Blog 38 Australien 5

Tasmanien

Mi 20.01.21 Bridgewater (Km 32.972

Das ist übrigens mein neues Zelt seit Adelaide.

Der Flug von Melbourne nach Hobart (Capital City of Tasmania) dauert 1¼ Stunden, und nach der Landung gehts fast zu wie bei einem internationalen Flug. Nur das Visum hat noch gefehlt. Dafür haben sie jetzt ein Thermometer, das misst die Körpertemperatur aus einem halben Meter Entfernung. Und man muss einen 4 seitigen Fragebogen ausfüllen und wird dasselbe nochmal mündlich gefragt, wegen Corona. Wehe man war in einem sogenannten Hotspot Gebiet, dann gibts Quarantäne für 3000$. Aus europäischer Sicht wirkt das alles reichlich übertrieben, angesichts der niedrigen Fallzahlen, dafür gibt es aber tatsächlich kaum Neuinfektionen. Sie haben schon wegen einem einzigen Fall einen ganzen Bundesstaat in den Lockdown geschickt.

Tasmanien ist ein Staat in Australien, etwa so groß wie Bayern, hat aber nur 500.000 Einwohner (Bayern 12 Millionen). Die Urbanisierung ist hier nicht so weit fortgeschritten wie im restlichen Australien, Hobart hat nur 200.000 Einwohner. Weite Teile (vor allem der Süden) sind unbewohnt.

Die durchschnittlichen Temperaturen sind hier im Sommer, also jetzt, 11 bis 21⁰, im Winter 4 bis 12⁰. Heute früh waren es 6 und am frühen Nachmittag 21⁰, trotz wolkenlosem Himmel. Es soll wieder wärmer werden, sagen sie, am Wochenende bis 30⁰.

Do 21.01. Gretna (Km 33.014)

Es gibt in Südaustralien und auch auf Tasmanien Brombeeren und die ersten sind grad reif. Das ist gut für mich, ich liebe sie, aber schlecht für das australische Ökosystem. Siedler haben sie aus Europa mitgebracht und hier angepflanzt. Sie schmecken aber auch den Vögeln und anderen Tieren. Weil die Samen so klein und hart sind, scheiden wir sie unversehrt wieder aus und sorgen so für die weitere Verbreitung. Sie werden hier inzwischen als Landplage betrachtet. Es gibt in Deutschland Menschen, die sie nicht kennen. Einmal hab ich einen Nachbarn aufgeklärt,  in dessen Garten wuchsen sie massenweise und er hielt sie für Unkraut. Ich zeigte ihm, dass man sie essen kann, er probierte eine und spuckte sie sofort wieder aus. Er hat wohl einen anderen Geschmack erwartet, oder mehr Süße und war einfach nicht im Experimentiermodus.

Heute bin ich wieder überfallen worden, diesmal von einem Bienenschwarm. Ich sah in 200 m Entfernung Arbeiter in Schutzkleidung, die sich an großen Kisten zu schaffen machten, mitten in der Pampa. Als plötzlich die Bienen da waren, und die waren im Kamikaze Modus, auf Kriegsfuß, Hunderte von Selbstmordattentätern, da wusste ich, die Männer plündern gerade die Honigvorräte. Ich sah meine einzige Chance im Rückzug. Dabei stachen sie mich überall. Ich lief, so schnell ich konnte mit meinem Anhänger, wischte mir die stechenden Bienen von Armen und Beinen, aus dem Gesicht, den Ohren, dem Hals. Den Mund hielt ich möglichst geschlossen, aus Erfahrung weiß ich, dass ein Stich im Hals gefährlich werden könnte. Sie verfolgten mich etwa 500 m weit, ich schätze, dass mich dabei 30 Bienen gestochen haben. Mein bisheriger Rekord liegt bei etwa 15, da war ich noch ein Kind. Zum Glück hat mein Immunsystem nicht allergisch reagiert. Das hat es auch damals, in meiner Kindheit nicht, aber da kann man sich nie sicher sein. Sowas ändert sich auch manchmal. Aber die Stiche schmerzen jetzt, nach 7 Stunden immer noch. An manchen Stellen fühlt es sich an wie Muskelkater. Schwellungen sehe ich keine. Auf den Schreck machte ich erst mal eine Kaffeepause, dann zog ich 2 Schichten lange Klamotten an und mein Fliegenschutznetz und stürzte mich erneut in den Kampf. Die Arbeiter waren noch da und gerade dabei, wegzufahren. Während ich überlegte, mit ihnen zu schimpfen, kamen die Bienen wieder. Das Schimpfen erübrigte sich damit, ich beschloss, wieder zu laufen. Und diesmal kam ich mit einem Stich davon, eine von ihnen krabbelte mir von unten ins Hosenbein.

Fr 22.01. Ouse (Km 33.049/H 375 m)

Heute nachmittag sah ich wieder solche Bienenstöcke, wenn sie nicht um ihre Vorräte kämpfen müssen, sind sie friedlich (ist ja bei den Menschen nicht anders). Einige meiner Stiche waren heute früh doch geschwollen und jucken.

Es geht langsam aufwärts, insgesamt ist Tasmanien viel hügeliger als der größte Teil von Australien. Und hier in der Mitte trockener als die Küstengebiete dort. Ich bin jetzt in den "Highlands". Sogar trockener als das Outback, zumindest in der Zeit als ich dort war. Kann sein, dass es jetzt anders aussieht.

Sa 23.01. Tarraleah (Km 33.081/H 600)

Hinter den letzten Bergen im Hintergrund muss das Meer sein. Blickrichtung Südosten aus 500m Höhe, dort liegt in 100 km Luftlinie Hobart. Hier in der Mitte und im Süden gibts fast nur noch Wälder, aber jeder 2. LKW ist ein Holztransporter. Wenn sie Holz "ernten", so nennen sie das, dann behandeln sie den Wald wie ein Maisfeld. Da wird alles ratzekahl niedergemacht, sieht man im Vordergrund, anschließend werden hoffentlich neue Bäume gepflanzt, aber leider als Plantage, in Monokultur. Besonders nachhaltig ist das nicht, ist in Deutschland glücklicherweise verboten, es sei denn, man will eine Gigafactory bauen und ein paar Arbeitsplätze schaffen. Dann bekommt man sofort eine Ausnahmegenehmigung.

