenige Tempel, sind es hier fast gar keine mehr. Bisher habe ich jedenfalls noch keinen gesehen. Ich hatte befürchtet, das macht meine Schlafplatz Suche schwieriger, ist aber nicht so. Wo immer ich fragte, ob ich mein Zelt aufstellen darf, habe ich bisher noch kein einziges Mal eine Absage gehört. Und immer gibt es noch Abendessen dazu. Ich muss mir was einfallen lassen, ich stelle fest, dass ich schon wieder zunehme.  

Fr 10.05. Vinh (km 18.952)

Sa 11.05. Cuong Gian (km 18.981 / H 10m)

Ich bin am chinesischen Meer.

Im Gegensatz zu den Traumstränden der Touristenmetropolen gibt es hier kaum bis gar keine Menschen. Wie überall in Asien haben die Leute hier keine Verwendung für solchen Luxus. 

Mo 13.05. Cam Hung (km 19.060)

Gestern war ich in Ha Tinh, dort hat mich wieder ein Motorradfahrer mit nach Hause genommen, in ein christliches Stadtviertel. Für seine Familie war es ein Fest, einen ausländischen Gast beherbergen zu dürfen. Und die Leute sehen auch dort was sie sehen wollen, immer wieder musste ich mir anhören ich sähe aus wie Jesus (wegen meiner Haar- und Barttracht). Und sie sind sehr ängstlich. Keiner kann sich vorstellen, dass mein Verhalten ohne Gefahr für Leib und Leben möglich ist. Ich müsste täglich die Begegnung mit Dieben und Räubern befürchten, man nennt sie dort die Ali Babas. Überhaupt kann fast niemand nachvollziehen, was ich tue. Das war ja auch in Deutschland schon so. Alle denken, das sei viel zu gefährlich, zu anstrengend, zu kompliziert, zu teuer, alles Quatsch. Ich sage immer noch, diese Reise ist für mich wie ein Leben im Paradies. Ich habe eine erbärmliche Rente von 420,- € im Monat und hier reicht es für Essen, Visa, öffentliche Verkehrsmittel, manchmal auch einen Flug, ok, ich kann nicht jeden Tag im Hotel wohnen, aber erstens will ich das gar nicht, zweitens ist meistens keines da, wenn ich abends aufhöre. Und ich will meine Reise auch nicht schon am Nachmittag beenden, bloß weil grad ein Hotel am Straßenrand steht. Nein, ich betrachte meine Art zu Reisen als die größtmögliche Freiheit für mich. Auch ich sehe nur was ich sehen will, deshalb begegne ich keinem Ali Baba (die Panne im Iran habe ich längst vergessen). 

Di 14.05. Ky Thinh (km 19.091)

Das Bild täuscht. In Vietnam gilt Rechtsverkehr. Da geht es in Asien total chaotisch zu. Zum ersten Mal habe ich Linksverkehr in Indien erlebt, in Myanmar fahren sie rechts, in Thailand links, in Laos und Vietnam wieder rechts.

Ich habe mich nun schon lange nicht mehr über die unbrauchbaren Gehwege beschwert. Hier trocknen sie den Reis auf der Straße, oft ohne Unterlage (da ist er aber noch nicht geschält). Da muss ich mitten auf der Straße gehen. Wie man sieht, ist der Gehweg nicht für die Fußgänger gemacht. Das ist eine Fahrbahn Begrenzung, oft auch nur angedeutet, und er ist für alle da. Jeder kann ihn nutzen wie er will. Für Werbetafeln oder Hinweisschilder, als Müllabladeplatz, die Werkstätten reparieren da Autos, Geschäfte erweitern ihre Ausstellungsfläche bis zum Straßenrand. Für alle ist es eine kostenlose Nutzfläche. Und ich bin der einzige, den das stört. Ein Grundrecht auf barrierefreie Verkehrswege gibt es nur für Kraftfahrzeuge. Dass auch Fußgänger solche Bedürfnisse haben ist eine typisch westliche, blöde Erfindung, hier braucht das kein Mensch. Dass überall in Asien 10mal so viel Menschen im Verkehr sterben wie in Deutschland, obwohl sie 10mal weniger Kraftfahrzeuge haben, juckt nicht die Bohne. Es gibt dort eh zu viele Menschen. Der Einzelne ist nichts wert, wenn es sich nicht gerade um ein Familienmitglied handelt. Das wird auch in den Medien nicht thematisiert, das ist nicht im Bewusstsein der Menschen verankert. Sie verhalten sich im Straßenverkehr dermaßen fahrlässig, dass sich mir oft die Haare sträuben. Sie haben keine Ahnung, was alles passieren kann. Dabei halte ich mich für Risiko freudiger und argloser als die europäischen Durchschnittsbürger. Statt dessen werden sie von irrationalen Ängsten geplagt. Sie fürchten sich vor den Ali Babas, vor dem Zorn der verstorbenen Schwiegermütter oder Großeltern, vor der Polizei und vor Gespenstern. Sie haben nicht die geringsten Hemmungen, ihre Kinder mit solchen Ängsten zu füttern. Ich höre oft im Vorbeigehen wie sie über mich reden: "pass auf, der nimmt dich mit", oder so ähnlich. Ich sehe das deutlich am Gesichtsausdruck der Kleinen. 

