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New Southwales

So 13.09.20 Sidney (Km 29.494)

Sowas hab ich in Asien auch nie gesehen.


Jetzt hab ich 3 gemütliche und wirklich angenehme Tage in Sidney verbracht, zuerst bei Isabell und Chris, dann bei Pilar und ihrer Familie. Alles sehr entspannt und stressfrei. Aber heute habe ich mich wieder auf den Weg gemacht, nach Westen, in Richtung Adelaide. Wies aussieht, brauche ich 2 Tage bis zum westlichen Stadtrand, dann gehts über die Blue Mountains, dort steigt die Straße auf über 1000 m an. Ich muss ja jetzt viel mehr Nahrungsmittel und Wasser mitschleppen, was meine Box viel schwerer macht, aber ich will nicht jammern, ich habs ja selbst so gewählt. Heute bin ich bis Auburn (Stadtteil von Sidney) gekommen.

Mi 16.09. Wentworth Falls (Km 29.579 / H 910)

Am Montag hatte ich keine Zeit und am Dienstag kein Internet. Wers genau wissen will: am Montag abend war ich immer noch nicht am westlichen Stadtrand, sondern in Werrington, am Dienstag mittag hab ich dann in Emu Heights die Stadtgrenze erreicht, das ist mehr als 60 km vom Zentrum, Höhe immer noch nur 40 m. Und hier beginnen die Blue Mountains und die erste Etappe ist auch gleich die steilste. Übernachtet hab ich dann in Eurama, das liegt hinter Faulkonbridge auf 400 m Höhe. Hier in Wentworth Falls und im nächsten Ort, der heißt Katoomba, gibts landschaftlich so viel interessantes, das muss ich mir morgen genauer ansehen.

Do 17.09. Katoomba (Km 29.593 / H 950)

Das Jamison Valley, Nordost Ecke, südlich von Wentworth Falls, Blick nach Süden. Es liegt tatsächlich sowas wie ein blauer Dunstschleier über den Eukalyptus Wäldern im Tal, daher der Name Blue Mountains. Es führen auch Wege hinunter, einer mit 800 Treppenstufen, es gibt mehrere Wasserfälle, aber ich verzichte. Erstens kostet es viel Zeit, zweitens weiß ich nicht wo ich mein Gepäck derweil lassen kann. Ich bleibe am oberen Klippenrand und genieße die Aussicht von hier oben.

Fr 18.09. Katoomba (Km 29.613)

Das sind die 3 Schwestern, findet man auch mit Google Maps. Kuriose Überbleibsel der Erosion. Nach geologischen Maßstäben, dabei ist die kleinste Zeiteinheit 1000 Jahre, werden sie auch bald ins Tal stürzen. Trotzdem vertrauen die Menschen auf die Zeitlupe, in der das aus ihrer Sicht abläuft, und bauen Wanderwege unterhalb, den Giant Stairway, das ist der mit den 800 Stufen, unten schreiben sie es sind 900 (die Wahrheit ist 870), gleich dahinter und sogar Klettersteige hinauf auf die erste von links. Der Wetterbericht sagt für die nächsten 3 Tage Regen voraus, da habe ich mich entschlossen, noch einen Tag hier zu bleiben, meine Wäsche zu waschen, und weil es dann immer noch nicht geregnet hat, diesen Wanderweg zu gehen, hinunter ins Tal (nicht ganz), entlang der Klippen und den Stairway wieder hinauf. Sie sagen auf den Hinweistafeln 3½ Stunden, das hab ich riskiert und es war wirklich eindrucksvoll. Tatsächlich hab ich eine Stunde gebraucht und dabei noch eine Menge Fotos gemacht. Ich bin auf einem Campingplatz nahe der nordwestlichen Ecke des Tals, in der Nähe der Katoomba Falls (Wasserfälle).

Sa 19.09. Mount Victoria (Km 29.633 / H 1075)

Das ist die erste der 3 Schwestern von links, d..h. von Norden. Die beiden anderen sind genau dahinter. Mein Standort: fast am oberen Ende des Stairway. Wenn das Jamison Tal mit Wasser gefüllt wäre, dann würden hier zwischen Wentworth Falls und Katoomba 4 Halbinseln ins Wasser ragen, heute hab ich noch die letzte westliche umrundet. Morgens war noch nichts vom Tal zu sehen, nur aufsteigender Nebel, aber schon bald kam die Sonne raus und weg war er, der Nebel. Und dann, ab Mittag ungefähr, hab ich mich wieder auf den Weg westwärts, hier erst mal nordwestwärts, gemacht. Mt. Victoria ist ein Ort auf einem vermutlich gleichnamigen Berg.

So 20.09. Marrangaroo (Km 29.665/H 910m)

Mount Victoria war bisher der höchste Punkt. Etwa 1 km weiter steht in der Karte Pass of Victoria, aber das ist Quatsch. An der Stelle war ich schon 100 m tiefer und es ging weiter steil bergab. Hier hab ich jetzt einen Zeltplatz in der Nähe des "Correctional Centre" gefunden, das ist der Knast.