Ich hatte erwartet, dass es auf Tasmanien wegen der Kälte keine Fliegen und Schlangen gibt. Das war ein Irrtum. Es gibt Fliegen, auch eine Art, die ist 3mal so groß, aber ihre Anzahl ist erträglich. Aber Schlangen müssen viel mehr rumkreuchen, zumindest hier in den Highlands. Heute habe ich 4 Stück gesehen, eine davon, eine schwarze, war lebendig, 1,5m lang. Sie ließ mich bis etwa 3m herankommen, dann schlich sie davon. Wenn man ihnen nicht zu schnell zu nahe kommt, und sie ihr Nest nicht verteidigen müssen, dann verziehen sie sich lieber, bevor es zur Konfrontation kommt. In Australien werden mehr Menschen vom Blitz erschlagen als von Schlangen, Krokodilen oder Haien getötet.

So 24.01. Derwent Bridge (Km 33.118/H 740m)

Der Ort heißt so, weil hier eine Brücke über den Derwent River führt. Aber so weit bin ich noch nicht, da fehlen noch ca. 5km.


Nach Tarraleah ging es heute morgen erst mal 250 Hm bergab. Da unten sind 2 Wasserkraftwerke (das andere ist gleich hinter mir), über die Pipelines rechts kommt das Wasser aus umliegenden und ein paar hundert Meter höher gelegenen Stauseen. Die erzeugen einen Großteil des Strombedarfs von Tasmanien, der verlässt das Kraftwerk nach links. Finde ich genial. Hier wurde nur während der Bauphase CO2 erzeugt.

Manchmal, hier z.B. bedaure ich, dass ich kein Fahrrad habe. Diese Strecke ist dafür ideal: steil, kurvig, kaum Verkehr, viele Höhenmeter am Stück. Ja klar, bergauf ist es anstrengend (wer nicht an meinem Beispiel sieht wie gesund Anstrengung ist, dem ist nicht zu helfen), aber die Belohnung beim Bergabfahren ist dafür umso schöner. Der Verkehr besteht zu 50% aus Motorrädern, das ist nur hier so, und ich kann es verstehen, aber nicht mehr billigen. Es tut mir leid, aber die Zeiten, in denen man sorglos CO2 in die Luft pusten konnte, sind endgültig vorbei. Jetzt schon und nicht erst in 5 Jahren! Die Autos auf dieser Straße sind auch größtenteils freizeitmäßig unterwegs, sieht man an ihrem Gepäck. Viele ziehen einen Anhänger mit einem geländegängigen Motorrad hinter sich her, oder ein Boot, oder einen Quad, alles CO2intensive "Sportarten". Wir zerstören unsere Lebensgrundlage, nein, falsch, die unserer Kinder und Enkel, just for fun, und wollen das nicht aufgeben, weil wir uns eine andere Art Spaß zu haben, nicht vorstellen können. Allein schon dieses beschränkte Vorstellungsvermögen muss jetzt geächtet werden. 

Das CO2 in der Atmosphäre ist jetzt schon 50% höher, als vor der Industrialisierung, jeder sieht, dass es immer wärmer wird, aber die schlimmsten Auswirkungen hat das erst in einigen Jahrzehnten, selbst dann noch, wenn wir dem ab sofort nichts mehr hinzufügen. Und alles, was wir jetzt noch erzeugen, macht es nur noch schlimmer. Wenn wir noch 10 Jahre so weitermachen, dann haben wir (unsere Nachkommen) keine Chance mehr.

Mi 27. 01. Queenstown (Km 33.226/H 150)

Das Bild ist von gestern, der Berg heißt Mt. Owen (1140m), gehört zu den West Coast Ranges und dahinter liegt Queenstown, die größte Stadt auf der Westseite von Tasmanien, mit 1700 Einwohnern. In Europa wäre das ein durchschnittliches Dorf. Alle Orte hier verdanken ihre Existenz dem Bergbau, und einige Bergwerke arbeiten noch oder wieder, so auch hier. Die Ausbeute wird aber weniger, drum ziehen viele Leute wieder weg. Vor 100 Jahren lebten hier 5000 Menschen. Die Straße, auf der ich seit Hobart unterwegs bin, heißt Lyell Highway. Die Übersetzung mit Autobahn ist falsch. Sie nennen immer die jeweilige Hauptstraße so. Das heißt, alle anderen Straßen in der Nähe sind kleiner. Und dieser Hwy führt kurz vor Queenstown zwischen dem Mt. Owen und dem Mt. Lyell durch. Und der ist sehr metallhaltig, immer noch. Hauptsächlich Kupfer, aber auch fast alles andere. Vor 100 Jahren war dies die größte Mine des britischen Empires. Das einzig Interessante an Queenstown ist die Bergkulisse, zumindest für die vielen Touristen, die neuerdings immer mehr werden.

Das war am Montag, eine 20 cm breite Hängebrücke über den Franklin River und sie funktioniert wunderbar.

Fr 29.01. Zeehan (Km 33.301/H 175)

Gestern war ich in Strahan (5m hoch), die Straße von Queenstown bewegt sich zwischen 250 u. 400 m. Queenstown liegt in einem Engen Tal, beide Zufahrtstraßen führen über einen 250 m hohen Pass hier runter. 

Auf einem Campingplatz in Strahan lernte ich Sacha und John kennen, die sich für meine Reise interessierten. Sie sind aus Adelaide und machen hier eine Urlaubsreise mit ihrem Wohnwagen, anlässlich ihres 25 jährigen Ehejubiläums. Ich baute mein Zelt auf ihrem Stellplatz auf, bekam Abendessen mit Rotwein, alles wunderbar.


Heute bin ich wieder, bei leichtem Regen am Nachmittag, weitergegangen nach Norden, nach Zeehan.

Tasmanien hat auch nur 7,5 Menschen pro km², aber hier im Westen gefühlt 0,1 und im Süden 0,0. Die letzten 5 Tage vor Queenstown waren etwa 180 km und da gabs auf halber Strecke in Derwent Bridge nur einen mickrigen Laden (im Hungry Wombat Cafe) mit völlig unzureichendem Angebot. Auch damit hatte ich nicht gerechnet. Was sind schon 90km mehr für Autofahrer, für mich kann das fatal sein. Wie bei Broken Hill hatte ich noch ausreichende Reserven im Gepäck, sonst wärs schwierig geworden.