Mi 15.05. Quang Dong (km 19.120)

Jetzt regnet es auch hier fast jeden Tag und jede Nacht. Manchmal ist der Himmel einen halben Tag lang bedeckt ohne dass es regnet. Dieses Bild entstand 10 Minuten vor einem kräftigen Schauer, 15 Minuten später war wieder alles vorbei, die Sonne schien und weitere 10 Minuten später war die Straße schon wieder trocken. Ich gehe absichtlich in den Regen hinein weil ich nach Abkühlung lechze und stelle mich erst irgendwo unter ein Dach, wenn ich richtig nass bin. Die Regenzeit ist die beste Reisezeit hier.

Noch ein paar Gedanken zu den Ängsten:

Statistisch ist die Wahrscheinlichkeit durch einen Verkehrsunfall zu Schaden oder ums Leben zu kommen 100 - 1000 mal höher als alle anderen Risiken, und das halte ich für ein unschlagbares Argument. Alle anderen Ängste sind folglich irrational. Stefan, mein Archäologie Professor zum Beispiel hatte panische Angst vor Mäusen oder Ratten. Einmal hatten wir eine in der Schlafhütte, ich habe mich köstlich amüsiert. Die größeren und gefährlichen Tiere sind so selten, dass ich noch kein einziges Exemplar in freier Wildbahn gesehen habe, und ich bin nun schon seit 15 Monaten in Süd- und Südostasien, wo es sie angeblich noch gibt. 

Fr 17.05. Dong Hoi (km 19.189)

Diese Methode Früchte zu bilden scheint unter asiatischen Bäumen beliebt zu sein, in Europa ist sie völlig unbekannt. Die hier sehen aus wie Äpfel, sind aber etwas kleiner. 

Mehrmals täglich werde ich auch hier aufgefordert doch bitteschön oder gefälligst auf der rechten Straßenseite zu gehen. Das sei in der vietnamesischen Straßenverkehrsordnung so vorgeschrieben. Meistens sage ich nur: halts Maul und gehe einfach links weiter. Er versteht mich ja nicht. Wenn doch mal einer von ihnen ausreichend Englisch kann, diskutiere ich gerne mit ihm. Wenn Regeln falsch sind, wird Widerstand zur Pflicht. Heute war wieder so ein Fall und ich fragte nach einer vernünftigen Begründung. Er meinte, links sei das Risiko überfahren zu werden viel größer, weil der Verkehr ja von vorne kommt. Ist doch logisch, oder? Ich widersprach: für den Fahrer, auf dessen Seite ich bin, spielt es doch keine Rolle in welche Richtung ich gehe. Wenn er mich übersieht, wird er mich überfahren, egal ob von vorne oder von hinten. Auf der linken Seite kann ich diesen Vorgang beobachten und vielleicht noch rechtzeitig reagieren, rechts kommt er ja von hinten, dann bin ich tot. Dann verwies ich noch auf die Unfallstatistik und verglich Vietnam mit Deutschland. Aber das alles hat ihn nicht überzeugt, zum Schluß wiederholte er seine Aufforderung vom Beginn des Gesprächs. In solchen Fällen hätte ich Lust gewalttätig zu werden, aber zum Glück habe ich mich auch hier soweit unter Kontrolle und ging einfach links weiter. Vielleicht waren seine Englischkenntnisse doch nicht ausreichend.

In Indien habe ich das mal einem Polizisten so erklärt, der mich auf die linke Seite schicken wollte. Zum Schluss bedankte er sich bei mir indem er sagte: thank you, I can learn something from you. Dann ließ er mich rechts weitergehen. Seitdem diskutiere ich, wenn möglich.

Ganz so einfach ist das aber doch nicht. Es kommt vor, dass von hinten überholt wird, und die fahren mitunter verdammt knapp an mir vorbei. Manchmal überschätzen sie die Breite der Straße, oder der Überholte muss seinerseits einem Hindernis ausweichen und zwingt ihn damit weiter nach links. Den Überholvorgang abbrechen können oder wollen sie dann nicht mehr, dann steigt ihre Risikobereitschaft, zu meinen Lasten. Ein anderer Fall: eine enge, unübersichtliche Linkskurve ohne ausreichende Ausweichmöglichkeit für mich. Die entgegen kommenden Fahrer sehen mich sehr spät und müssen kurzfristig reagieren, was sie manchmal ganz schön in Bedrängnis bringen kann. Da kann die rechte Seite das kleinere Übel sein. Und bei schmalen Straßen fahren sie sowieso wo sie wollen, links, rechts, in der Mitte. Da muss ich auch auf ihre Aufmerksamkeit vertrauen. 

So 19.05. Vinh Linh (km 19.256)

Meine Aussagen über das Wetter hier muss ich zurückziehen. Jetzt hat es schon 4 Tage nicht mehr geregnet, die Sonne steht schon die ganze Woche senkrecht über mir (zumindest zu Mittag), da ist überhaupt kein Schatten mehr zu sehen, und die Temperaturen steigen tagsüber auf bis zu 45 Grad. Manchmal weht ein heißer Wind, der ist aber trotzdem angenehm. Wer jetzt aus Mitteleuropa hierher kommt, ohne Akklimatisation, der wird vermutlich sofort tot umfallen. Die Vietnamesen schützen sich mit langärmeligen Hemden, Jacken und Hosen vor der Sonne, wenn ich das versuche, sterbe ich den Hitzetod. 

Hier sieht man die Rudertechnik sehr schön. 

Di 21.05 Da Nghi (km 19.319)

Heute war der Himmel den ganzen Tag bedeckt, geregnet hats aber nicht.

Nachmittag haben mich 2 Polizisten abgefangen, haben jede Seite meines Passes abfotografiert, auch die leeren. Dann erklärten sie mir über meinen Handy Übersetzer das Problem. Dies hier ist die "Seegrenze", was bedeutet, für Ausländer verbotene Zone. Ich war auf einer schmalen Straße im Abstand von durchschnittlich 200 m parallel zur Küste. Ob diese Seegrenze entlang der gesamten Küste gilt und wozu sie gut sein soll, war nicht herauszufinden. Sie brachten mich mit ihrem Motorrad zu einer etwa 2 km entfernten Parallelstraße, hier kann ich weitergehen. Problem gelöst. Zum Abschied Selfies und Händeschütteln. 

Mi 22.05. Hue (km 19.361)

Da draußen liegt das Südchinesische Meer mit der chinesischen Insel Hainan, weiter südlich sind die Paracelsus Inseln, um die sich sämtliche umliegenden Länder streiten: Vietnam, China, die Philippinen und Indonesien. Und da draußen gibt es sicher eine Seegrenze zu China. Natürlich fühlt man sich bedroht in einer Welt, in der jeder nur kurzsichtig um den eigenen momentanen Vorteil kämpft, ohne Rücksicht auf die Ängste, die so ein Dauerkonflikt auslöst, ohne Rücksicht auf Lebensqualität und Kosten. Ohne Rücksicht auf die Vorteile, die stattdessen eine freundschaftliche und kooperative Beziehung zu den Nachbarn hätte. So läuft das mit wenigen Ausnahmen überall auf der Welt, auch die USA sind wieder in diese steinzeitliche Barbarei zurückgefallen und auch in Europa geht der Trend in diese Richtung, für mich ein Ausdruck kognitiver Inkompetenz und mangelnden Wissens um die wichtigsten Dinge des Lebens. 

Das heißt in Deutschland Drachenfrucht, kommt aus Lateinamerika und wird dort Pitahaya genannt. Inzwischen wird sie auch in Südasien kultiviert und die Pflanze gehört zu den Kakteenarten. Wenn sie reif ist, kann man sie einfach auslöffeln, die Konsistenz ist fest-chremig, ähnlich wie bei der Avocado, sie hat auch dieselbe Größe und schmeckt fantastisch. 

Hue ist eine hübsche Stadt, umgeben von mehreren Ringen aus Stadtmauern und Wassergräben, war mal Hauptstadt und Residenz von Königen, sehr touristisch (nix wie weg). Gestern Abend hat mich ein Motorradfahrer die letzten 2 km mitgenommen in die Stadt. Ich bin es gewohnt, dass die das aus reiner Freundlichkeit tun, der wollte money. OK, Benzin ist für sie sehr teuer, ich fragte wieviel und er antwortete 5 Dollar. Ich sagte kopfschüttelnd: du spinnst wohl, darauf er: 100 Dong. Dabei muss man wissen, dass sie die Tausender nicht erwähnen. Er meinte also 100.000 Dong, was auch wieder knapp 5 Dollar sind. Ich hielt ihm 10.000 hin. Inzwischen standen ein paar Leute um uns herum. Er nahm den Schein und sagte zu den anderen etwas das sich anhörte wie: Scheiße, der kennt sich aus. 

Fr 24.05. Hue (km 19.403)

Alle Dörfer hier gehören zu Hue. 

Sa 25.05. Deo Hai Van (km 19.446/H 500)

Das ist der Wolkenpass, in einer Bergkette die sich hier quer durch Vietnam zieht und bis ans Meer reicht. Sie bildet eine Wetterscheide, obwohl sie nicht so hoch ist und eine natürliche Grenze zwischen Nord- und Südvietnam, war im Indochina Krieg und im Vietnam Krieg heiß umkämpft. Die Grenze zwischen dem geteilten Nord- und Südvietnam war aber 100 km weiter nördlich, am 17. Breitengrad, hier ist der 16.

Unterwegs haben sich tatsächlich die Wolken zusammen gezogen, oben regnete es. Ich habe in einem Cafe Unterschlupf gefunden, hier kann ich auch übernacht bleiben. 

Mo 27.05. Da Nang (km 19.501)

Die Stadtmitte. 