Und jetzt liegen, fürchte ich, wieder 160 km Wildnis vor mir. Bis Arthur River kann ich kein Dorf mit einem Lebensmittel Laden sehen. Und die Straße, sagt man mir, ist überwiegend Schotter, das kostet etwas mehr Zeit. Man kann das Wasser aus den Flüssen hier trinken, sagen sie, aber Oberflächen Wasser ist mir nicht ganz geheuer. Sicherheitshalber könnte ich es auch abkochen.

Arthur River liegt schon weit im Nordwesten, danach gibts wieder mehr Dörfer und weniger Regen. Der Norden und Osten sind trockener und wärmer, hier im Westen ist immer ein kalter Westwind und es regnet bis zu 4m! im Jahr. Hauptsächlich im Winter, aber seit Derwent Bridge durchschnittlich jeden 2. Tag (im Sommer).

Gestern sah ich eine Farm, die Bio Gemüse im Direktverkauf anbietet. Viel Auswahl hatten sie nicht, ich kaufte etwas und die Bäuerin schenkte mir noch 6 Eier und erzählte mir, dass sie aus Queensland hierher ausgewandert sind. Weils hier nicht so mörderisch heiß ist. Sommerliche Temperaturen von 6 bis 20⁰ sind mir zu kalt. Es gibt auch wärmere Tage, angeblich, aber den letzten habe ich auf der Ostseite erlebt. Man kann jetzt daraus aber nicht auf einen besonders harten und kalten Winter schließen. Im Winter gibts kaum Frost, außer in höheren Lagen, im Durchschnitt hats dann 4 bis 12⁰. Geografisch bin ich jetzt auf -42⁰, das entspricht, auf die Nordhalbkugel übertragen, der Höhe von Rom. Aber bis zur Antarktis sind es nicht mal mehr 3000 km, die reicht hier bis auf 66⁰

Di 02.02. Pampa, (Km 33.372/H 400)

Nein, mich hat nicht der tasmanische Teufel geholt. Dazu ist er zu klein und ich habe auch nur einen bisher gesehen, das war im Zoo. Es war zu erwarten, dass hier Datenflaute herrscht, aber jetzt habe ich gerade entdeckt, dass es hier im Nirgendwo eine Verbindung gibt. Es ist 16 Uhr, ich melde mich nur kurz, kann sein, dass bis Arthur River nichts mehr kommt.

Ich wollte ein Bild hochladen, aber das schafft die Verbindung nicht. Ich versuche es später. Ich bin 20km nördlich von Corinna am Mt. Longback, der ist zwar nur 518m hoch, aber das ist Durchschnitt hier. Trotzdem sieht die Straße aus wie im Hochgebirge und bewegt sich zwischen 20 und 400m Höhe. Und so steil, dass mir manchmal Angst und bange wird und ich immer wieder an meine körperlichen Grenzen komme. In Corinna war vermutlich die letzte Gelegenheit, meine Wasservorräte nachzufüllen. Von hier habe ich mit 3 Tagen bis Arthur River gerechnet, aber jetzt sehe ich, dass dies illusorisch ist. Ich schleppe 12 Liter mit mir und ausreichend Futter, das sollte auch für 4 Tage reichen, erschwert natürlich meinen Anhänger, sonst wärs kein Problem. Das Wetter hat sich schon gebessert, es regnet kaum noch.

Das ist der Mt. Longback.

Mo 08.02. Stanley (Km 33.543)

20km vor und nach Corinna (ein Ort mit 5 Häusern, genauer 1 Haus und 4 Hütten), das war die schlimmste Strecke meiner Reise. Bisheriger Rekordhalter war Timor Leste. Hier sind die Straßen zwar besser, aber noch steiler und in endloser Folge, und mein Anhänger ist fast doppelt so schwer, mit Essen und Wasser für 4 Tage. Nach 2 Tagen waren meine Knöchel geschwollen, das gabs bisher noch nicht. Gespürt habe ich nichts davon. Zum Glück wurden dann die Berge weniger und niedriger und nicht mehr soo steil, und mein Anhänger wurde jeden Tag um etwa 4kg leichter, durch essen und trinken. Ich ging dann etwas langsamer und weniger und nach 2 weiteren Tagen war alles wieder gut. Da war ich in Arthur River. Dort gibts einen freien, kostenlosen Campingplatz mit einer Hütte als Info- und Aufenthaltsraum, dort habe ich dann auch geschlafen, weil es inzwischen, angefangen hat, wolkenbruchartig zu regnen und ich war allein auf diesem Platz. Es gab auch eine Dusche, leider nur kaltes Wasser, bei diesen winterlichen Temperaturen eine echte Herausforderung. Am nächsten Tag regnete es auch noch den ganzen Vormittag, so kam ich bloß bis Marrawah. Dort lud mich Phillip, ein Farmer und leidenschaftlicher Surfer, auf seine Farm ein, 7km weiter nördlich. Ich bekam als Unterkunft ein kleines, altes Farmhaus. Zum Glück hat es einen Ofen den man mit Holz beheizt, der auch Wasser erwärmt, so konnte ich dann in der Badewanne entspannen und draußen in der Wildnis Wallabies, Wombats und Possums vor dem Fenster vorbei laufen und -hüpfen sehen. Ein gemütlicher Abend. Es gab auch einen Gasherd, auf dem konnte ich mal wieder ein Abendessen kochen, meine Gasflasche ist schon wieder leer, manchmal haben sie die Frechheit, Gasflaschen zu verkaufen, die schon gebraucht sind. Diese war nur halbvoll, das kann ich genau sagen, seit ich über meinen Gasverbrauch buchführe. Inzwischen ist mein Datenkontingent fürs Internet auch abgelaufen, deshalb geht weiterhin nichts mit meinem Blog (der Campingplatz in Stanley hat Wifi).

Am nächsten Morgen zeigte mir Phillip noch seine Farm, die reicht von der Harcus River Road bis ans Meer. Der nächste nördliche Nachbar ist eine kleine Aborigines Gemeinde um den Mt. Cameron, den Rest der nordwestlichen Ecke von Tasmanien hat eine chinesische Firma oder Gesellschaft gekauft. Sie betreiben dort wie alle Farmer in dieser Gegend, Viehzucht und Milchwirtschaft, exportieren aber alles nach China. Ich vermute, sie werden Phillip eines Tages besuchen und ihm ein gutes Angebot für seine Farm machen (schon aus strategischen Gründen).