Herzlichen Glückwunsch zu eurer Wahl zum Europäischen Parlament, zumindest in Deutschland. Ich hätte mir einen noch deutlicheren Denkzettel gewünscht, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Dank ihres Unverständnisses und ihrer Untätigkeit in Sachen Klimawandel ist der zur inzwischen größten existentiellen Bedrohung für die Menschheit angewachsen, noch vor einem Atomkrieg (dessen Risiko auch wieder steigt, dank der mehr als schwachsinnigen US Politik). Die Wissenschaft betet es uns seit 50 Jahren vor was passieren wird und jetzt sind wir an dem Punkt, ab dem die Katastrophe sich verselbständigt, wenn wir nicht sofort handeln. Wir haben gesehen was sich binnen weniger Monate verändert, wenn die Kinder den Erwachsenen in den Arsch treten. Es geht noch schneller, als ich vor ein paar Monaten vermutet habe, und das macht mir Hoffnung, dass wir es noch schaffen können. Was ist schon Schulpflicht angesichts der Aufgaben, die noch vor den Kindern stehen. Sie müssen die Folgen unseres Raubbaus ausbaden.

Natürlich brauchen wir eine CO2 Steuer. Das Umweltbundesamt hat ausgerechnet, dass jede Tonne CO2, die wir ausstoßen, Umweltschäden in Höhe von 180,-€ verursacht. Wer soll die denn bitte tragen? Wenn nicht wir, dann unsere Kinder. Und dieser Betrag würde reichen, den Umbau unserer CO2 Wirtschaft im erforderlichen Maße zu beschleunigen. Nicht 20,- oder 40,-€.

Auch ich muss meine Pläne und mein Handeln immer wieder der Realität anpassen. So muss ich Vietnam nun doch nächste Woche schon verlassen. Ich habe nur 30 Tage Visum und die wollte ich hier in Da Nang nochmal verlängern, aber daraus wird nichts. Diese Prozedur dauert 10 Tage, ich hab aber nur noch 7, deshalb machen sie es nicht. Ich habe schon eine Fahrkarte nach Saigon gekauft, morgen früh fährt mein Zug. Von dort kann ich Kambodscha in 2 oder 3 Tagen erreichen. 

Mi 29.05. Saigon (km 19.517)

Da könnte ich manchmal zum Rassisten werden. Auch Asiaten tragen durchschnittlich 1,2 Kg Gehirnmasse mit sich herum, aber wozu, kann ich hier nicht erkennen. Ich würde das nicht schreiben, wenn es Ausnahmen wären. Aber nein, das ist die Regel. Man muss bis zur Straßenmitte, um solche Hindernisse zu überwinden. Und weil ich soviel unterwegs bin, werde ich immer allergischer. Das ist ja nicht erst in Asien so, das hat schon in Ungarn angefangen. Dort war es aber noch vergleichsweise harmlos. Je weiter ich nach Osten komme, desto schlimmer wird es. Nochmal zu dem Bild: ich wollte dokumentieren, wie gefährlich das für Fußgänger ist und habe eine Weile gewartet, aber da kommt keiner. Mitten in Saigon kaum Fußgänger. Ich bin der einzige Idiot, der zu Fuß geht. Und Saigon = Ho Chi Minh City hat 9 Millionen Einwohner. Sie verwenden hier auch beide Namen. 

Ich bin unterwegs nach Nordwesten, in Kambodscha bekomme ich das Visum wieder an der Grenze, aber nicht jeder Grenzübergang kann das. Da kommen nur ein paar wenige in Frage und der nächste von hier heißt Moc Bai. Der kürzeste Weg durch Kambodscha nach Thailand führt über Phnom Penh und ist 550 km lang. Ich möchte 4 Wochen beantragen, dann habe ich noch etwas Zeit übrig. Auch in Thailand bekommt man das Visum an der Grenze. 

Fr 31.05. Ap Chanh (km 19.568)

Gefühlt ist das hier immer noch Saigon. Zwischen den Orten oder Ortsteilen gibt es kaum Lücken, fast durchgehend Stadt, seit 4 Tagen. Ich wollte mit dem letzten Bild auch erklären, warum ich in großen Städten langsamer vorankomme, aber die Verkehrshindernisse sind nicht der einzige Grund. Hier ist die Verführung, öfters etwas zu konsumieren und eine Pause zu machen viel größer als in der Pampa. 

Zufällig am Straßenrand: die scheinen nichts anderes zu machen als solche riesigen Tischplatten. 2 m breit, 8 m lang und 20 cm dick. Nur ein einziges Brett, ich schätze es auf 2,5 Tonnen. 

Kambodscha

Sa 01.06. XY (km 19.597)

Aus der neuen Überschrift kann man unschwer erkennen, dass ich in Kambodscha bin, nicht aber, in welchem Ort. Die meisten Namen, zumindest die von den kleinen Orten finde ich auch im Internet nur in kambodschanischer Sprache und Schreibweise. Der letzte Ort auf vietnamesischer Seite hieß Moc Bai und ich bin jetzt 10 km weiter. Sowohl die Menschen als auch ihre Sprache heißen Khmer. Sie sind überwiegend Buddhisten, es gibt aber auch eine hinduistische Minderheit. 

Was als erstes unangenehm ins Auge fällt ist der Dreck. Nur die 2 Hauptfahrspuren sind asphaltiert und gekehrt wird hier nix, entsprechend hoch ist der Staubgehalt der Luft. So schlimm wars seit Indien nicht mehr. Besonders loben muss ich in der Beziehung Vietnam, das ist das sauberste Land in Asien. Die Währung hier heißt Riel und ist fast 6 x soviel wert wie der vietnamesische Dong (1€ = 4500 Riel), was aber nicht bedeutet, dass das Preisniveau höher wäre. Auf den Euro umgerechnet ist es etwa gleich mit ganz Südostasien (Thailand, Myanmar, Laos und Vietnam), das doppelte von Indien.

Der Grenzübergang, das Visum, die Geld- und Simkarten Beschaffung, ging alles ratz fatz. 

So 02.06. Svay Rieng (km 19.633)

Diese Stadt ist komplett neu gebaut. Ich hatte beschlossen, heute mal wieder in ein Hotel zu gehen. Bei Preisen zwischen 2 und 5 € ist das auch für mich ab und zu erschwinglich. Aber im ersten wo ich fragte, sagten sie 12 Dollar, im zweiten gar 15. Beim Rausgehen sprach mich ein anderer Angestellter draußen an und sagte ich solle zu dem Hotel gleich gegenüber gehen, dort kostet die Nacht nur 5 Dollar. Ich hatte sofort sein volles Verständnis und seine Sympathie gewonnen. Bei dem Lohnniveau in Asien sind 15 Dollar unverschämt teuer und unerschwinglich. Ich muss also einer von ihnen sein.


Kambodscha und Khmer, das löst bei mir starke schmerzhafte Erinnerungen aus an die Zeit vor 30 Jahren. Nach dem Indochina Krieg, aus dem sie sich gerne rausgehalten hätten, was ihnen aber, wie man aus der Geschichte weiß nicht gelungen ist, haben die "Roten Khmer", eine Bande von Steinzeit Kommunisten vom Schlage der Taliban, 1975 dort eine Schreckensherrschaft errichtet. Sie wollten das gesamte Establishment ausrotten und das waren ihrer Meinung nach alle mit Schulbildung, die Wohlhabenden sowieso. Schon das Tragen einer Brille hat oft für ein Todesurteil ausgereicht. Insgesamt haben sie zwischen 1,7 und 2 Millionen Menschen ermordet, 20 bis 25% der Bevölkerung von damals 8 Millionen. 1979 haben die Vietnamesen dem Spuk ein militärisches Ende bereitet und das war gut so. Sie (die Vietnamesen) blieben noch 10 Jahre zur Bewachung da, danach war wieder eine zivile Entwicklung möglich.

Heute sieht man davon nichts mehr, nicht mal einen wirtschaftlichen Rückstand kann ich erkennen, bis auf die schmutzigen Straßen. 

Ja, es sieht so aus als wäre ich auf dem Rückweg. Tatsächlich will ich 900 km "zurück" nach Nordwesten (Südvietnam ist ja eine Sackgasse für mich) bis nach Bangkok in Thailand, von dort gehts aber wieder nach Süden, Malaysia, Indonesien, dort nach Südosten, alle Inseln bis Australien, dann Neuseeland, Südamerika, Nordamerika und dann erst zurück nach Europa. Dafür veranschlage ich weitere 3 Jahre. 

Mi 05.06. Samroung Thom (km 19.718)

Unwetter auf dem Mekong. Das ist auch einer der größten Flüsse der Welt. Deshalb gibt es hier auch nicht so viele Brücken, die kleineren Straßen werden alle mit Fähren verbunden. Kaum war ich an Bord, brach das Unwetter los. Der Kapitän wollte warten bis das schlimmste vorbei war, kann ja nicht lange dauern. Die Wellen haben das Boot aber auf eine Sandbank oder ein anderes Hindernis gehoben und als er dann losfahren wollte, ging nichts mehr. 2 Stunden lang bemühte er sich, das Schiff bewegte sich höchstens 2 m vor und zurück und es ließ sich auf der Stelle drehen, alle männlichen Passagiere mussten aussteigen und bis zum Bauch im Wasser stehend schieben neben 2 Besatzungsmitgliedern und noch eine Handvoll Männer aus dem Dorf, ich natürlich auch. Es half nichts, der Kahn war zu schwer. Irgendwann fand er doch die richtige Richtung, in der er das Hindernis überwinden konnte. Er kam wieder zurück, legte an der richtigen Stelle an und ich konnte wieder einsteigen. Inzwischen war es Nacht und ich der einzige Passagier, alle anderen sind wohl wieder nach Hause gegangen. Die Frage ob etwa der Schiffsrumpf dabei beschädigt wurde hat außer mir niemanden bekümmert. Als ich für die Überfahrt bezahlen wollte, wollte der Kassierer mir 1000 Riel geben, als Entlohnung für meine Mithilfe. Habe ich aber abgelehnt (das sind 20 Eurocent). 

Do 06.06. Phnom Penh (km 19.761)

Der hat doch eindeutig einen an der Klatsche. Und das ist kein Einzelfall. Mitten in der Stadt. Und wenn es keine Fußgänger gibt, dann bedeutet das doch, dass die Leute ihr Leben in einem Aktionsradius von 50 Metern verbringen.

Wenig später sah ich einen Mercedes Maybach 6,5 Liter am Straßenrand, stand alles ungeniert hinten drauf, mit kambodschanischem Kennzeichen. Basispreis (d.h. ohne Extras) 200.000 €. Diese soziale Spannweite, die Möglichkeit in so einem armen Land so viel Geld zu verdienen, scheint hier auch niemanden zu stören. Für mich stellt sich da sofort die Gerechtigkeitsfrage. 