Ein Kurzschnabeligel (Echidna). Dies ist wie das Schnabeltier (Platypus, lebt wie die Otter im Wasser) eine eierlegende Wollmilchsau. Beide werden aber mangels Produktivität nicht domestiziert. Eine kurze darwinistische Erklärung: Säugetiere sind Mammals, eierlegende Tiere heißen Oviparier (z.B. Vögel, Reptilien, Fische, auch die Dinosaurier haben Eier gelegt), die meisten australischen Säugetiere sind Marsupials, das heißt, sie tragen ihre embryonalen Jungen in einem Beutel am Bauch mit sich und säugen sie dort. Der Echidna und der Platypus alles, Monotreme (Mammals + Oviparier + Marsupials). Die letzten Exemplare aus grauer Urzeit, als sich die Säugetiere entwickelten, und sie existieren nur in Australien und Tasmanien. Das faszinierende ist: sie haben auch den Beutel wie die meisten australischen Mammals, wie Kängurus, auch der tasmanische Teufel, der tasm. Tiger usw. Die bringen allerdings lebende Junge zur Welt, ziehmlich unterentwickelt und verstauen und säugen die dann in ihrem Beutel. Die Monotreme brüten ihre Eier in diesem Beutel aus und ernähren ihre Kinder dann mit Milch. Er ist also nicht mit unserem Igel verwandt, hat aber schon damals die gleichen Verteidigungsstrategien entwickelt. Hat weniger Stacheln, dafür ein dichtes Fell, kann sich genauso zusammenrollen, ist etwas größer (bis zu 50cm),  hat eine rüsselartige Schnauze und ernährt sich hauptsächlich von Ameisen und Termiten. Davon gibts übrigens mehr als genug.

Do 11.02. Wynyard (Km 33.608)

How many years can a mountain exist, before it is washed to the see? Das ist die Nuss. So nennen sie diesen Berg am Ende der Halbinsel, gleich hinter Stanley. Es ist kein Berg, sondern der Rest von einem Vulkan, der längst ins Meer gewaschen wurde (in ca 12 Millionen Jahren), nur sein steiniger Kern (erkaltete Lava) trotzt der Erosion. So die mehrheitliche Meinung von Geologen. Das ist gar nicht so selten. An seinen Ufern leben und brüten Pinguine, die kleinsten ihrer Art, etwa 30cm groß. Und oben, ich war dort, leben den Sommer über Zugvögel, die kommen aus den Anrainerländern der Beringsee, also aus dem hintersten Sibirien und Alaska. Im Herbst, also im April, fliegen sie wieder in den nördlichen Sommer, bevor ihre Jungen flugfähig sind. Die müssen dann alles selber lernen. In Wahrheit sind all ihr Wissen und ihre Fähigkeiten angeboren. Sie folgen ihren Eltern dann etwas später und finden sogar den richtigen Weg. 30.000km nonstop, sagen sie hier. Und die meisten von ihnen schaffen das.

Der Lavastumpen ist etwa 150m hoch und hat 1km Durchmesser.

Fr 12.02. Penguin (Km 33.643)

Seit Burnie funktioniert meine Simkarte wieder. Dort fand ich einen Telstrashop und die konnten mir wieder datas für das nächste halbe Jahr verkaufen.

Hier haben seit gestern alle Flüsse und Bäche plötzlich schwarzes Wasser. Einer von ihnen heißt sogar Black River.


Warum sind hier Fauna und Flora so komplett anders, als im Rest der Welt?

Dazu muss man weit ausholen, sehr weit. Die Erdkruste ist keine starre, feste Schale auf der wir leben, sondern die Kontinentalplatten schwimmen wie Eisschollen auf dem Erdmantel. Sehr langsam, Australien z.B. bewegt sich mit etwa 5cm pro Jahr nach Norden. Wenn man das im geologischen Zeitmaßstab betrachtet und unterstellt, dass Bewegungsrichtung und Tempo so lange etwa konstant geblieben sind, sind das in 150 Millionen Jahren 7.500 km. Das kommt in etwa hin, damals lag Australien wirklich am Südpol. Aber es war noch vereint mit Afrika, Madagaskar, Südamerika, Indien, Indonesien, Neuseeland und Tasmanien, und diesen Kontinent nennen wir heute Gondwana und der dominierte die Südhalbkugel. Die arabische Halbinsel war auch noch dabei. Die restlichen Kontinente, Nordamerika, Europa und Asien bildeten einen nördlichen Großkontinent namens Laurasia. Nochmal 150 Millionen Jahre früher, waren die beiden im Superkontinent Pangäa vereint. Nach und nach zerbrachen auch Gondwana und Laurasia in kleinere Schollen und drifteten kreuz und quer über den Planeten. Das kann man daran erkennen, dass es eine gondwana Verteilung in Fauna und Flora gibt, z.B. Farne, bestimmte Pflanzenfamilien oder Saurierskelette, die es in all diesen Ländern und Kontinenten gibt. Die australischen Beuteltiere kamen erst später, da war Australien schon separiert. Tasmanien kam noch später von der Antarktis her, schloss zu Australien auf und hatte lange Zeit eine feste Landverbindung mit dem neuen Nachbarn. Die bestand sogar noch, als die ersten Menschen Australien besiedelten, weil der Meeresspiegel während der letzten Eiszeit 150m niedriger war.


Sa 13.02. Devonport (Km 33.674)

Ich bin am Mersey River in Devonport, auch sein Wasser ist schwarz, 1km vor seiner Mündung ins Meer, zwischen Tasmanien und Australien heißt es Bass Straße und die ist gute 200km breit. Ich bin extra hier vorbeigekommen, weil ich immer noch der Fähre nachtrauere, mit der ich eigentlich nach Tasmanien fahren wollte. Spirit of Tasmania heißt sie und liegt genau hier gegenüber vor Anker, wenn sie denn da ist. Ist sie aber leider nicht. Warum die Fähre doppelt so teuer sein muss wie ein Flugzeug, kann ich immer noch nicht verstehen und billigen. Sieht für mich aus wie der ganz normale kapitalistische Wahnsinn. CO2 mäßig sind beide gleich schlecht und die Klimazerstörung ist in beiden Fällen gratis. Da gehts nur um die tatsächlichen Kosten + Profit.

So 14.02. Sassafras (Km 33.695)

Ich bin hierher gekommen, weil Dean mich vor 2 Wochen in Zeehan eingeladen hat. Wenn Australier etwas machen, dann ist es immer big. Er zeigte mir seinen Orchard (Obstgarten), da hat er 38.000 neue Apfelbäume gepflanzt.

In seiner Garage, eine Wellblechhütte der man das nicht zutraut, stehen 3 schwere Motorräder und ein Auto mit 1200 PS. Sein Spielzeug, sagt er. Aber die verrotten langsam, weil er keine Zeit mehr dafür hat, und das ist gut so. Denke ich, wegen der Klimaauswirkungen. Jetzt muss er sich um sein "Business" kümmern, seine Farm

Di 16.02. York Town (Km 33.738)

Die tasmanischen Buswartehäuschen auf dem Land sind die ärmsten in dieser Hälfte der Welt. Auch in Viktoria und Süd Australien war das so, in New South Wales und in Queensland waren sie besser. Meistens haben sie nicht mal eine Sitzbank, das gibts nicht mal in Laos oder Kambodscha. Ich schließe daraus, dass der öffentliche Nahverkehr auch ausstirbt.

Hier bezeichnen sie jeden qkm auf dem mehr als 10 Menschen leben, als Stadt. Die Häuser haben einen Abstand von 200 bis 500 m, meist versteckt hinter Bäumen, man sieht sie nicht. Auf dem Satellitenbild sieht es aus, wie eine normale Landschaft mit Bauernhöfen in Bayern.

So 21. 02. Gladstone (Km 33884/H 70m)

Ein anderer Echidna, hier sieht man ihn etwas besser. Sein Rüssel ist hart und unbeweglich, ich habe ihm eine Zeitlang zugeschaut, meistens gräbt er in der Erde, er reißt sie damit auf und findet so alle möglichen Insekten. Hier ist er das für mich am häufigsten sichtbare Tier. Er kann auch ganz schwarz sein.


Ich bin auf dem Weg nach Osten, vorgestern war ich in Bridport. Dort war ich wieder auf einem Campingplatz, habe die Check in Lady von 35 auf 20 Dollar runtergehandelt, dafür habe ich dann meine Powerbanks und ein Ladegerät in der Campkitchen an einer Steckdose vergessen, dies aber erst am nächsten Tag bemerkt als ich mein Phon nachladen wollte. Es ist ungewiss, ob jemand sie an der Rezeption abgegeben hat, außerdem hasse ich es wie die Pest zurückzugehen, I never go back wenns nicht sein muss, also habe ich sie abgeschrieben. So war ich gestern den ganzen Tag ohne Strom, zwischendurch sogar wohltuend. Hier in Gladstone gibts eine Tankstelle, die haben zwar keine Powerbanks, aber ich konnte das Handy wenigstens aufladen und ein paar Lebensmittel kaufen. Es sieht an der Ostseite auch nicht viel besser aus mit Ortschaften, der Energiemangel könnte sich also noch eine Zeitlang hinziehen.

Di 23.02. St. Helens (Km 33.951)

Kleiner Blauer See heißt er, aber er ist türkis und zwar genauso wie auf dem Foto. Das ist ein altes, schon vor 100 Jahren aufgegebenes Bergwerk, hier haben sie vor allem Zinn abgebaut. Es sind aber noch jede Menge Mineralien und Metalle im Boden, vielleicht auch Chemikalien, daher die Farbe. Baden ist jedenfalls verboten, das Wasser ist zu alkalisch. Wer glaubt, dass die Betreibergesellschaft einer Mine ihren Dreck wegräumt, wenn sie eine Mine aufgeben, weil es sich irgendwann nicht mehr lohnt, den muss ich enttäuschen. Alles bleibt stehen und liegen und kann verrotten, zurück bleibt verbrannte Erde, so verseucht, dass nichts mehr wächst. Erst jetzt, 3 Generationen später, wird klar, welche fatalen Folgen das für die Umwelt hat und die Urenkel versuchen, den Schaden, natürlich auf eigene Kosten, zu verringern, schaffen giftige Müllhalden weg und pflanzen neue Bäume und Sträucher. So ist das auch im Kapitalismus. Aber ich hoffe, wir haben etwas daraus gelernt.

Seit gestern gehts nach Süden, St. Helens ist wieder eine Stadt, hier bekomme ich sicher eine neue Powerbank und ein Ladegerät, und Lebensmittel. Aber erst morgen, heute wars schon zu spät.

Mi 24.02. Falmouth (Km 33.976)

Die Ostküste in Scamander. So enden viele Flüsse, wenn nicht viel Wasser fließt. Das Meer häuft einfach eine Barriere aus Sand vor der Mündung auf, das Flusswasser muss versickern und das ist gut so, es verdrängt das Salzwasser, das hier natürlich auch ins Grundwasser einsickert. Und wie man sieht, das Wasser ist immer noch schwarz.

Jetzt bin ich schon 10km weiter nach Süden.

Heute morgen habe ich in St. Helens eine Powerbank und ein neues Ladegerät gefunden, und auch alle Lebensmittel, die ich für die nächsten 3 Tage brauche.