Sa 08.06. Skun (km 19.834)

An den Ufern der Flüsse, Seen und Meere liegen in Mitteleuropa die teuersten Bauplätze, in Kambodscha die billigsten.


Inzwischen habe ich mich schon weit von der Sonne entfernt. Mein Schatten um 12 Uhr mittags ist schon einen halben Meter lang, und er zeigt nach Süden. Das erlebe ich auf dieser Reise zum ersten Mal. Aber kühler wird es deswegen noch lange nicht. Auch in Deutschland ist es ja nicht am 21. Juni am heißesten, sondern erst 1 bis 2 Monate später. Die Wärme kommt und geht immer mit einer gewissen Verzögerung. 

Di 12.06. Kampong Tom (km 19.936)

Auch hier gibt es nicht überall Internet.

Gestern Abend hatte ich wieder ein deprimierendes Erlebnis. Ich habe meine Bankkarte verloren (ja, ich habe sie sperren lassen). Kampong Tom ist seit Phnom Penh die größte Stadt, da gibts jede Menge Banken und die meisten haben auch Geldautomaten. Aber keiner wollte mir Geld geben. Deshalb habe ich sie nur einfach in die Hosentasche gesteckt, und da habe ich sie vermutlich mit dem Handy unbemerkt herausgezogen. Ich bin den ganzen Weg 2 mal abgelatscht und habe auch in der Bank, deren Automat ich zuletzt benutzt habe, nachgefragt, nichts. Zum Glück habe ich noch eine Kreditkarte, damit habe ich wieder Geld bekommen. Mein Bruder Wietold wird versuchen, eine neue Bankkarte für mich zu besorgen.

Dazu kommt noch, ich habe das Gefühl, dass die Khmer überhaupt nicht verstehen, was ich mache. Auch wenn sie mich verstehen, oder ich ihnen die Übersetzung schriftlich unter die Nase halte, höre und sehe ich, dass es nicht in ihren Kopf geht. Dazu braucht es dann schon 3 bis 4 Wiederholungen. Das trägt auch dazu bei, dass ich mich heute etwas dünnhäutig fühle. 

Mi 12.06. Kampong Svay (km 19.961)

Das heißt, ich bin leicht gereizt und keiner kanns mir recht machen. Ihre Freundlichkeit ist genauso wie es mich in Sri Lanka schon genervt hat. Ich hatte mich ja schon daran gewöhnt, aber heute gilt das nicht. Dieses überlautstarke, überfröhliche "Hello" (Betonung liegt auf dem o) wird, wenn es fast jeder Zweite macht, zur unverschämten Belästigung. Sie machen das nur, weil sie mich als Ausländer erkannt haben. Mit den eigenen Landsleuten machen sie das nämlich nicht.

Außerdem nehme ich ihnen diese vorgetäuschte Fröhlichkeit nicht ab. Aus meiner Sicht ist ihr Leben die Hölle. Was ich beobachte, arbeiten die meisten 7 Tage die Woche a 12 Stunden ohne Urlaub für einen Hungerlohn, ohne Chance, dieser Idiotie jemals zu entkommen. Und die meisten kommen überhaupt nicht auf die Idee, dem entkommen zu wollen. Für sie ist das völlig normal. Die Frauen fühlen sich hier etwas freier (als in Indien), trotzdem ist ihr Leben Sklaverei. Krasse Benachteiligung zwingt sie in totale Abhängigkeit und Kontrolle. Zu ihrem Glück / Pech wissen sie es nicht. 

Aber diese exotischen Früchte begeistern mich immer wieder aufs neue. 

Do 13.06. Stoung (km 20.002 / H 10 m)

Die Khmer haben Angst vor Hochwasser, aber nicht vor Erdbeben. Immer schon. Auch die alten Holzhäuser sehen so aus. Offensichtlich haben sie mit Hochwasser die schlechteren Erfahrungen gemacht. Dieses ist schon besonders hoch. Ich bin hier im zentralen Becken von Kambodscha und das liegt tatsächlich nur 5 bis 30 m über dem Meeresspiegel und es nimmt zwei Drittel der gesamten Landfläche ein. Mitten durch fließt der Mekong und kurz vor der vietnamesischen Grenze be... (hier wurde ich unterbrochen)... ginnt das Mündungsdelta. Mitten in der Tiefebene liegt der Tonle Sap, das ist mit 2.500 qkm der größte See in Südostasien. Der hat mehrere Zuflüsse und einen gleichnamigen Abfluss, der irgendwo in den Mekong mündet. Der Höhenunterschied ist nun so gering, dass der Mekong in der Regenzeit, wenn er Hochwasser hat, die Fließrichtung des Abflusses umdreht und der See so auf 20.000 qkm anschwillt. Trotzdem halte ich die Stelzenlänge auf dem Foto für übertrieben. Die Regenzeit hat zwar schon begonnen, aber bisher war alles noch harmlos. Vermutlich sind am Höhepunkt nicht mehr alle Straßen passierbar.