Ein Erlebnis in Devonport geht mir nicht aus dem Sinn: etwas südlich der Anlegestelle, wo die Spirit of Tasmania liegt, wenn sie denn da ist, führt die Hauptstraße über eine Brücke über diesen Fluss. Nach der Brücke ist links ein Rastplatz gleich am Ufer. Dort gibts eine "Publik Toilett" und Tische und Bänke, da machte ich eine Frühstückspause. In der Nähe war ein Fischer mit seinem Sohn, vielleicht 8 Jahre alt. In Australien kann jeder fischen, wann und wo und fast alles, was er will. Für einige wenige Fisch- und Krabben-Sorten braucht man eine Lizenz, aber ich weiß doch vorher nicht, wer da anbeißt? Jedenfalls war er erfolgreich und holte einen etwa 50cm langen, recht schlanken Fisch aus dem Wasser. Er ließ in einfach auf der Betonplattform, auf der er stand, liegen und zappeln und elendiglich verrecken. Dies hat den Jungen und mich emotional ziehmlich mitgenommen, man sah das dem Kind deutlich an, mir nicht. Er wird sich vermutlich daran gewöhnen, ich nicht mehr. Daneben war eine Schautafel, da waren an die 100 verschiedene Fische abgebildet, die wohl alle in diesem Fluss, unweit der Mündung, leben. Ich identifizierte den inzwischen toten Fisch als Barrakuda. Der Fischer sah auch, dass sein Fang verstorben war, ging hin und kickte ihn mit einem Fußtritt zurück ins Wasser, wo er bewegungslos versank. Ich fragte ihn, abermals schockiert und fassungslos, warum er ihn denn hat sterben lassen, wenn er ihn gar nicht essen will. Er murmelte etwas von Pest (Schädling, Ungeziefer), da musste ich gehen. Ich nehme an, es ist ein Raubfisch und er betrachtet ihn als Nahrungskonkurrent. Ich will ja die Wahrheit erfahren, auch wenn sie mir nicht gefällt. Ja, es gibt solche Menschen und ich darf hier ehrlich zugeben, dass ich immer noch erschüttert bin und dass ich diese Menschen für Arschlöcher und schlimmeres halte. Der Dalai Lama sagt, dass jede Kreatur das Recht hat, zu existieren. Wieso weiß er das nicht? Sogar sein Sohn weiß das. Ich habe im Internet nachgesehen, es war ein Barrakuda, das ist ein Raubfisch, aber andere Fischer freuen sich über so einen Fang und nehmen ihn gerne mit. 

Sa 27.02. Bicheno (Km 34038)

Das Blowhole (Atemloch). Hier liegen riesige Felsblöcke im Meer. Zwischen zweien ist ein schmaler Spalt, durch den die Wellen laufen. Er verengt sich und beschleunigt so den Fluss, der dann in eine Sackgasse mündet, wo das Wasser mit voller Wucht auf die Felsen trifft. Deshalb spritzt es dann so hoch.

Zu meiner letzten Schilderung von Devonport passt noch eine andere Geschichte, die schon ewig lange zurückliegt, die mich aber auch immer noch verfolgt. Vielleicht erinnert ihr euch an die Geschichte von Mario in Rumänien. Er zeigte mir in seinem Garten eine tote Schlange, vielleicht 2m lang, und den Spaten, mit dem er sie erschlagen hatte und fühlte sich dabei heldenhaft wie Siegfried, nachdem er den Drachen getötet hatte. Ich suchte nach einer Begründung, vielleich fühlte er sich von ihr bedroht und fragte ihn, ob die giftig ist. Er antwortete mit einem kurzen: "keine Ahnung". So dürfen wir mit anderen Mitkreaturen einfach nicht umgehen. In Tasmanien gab es noch vor 100 Jahren Abschussprämien für den tasmanischen Tiger (auch ein Nahrungskonkurrent), den sie damit ausgerottet haben. Sie haben übrigens auch ihre Aborgines vollständig ausgerottet (in Tasmanien). Sie behaupten zwar meist, es waren die Krankheitserreger, die die Europäer mitgebracht haben und die es seit Gondwana dort nicht gab, das Immunsystem der indigenen Bevölkerung hatte also keine Abwehrerfahrung damit und die Leute starben wie die Fliegen an einfachen Krankheiten, wie Grippe, Masern usw. Und ja, es gab auch gewaltsame Konflickte. Mehr erfährt man als Tourist nicht über das Schicksal dieser Menschen.

Ich habe im Internet recherchiert und fand eine Schilderung über das Massaker von Cape Grim. 

Ernsthaft untersucht wurde dieses Verbrechen bis heute nicht, man weiß nicht mal die Zahl der Opfer (30 bis70), es kann auch einfach geleugnet werden. Vor 200 Jahren herrschte hier ein eklatanter Frauenmangel, gemessen an der Zahl der männlichem Einwanderungen bzw. Deportationen (Sträflinge). Da haben sich Landarbeiter einfach Frauen der Ureinwohner geraubt und als Sexsklavinnen gehalten. Klar, dass deren Männer dies nicht hinnehmen konnten u. wollten. Eine Gruppe von ihnen, die sie befreien wollten, kam nicht mehr zurück. Sie hatten nur steinzeitliche Waffen, mit denen konnte man auch einen Menschen töten, aber die Europäer hatten schon Schusswaffen. So wurden alle getötet und von den Klippen ins Meer geworfen. Und das war nicht der einzige Vorfall dieser Art. Einige Farmer haben sogar ein Kopfgeld für jeden ermordeten Schwarzen gezahlt, weil die sich nicht so einfach vertreiben ließen. Ein Vergleich mit den Verbrechen der Nazis in Deutschland ist durchaus angemessen.

So 28.02. Swansea (Km 34.077)

Dies ist die Great Oyster Bay (die große Austern Bucht), dahinter sieht man die Halbinsel Freycinet. Die Gegend hier wurde zuerst von den Franzosen besetzt, daher die französischen Ortsnamen. Übrigens haben die Flüsse seit gestern wieder klares Wasser.


Bei Wikipedia findet man eine schier endlose Liste von Massakern, die an den Aborigines in Australien begangen wurden. Dabei hat alles ganz friedlich angefangen. Die Aborigines sahen keinen Grund, irgendetwas gegen die europäische Invasion zu unternehmen. Noch 1824 bezeichnete eine Tageszeitung in Hobart sie als die friedlichsten Menschen der Welt. Sie haben schon mal Hühner oder Schafe geraubt, aber die Weißen stahlen ihre Frauen, ihr Land, ihre Kinder, ihre Kultur. 1865 gab es keine tasmanischen Aborigines mehr, außer ein paar Mischlinge. Ich sehe da noch viel Handlungsbedarf in Vergangenheitsbewältigung.

Mo 01.03. Swansea (Km 34.087)

Regenpause, ich bleibe hier.


Als die Briten sich Australien unter den Nagel gerissen haben, bezeichneten sie es der Einfachheit halber, unter Missachtung der Menschenrechte (die gab es damals noch nirgends) der Einheimischen Bevölkerung, als Niemandsland. Eigentümer war damit die britische Krone. Anfangs war es als reine Strafkolonie geplant, aber dann kamen immer mehr Siedler, die sich Land kaufen konnten. Das Geld floss natürlich nach England.

Mi 03.03. Spring Beach (Km 34.155)

(Mitten im Wald) Schon seit einer Stunde fährt hier auf der Rheban Road kein Fahrzeug mehr, weils da irgendwo vor mir eine Brücke weggespült hat. Im letzten Ort, in Orford, sagte mir Jim, mit dem ich mich kurz unterhalten habe (der war extrem schwer zu verstehen), der Fluss dort hat zur Zeit nicht viel Wasser, da kann ich locker durchgehen. Und die Brücke ist schon seit 20 Jahren weg. Hört sich an wie in Timor Leste. Aber hier gibts ganz sicher keine Krokodile. Ich habe beschlossen es zu riskieren, aber jetzt wirds finster, da muss ich mein Zelt aufbauen. Ich kann das auch im Dunkeln, aber es geht schneller und einfacher, wenn ich noch was sehe.


Es gehört nicht zum positiven Denken, so eine traumatische Vergangenheit wie die von Tasmanien zu verdrängen. Es ist im Gegenteil für die moralische Weiterbildung des gesamten Volkes und als Prävention gegen weitere Ungerechtigkeiten äußerst wichtig. Die jetzt lebenden Menschen trifft daran keine Schuld, es macht also keinen Sinn, sich schuldbewußt wegzuducken. Es lässt sich weder rüchgängig machen, noch vergelten, aber man kann der historischen Wahrheit ins Auge sehen und braucht sich nicht in die eigene Tasche zu lügen. Schon Verschweigen ist Betrug. Auch für die heute anstehenden Entscheidungen ist es unerlässluch, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Ich meine den Klimawandel. Unser jetziges Verhalten hat mindestens genauso katastrophale Konsequenzen wie das unserer Vorfahren, kommende Generationen werden es als Verbrechen betrachten.

Do 04.03. Dunalley (Km 34.194)

Die Info von Jim war richtig und verstanden habe ich ihn auch richtig. Das ist in so einem Fall nicht immer sicher. Bei ausgeprägtem Dialekt verstehe ich manches falsch, weil ich dann immer raten muss, was er vielleicht meint. Ich musste nur noch ein paar Steine ins Wasser schmeißen, damit ich den Bach trockenen Fußes überqueren konnte. Autos fahren hier nicht durch, dazu sind die Böschungen zu steil. Ich habe den Eindruck, dass hier anliegende Farmer eine Erneuerung dieser Brücke hintertreiben. Sie haben kein Interesse daran, in diese Richtung fahren sie eh nicht, der nächste Ort liegt im Norden. So haben sie ihre Ruhe, keinen Verkehr, das ist jetzt ihre Privatstraße. Für alle anderen gibts sogar eine kürzere Alternative. Übrigens sind die Straßen hier überwiegend ungeteert, auch wie im hintersten Südosten von Osttimor. Der Krokodilfluss hieß Irabere River und bildet die Grenze zwischen dem Bezirk Viqueque und Lautem und der war 100 mal größer, die Furth war etwa 200 m lang und 20 cm tief, bei starker Strömung. Die hat vor mir noch niemand zu Fuß durchwatet, drum lagen da auch keine Krokodile auf der Lauer. Auch hier denke ich manchmal, dass ich der erste Mensch überhaupt bin, der diesen Weg zu Fuß gegangen ist.

Ich bin auf dem Weg nach Port Arthur, dem Hauptgefängnis der Engländer auf Tasmanien, noch etwas historisches.

So 07.03. Dunalley (Km 34.288)

Das ist südöstlich von Hobart, da liegen 2 Halbinseln hintereinander, beide nur über einen dünnen Wurmfortsatz mit der nördlich liegenden (Halb-)Insel verbunden. Eine leicht zu überwachende Engstelle, deshalb haben die Engländer die letzte davon, die Tasman Peninsula auch zum Standort für ihren Haupt-Knast gemacht. In den 1820er Jahren gebaut, war es das "modernste" Gefängnis seiner Zeit, da wurde schon Isolationsfolter angewendet. Sie glaubten, wenn die Missetäter nicht sprechen dürfen und keinen Kontakt untereinander haben, dann haben sie mehr Zeit zum Nachdenken, ihre Fehler einzusehen und sich zur Besserung zu entschließen. Es war für die schweren Jungs vorgesehen und berüchtigt wegen der Psychofolter. Der jüngste Häftling war 9 Jahre alt, er hatte Spielzeug gestohlen. Manche Häftlinge riskierten Kopf und Kragen um dem zu entkommen. Fast alle Straßen hier wurden von Sträflingen gebaut.



Am Rückweg war ich in einem "Unzoo". Dort gibt es keine Käfige, nicht mal Zäune, die Tiere dürfen kommen und gehen wann und wohin sie wollen. Sie werden mit festen Fütterungszeiten angelockt und nehmen dieses Angebot gerne an. Hier ein Tasmanischer Teufel, der sich gerade einen aufgehängten Fleischbrocken geangelt hat. Er hat von allen Raubtieren den relativ größten Kopf und stärksten Biss. Schaut euch dieses Gebiss an und die Schwimmhäute zwischen den Fingern. Sie sind außerhalb der Paarungszeit Einzelgänger und können sehr aggressiv werden, vor allem gegen Artgenossen. Ihre Beute reicht vom Aas über Insekten bis zu lebendigen Schafen (Menschen sind ihnen zu groß und zu gefährlich). Deshalb wurden sie auch verfolgt, mit Abschussprämien. Erst nachdem sie den Tiger ausgerottet hatten, begann ein langsames Umdenken, der Teufel wurde unter Schutz gestellt und der Bestand erholte sich allmählich. Erst in den 1990er Jahren kam eine neue Bedrohung auf sie zu, die DFTD, Devil Facial Tumour Desease (Gesichts Krebs). Eine ansteckende Krankheit, die zu 100% tödlich endet. 80 bis 90% aller Teufel sind seitdem schon dahingerafft. Jetzt glaube ich aber nicht mehr, dass das Teufelchen deswegen ausstirbt. Es gibt doch immer wieder und überall Menschen, die ihren Verstand nutzen und mitdenken. So haben sie schon bald auf den schmalen Landbrücken zwischen den Inseln Zäune als Teufels Barrieren gebaut, und halten die Forester- und Tasman Peninsula auf diese Weise frei von Infektionen. Für Menschen ist dieses Virus oder Bakterium harmlos. Und seit sie wissen, dass sie mit dem Teufel bei den Touristen punkten können, lieben sie ihn selber und ehrlich, es hat ihr moralisches Verständnis aufgebessert.