Hier bin ich einer Gruppe (Horde) von Militärpolizisten in die Hände gefallen. Sie gaben mir zu Essen und ein Zimmer in ihrer Kaserne. Ich hatte schon geduscht und begonnen in meinem Blog zu schreiben, da haben sie mich wieder rausgeholt und in ihren Partyraum verschleppt. Offensichtlich handelt es sich um eine Offiziers Clique. Sie sind zwischen 40 und 50 Jahre alt, sehen alle recht kräftig aus, haben aber eine schlampige Figur und Bierbauch. Ausnahmslos alle. Einer von ihnen ist der oberste Chef in der Kaserne. Sie haben ein separates Viertel für Offiziere, da kommen einfache Soldaten oder Polizisten nicht hin, es sei denn zur Bedienung der hohen Herren. Mir ist das alles sehr bekannt, ich habe es selbst bei der Bundeswehr in 2 Jahren bis zum Leutnant gebracht, und da wird es genauso gemacht. Und diese Herrschaften halten sich auch Nutten hier. Nichts gegen diese armen Frauen, ich habe schon erwähnt, dass patriarchalische Gesellschaften sich die Frauen durch Mittellosigkeit gefügig machen. Und das funktioniert auch nur bei denen, die das Spiel nicht durchschauen. Mann muss sie also arm und dumm halten (das gibt es in Mitteleuropa auch immer noch. Warum sonst bekommen Frauen für die selbe Arbeit weniger Lohn und werden beim Erben oft krass benachteiligt?). Und wenn sie schon, weil sie nichts anderes haben, ihre Haut auf dem Markt verkaufen müssen, versuchen sie das natürlich meistbietend, das heißt, wer mehr Geld hat, hat bei ihnen auch größere Chancen. Am Ende sind auch die Männer, die da nicht mithalten können, und das ist die Mehrheit von ihnen, ebenso die gelackmeierten. Und weil sie das Spiel auch nicht verstehen, halten sie sich für privilegiert und verteidigen diese vermeintlichen Privilegien mit Zähnen und Klauen, machen sich selbst zu nützlichen Idioten derer, die wirklich davon profitieren. Also liebe Geschlechtsgenossen: weg mit dem Patriarchat. Gleiche Augenhöhe, gleiche Chancen.

Ach so, im Partyraum wollten sie mich mit einer (irgendeiner) dieser Frauen verkuppeln. Die sind 25 bis 35 Jahre alt schätze ich, und das kommt für mich überhaupt nicht in Frage. Nicht nur wegen ihres Alters. Ich benutze dann immer mein Alter als Ausrede und weil sie glauben, 69 sei ein sehr hohes Alter, akzeptieren sie das. Tatsächlich denke ich, ich muss mich nicht mehr fortpflanzen und auch nicht so tun als ob. Diese Selbsttäuschung funktioniert nicht mehr. Meine sexuellen Gelüste sind nicht weg, aber sie haben nicht mehr diese Bedeutung. Bis jetzt komme ich sehr gut ohne zurecht. Auch eine Beziehung wäre jetzt nur hinderlich, ich entscheide mich klar und ohne Zweifel für meine Freiheit (momentan). 

So 16.06 Siem Reap (km 20.126)

Durchschnittlich jeden 2. Tag werde ich von Leuten eingeladen, kann bei ihnen duschen und schlafen und bekomme zu essen. Nur mal zum Beispiel die letzte Woche:

Am Mittwoch ein Tankwart, der mit seiner Familie auf der Tankstelle lebt. Weil mein Zeltboden mittlerweile schon ziemlich durchlöchert ist brauche ich zur Zeit immer einen überdachten Platz und da war weit und breit nichts anderes. Außerdem schätze ich es, mich abends duschen oder waschen zu können. Und das gibts auf Tankstellen immer. In einer Ecke unter dem Dach stehen 3 Betten einfach auf der Erde, ohne Matratzen außerdem gibt es noch ein paar Hängematten, das ist ihr Schlafplatz. Sie legen einfach eine Schilfmatte auf die Bretter, so schlafen sie. Ich kann das inzwischen auch. Ein Ventilator läuft die ganze Nacht und vertreibt die Mücken und die Hitze. Wo immer ich hinkomme, ich bin sofort trotz Alien einer von ihnen.

Am Donnerstag die Militärpolizisten, am Freitag lernte ich John Schmidt kennen, 68 Jahre alt, seine Mutter war Deutsche, sein Vater US Soldat. Geboren wurde er auf den Philippinen, ein Jahr hat er in Deutschland gelebt, die meiste Zeit aber in Californien. Dort hat er ein Haus. Seit etwa 2000 lebt er überwiegend in Kambodscha, hier hat er auch ein Haus gebaut und lebt da alleine. Er kam für einen Job hierher, nämlich um Rollstühle, made in Cambodia, nach Frankreich zu exportieren. Dieses Geschäft ist schon vor einigen Jahren ausgelaufen, er spricht perfekt Khmer und ist mit allen Nachbarn bestens befreundet. In einem halben Jahr will er zurück in die USA, ob er nochmal wiederkommt und was aus seinem Haus wird, weiß er noch nicht. Er ist so groß wie ich (1,70 m) und war immer ein starker Mann, 100 kg, jetzt hat er noch 60. Er ist aber nicht krank, er kann und will einfach nicht mehr so viel essen.