Di 09.03. Sorell (Km 34.324)

Ich bin nicht der einzige, der sich hier warm anziehen muss. Das ist Hrisanthi, ein griechischer Name. Nach vielen Irrwegen? ist sie als Kind in Australien gelandet. Ihr Vater floh von Albanien nach Deutschland, wo sie geboren wurde. Im Laufe ihres Lebens hat sie sich zu einer starken Feministin und Kämpferin für Menschenrechte entwickelt und sie ist nicht die einzige in Tasmanien. Sie lebt mit Carlos zusammen, der einen Großteil seines Lebens in den USA verbracht hat, als Migrant aus Mittelamerika. Er hat sicherlich genug leidvolle Erfahrungen gesammelt, so dass er ihr Anliegen verstehen und unterstützen kann und ist damit vermutlich der einzige männliche Tasmanier mit dieser Fähigkeit.  

Die beiden haben mich vor etwa einer Woche eingeladen, sie in ihrem Haus in der Southern Beaches Area zu besuchen, das habe ich gestern abend gemacht. Ich frage immer, ob ich über meine Gastgeber schreiben darf. Hrisanthi hat mich gebeten, nicht ihren konkreten Wohnort zu nennen, dies nehme ich als Indiz, dass es auch in so einem reichen, aufgeklärten, demokratischen Land wie Australien nicht ungefährlich ist, für seine Rechte einzutreten.

Do 11.03. Hobart (Km 34.362)

Das war in Glenorchy, einem nordwestlichen Vorort von Hobart, dort bin ich über dieses Plakat gestolpert. Die Stadtteilväter (vielleicht auch -mütter) machen sich Gedanken, wie sie ihren Ort, sie sprechen auch für Moona und Claremont, bis 2040 weiterentwickeln und verbessern wollen. In meinen Augen ein einziges Armutszeugnis. Es macht mich fassungslos. Leute: in 20 Jahren gibt es kein anderes Thema mehr als den Klimawandel. Und die verschwenden noch immer keinen einzigen Gedanken daran, wie man danach weiter- und überleben kann. Schönere Plätze, mehr Jobs und Wirtschaftswachstum, alles unwichtig. Ab sofort geht es um die Vermeidung von CO2. Wie machen wir die Stadt bis 2040 CO2-neutral? Das ist jetzt die wichtigste, ja die einzige Frage. Die Frist für Vorschläge aus der Bevölkerung ist schon im letzten November abgelaufen. Ich weiß nicht, ob sie meine Meinung jetzt noch hören wollen, außerdem haben sie ihre Bürger gefragt und nicht ihre Touristen. Ein grausiges Beispiel, wie die Menschheit ihren eigenen Untergang verschläft. Morgen habe ich einen Termin mit der größten Tageszeitung von Tasmanien, dort werde ich versuchen, sie aufzuwecken. Wenn wir die Weichen nicht jetzt sofort und radikal umstellen, brauchen wir uns auch keine Gedanken mehr über solchen Blödsinn zu machen.

Fr 12.03. South Hobart (Km 34.377)

Ich mach jeden Abend einen gelben Punkt, da wo ich schlafe. So kann man meinen Weg genau verfolgen. Im Süden war ich nicht, dort gibts keine Straßen, außer ein paar Sackgassen. Das waren bis jetzt 1450 km. Am Montag abend fliege ich zurück nach Melbourne.

Ich traf die Journalisten vom Mercury am Vormittag. Ein Fotograf, der in seiner Jugend ein Jahr Auszeit nehmen konnte und durch Asien getrampt ist, seine Begeisterung war spürbar. Und eine junge Dame, die fürs Interview zuständig war. Für sie hatte ich eine Erklärung vorbereitet, auf englisch, im Prinzip dasselbe, was ich hier geschrieben habe. Ich hoffe, dass die Ratsherren und -Damen es zu sehen bekommen.

So 14.03. Lauderdale (Km 34.414)

Die Tasman Bridge, Blick von Montagu aus nach Westen. Hier fahren ziehmlich große Schiffe durch. Da gibt es auch einen Geh- und Radweg. Drüben ist Glenorchy, weiter links liegt Hobart. Ich mach mich langsam auf den Weg nach Osten, zum Flughafen und weil ich noch genug Zeit habe, konnte ich mir noch diesen Umweg über Tranmere und Lauderdale leisten. Jetzt bin ich mitten in Lauderdale, da gibt es einen Kanal von der Ralphs Bay im Westen, Teil vom Derwent River, zur Fredrick Henry Bay im Osten, die gehört zum Meer, 700m lang und 30m breit. Sie wollten einfach den Seeweg nach Hobart abkürzen. Man sieht ihn auch auf maps, und man sieht richtig, das ist eine Sackgasse. Man könnte denken, da waren Schildbürger am Werk, die es sich kurz vor der Vollendung anders überlegt haben, oder ihnen ist das Geld oder die Motivation ausgegangen. Die Wahrheit ist noch besser: Sie haben den Kanal fertiggestellt, durchgehend, das war nach dem 1. Weltkrieg, und war viel schwieriger und hat viel länger gedauert als sie geplant hatten, dann kam ein Sturm und das Meer hat das Ostende während dieses einzigen Sturms mit Sand aufgefüllt. Doch die braven und fleißigen Bürger von Lauderdale ließen sich nicht so schnell entmutigen und haben ihn wieder freigeschaufelt. Der nächste Sturm war noch etwas heftiger und danach lag hier doppelt so viel Sand als nach dem ersten Sturm. Das hat gereicht, um die Bürger und Politiker zu überzeugen: es hat nicht sollen sein. Über diese Düne führt jetzt eine Straße, und sie haben einen Rastplatz eingerichtet, dort stelle ich jetzt mein Zelt auf. Den Kanal haben sie den Enten und anderen Wasservögeln überlassen.