Am Samstag war ich wieder in einem Kloster und gestern (Sonntag) traf ich Sokha:

Er feierte mit seiner Familie und mit Nachbarn eine "Leich", so nennt man das in Bayern. Ein Familienfest zum Gedenken und zur Ehre eines Verstorbenen. Er war mal Boxer und die traktieren sich dort nicht nur mit den Fäusten sondern auch mit den Füßen, was meiner Meinung nach die Verletzungsgefahr nochmal drastisch erhöht. Und so kam es wie es kommen musste, nach einer Knieverletzung konnte er das nicht mehr machen. Jetzt ist er Busfahrer und transportiert mit einem Kleinbus Touristen zwischen Siem Reap und Angkor Wat. Wir haben festgestellt, dass er nur 1 Monat jünger ist als ich und sofort fühlte er sich wie mein kleiner Zwillingsbruder. Wir hatten ein überdurchschnittlich vertrauensvolles und inniges Verhältnis. Natürlich musste ich wieder essen und trinken bis zum Platzen. Auch Alkohol, aber damit habe ich mich soweit unter Kontrolle, dass es keine negativen Folgen gibt. Ich kenne meine Grenzen und die sind sehr niedrig. 

Wenn ein Familienmitglied stirbt, dann schneiden sich die Angehörigen die Haare ab. Totalglatze, auch Frauen und Kinder. Das machen nicht alle, es ist freiwillig. Und sie sagen nicht dass er oder sie gestorben ist, sie sind gegangen, und damit ich es besser verstehe, deuten sie mit dem Finger nach oben. Es muss also auch eine Art Himmel geben.


Kennengelernt habe ich diese Leute am späteren Sonntag vormittag, ich war auf dem Weg zum See und wollte einfach vorbei gehen. Das haben sie aber nicht zugelassen. Da musste ich ins Partyzelt kommen und mitessen und -trinken und versprechen, am Rückweg wieder vorbei zu kommen. 

Es gibt dort schwimmende Dörfer, dieses liegt in einem Fluss oder Kanal kurz vor dem See. Der ist mittlerweile nur noch 30 cm tief (überwiegend), vor einigen Jahren waren es noch 50. Die Zuflüsse bringen so viel Sedimente mit, dass er in ein paar Jahren wohl verschwinden wird. Schuld sind die Menschen. Raubbau an den Wäldern bewirkt eine höhere Erosion und beschleunigt den eigentlich natürlichen Vorgang.

Von der Party (am Südrand von Siem Reap) bis zum See sind es 12 km. Ich war also nach 6 Stunden wieder da. Sie wollten dann meine Bilder sehen, und da sagte Ra, ein Sohn von Sokha, 40 Jahre alt, dass er noch nie dort war. Für ihn ist das ewig weit weg, obwohl er ein Motorrad hat, und er konnte es kaum fassen, dass ich alter Mann das mal eben an einem Nachmittag zu Fuß mache. 

Di 18.06. ? (km 20.191)

Gestern hatte ich in einem Kloster mit einem schwulen Mönch zu tun. Die haben oft jeder ein kleines Häuschen im Kloster. "Natürlich kannst du da schlafen". Er hatte sogar ein Gästebett auf der Terrasse und dann wollte er dauernd meine Genitalien anfassen. Meine Abwehr hat ihm aber klargemacht, dass ich ein stinknormaler Hetero bin und dann ließ er mich in Ruhe. Sie haben auch ein Zölibat, wenn ein Mönch heiraten will, muss er die Kutte ablegen und aus dem Kloster ausziehen. Trotzdem scheint es mitunter lustig zuzugehen. Das hat mich aber nicht davon abgehalten, heute wieder in einem Kloster zu schlafen. 

Do 20.06.? (km 20.272)

Zur Zeit geht es etwa nach Westen und das bleibt so bis Bangkok, eine gute Woche. Jetzt bin ich 25 km vor der Grenze nach Thailand, morgen beginne ich wieder eine neue Seite.

Mein Fazit über Kambodscha: es ist das billigste Südostasiatische Land, aber immer noch teurer als Indien, sonst kaum Unterschiede zu den Nachbarländern. Für mich war es sehr angenehm und interessant, abgesehen von der Business Freundlichkeit in den größeren Städten. Verstehen kann ich sie so wenig wie sie mich, ich meine nicht nur die Sprache, sondern die Mentalität. Sie bringen ihren Kindern von Anfang an bei, dass jeder Gedanke an den eigenen Vorteil pfui ist (gilt natürlich nur für die Habenichtse) und erzeugen so eine selbstlose Unterwürfigkeit, dass ich immer wieder staune. Bedingungslose Liebe und Loyalität zum König und allen höhergestellten Personen (dazu gehöre ich auch), dafür kann man andere, die noch weniger "wert" sind, mit Füßen treten. Den höchsten Stellenwert hat die eigene Familie. Ohne ihren Rückhalt ist man verloren. Man kann sie höchstens für einen Arbeitstag verlassen, alles andere ist unvorstellbar. Individuelle Freiheit, völliger Blödsinn. Vertrauen in das Familienoberhaupt (in der Regel der Vater), grenzenlos. Der wird schon wissen, was gut für mich ist. Fürsorge für die Kinder, die Alten und Kranken ist tatsächlich unerlässlich in einem Land, wo der Staat nichts dafür tut.