Das sind Coccatoos (Kakadus). Es ist unschwer zu erkennen, dass es sich um eine Papageienart handelt. Die beiden kleineren Vögel sind Tauben. Sie haben ein unglaublich lautes Kreischorgan, sie müssen schwerhörig sein. Sie sitzen nebeneinander und kreischen sich gegenseitig mit 100 Dezibel an. Manchmal sitzen sie zu hunderten in einem Baum, dann versteht man sein eigenes Wort nicht mehr. Dann übertönen sie jeden Verkehrslärm um ein vielfaches. Auf dem letzten Campingplatz war auf einer Infotafel ein Papier, darauf haben sie vor ihrem aggressiven und destruktiven Verhalten gewarnt und jedem der sie füttert mit einem Platzverweis gedroht. Sie können ganze Häuser zerstören. Im Jamison Valley hab ich auch die seltenen schwarzen gesehen, die sind gleich groß und haben rote Schwanzfedern.

Mo 21.09. Napoleon Reef (Km 29.703/H 770m)

Mein höchster Punkt war heute 1170 m, in der Gegend um den Mount Lambie. Ich bin hier schon im Outback, also draußen im Hinterland. Hier haben im letzten Herbst die großen Wald- und Buschbrände gewütet. In Lithgow, 50 km hinter mir, hat mir jemand erzählt, ist das Feuer bis an die Stadtgrenze gekommen. Den Respekt vor dieser Katastrophe konnte ich in seiner Stimme immer noch heraushören. Hier im Süden dauert die Regenzeit bis einschließlich September und es regnet seit Katoomba jeden Tag, heute solls nur nachts regnen, aber noch tut sich nichts, er (der Regen) ist schon 2 Stunden überfällig.

Hier werden die Leute langsam aufgeschlossener, wirken weniger gehemmt (oder arrogant?), einige wagen es sogar schon mich anzusprechen und zu fragen, wohin ich gehe und woher ich komme. Auf der halben Welt, die ich bis jetzt kenne, gibts dieses Stadt-Land-Gefälle überall, mehr oder weniger stark. In Asien war es weniger stark. Hier in Australien kam ich mir bis jetzt vor wie ein Unberührbarer in Indien. Das ist die unterste Kaste, sie zu diskriminieren ist zwar schon lange verboten, und die meisten Inder leugnen auch, dass es dieses Problem noch gibt, aber ich habs oft genug mit eigenen Augen gesehen. Die sind nicht nur unberührbar, sie sind auch unansprechbar und unanschaubar. Dieses Kastensystem gibt es also auch in Australien und wie ich mich noch gut erinnere, auch in Europa. Nur will es da keiner so nennen, seine Existenz wird also auch da geleugnet.

Diese Farnbäume wollte ich euch schon lange zeigen, die gabs auch schon in Indonesien.

Mi 23.09. Mandurama (Km 29.784/H 670m)

Seit dem Mount Lambie ist die Landschaft nur noch sanft hügelig, mit abfallender Tendenz, aber trotzdem wird es immer kälter. Heute habe ich bei 4⁰ zum erstenmal seit Ladakh (Indien, Himalaya) meine Handschuhe ausgepackt, und am Wochenende soll die Temperatur bis auf 0⁰ fallen. Frühmorgens versteht sich. Australien ist ein sehr windreicher Kontinent, meistens kommt er von Südwesten und ist saukalt. Ich habe die Australier schon oft aufgefordert, doch mehr Windräder und Stauseen zu bauen, bisher habe ich noch kein einziges gesehen. Aber seit heute ist das anders, in der Nähe von Carcoar steht links hinter einem Stausee ein kleiner Windpark. Bei der Photovoltaik ist es besser, etwa jedes 2. Haus hat Solarzellen auf dem Dach und die Regierung fördert das. Hier war Deutschland tatsächlich mal Vorreiter und Vorbild für fast die ganze Welt. Sie wollen auch demnächst ein paar Kohlekraftwerke abschalten, aber ihre Dreckskohle wollen sie noch 100 Jahre lang an alle Welt verkaufen. Außerdem bauen sie hier in New South Wales, in der Woodsreef Crysotilemine, etwa 500 km nordöstlich von hier, Asbest ab und verkaufen es vor allem an 3. Welt-Länder wie Indien, wo es immer noch nicht verboten ist. Crysotile ist eine Form von Asbest. Es gibt tatsächlich kein Verbrechen, das sie nicht begehen, wenn man viel Geld verdienen kann (Karl Marx, vor 170 Jahren).

Do 24.09. Cowra (Km 29.822/H 310m)

Ich bin im Tal des Lachlan Rivers, die Straße fällt aber so landsam ab, dass man kaum bemerkt wie tief das ist. Ich habe wieder für 20$ auf einem Campingplatz eingecheckt, weil es in der Nacht und morgen regnen soll und ich duschen. Bei dem Wetter schwitze ich kaum, da geht es (ich) auch mal eine halbe Woche ohne.

Das sind Isabell und Chris und einer ihrer Söhne. Und ich natürlich.

In ganz Asien war ich immer und überall ein Superstar, 100 Menschen wollten mich täglich kennenlernen und sich in meiner Kontaktliste verewigen. In Australien, zumindest an der Ostküste, war es einer pro Monat und das war dann meist kein Australier, jedenfalls kein typischer. Das hab ich ihnen schon ein bisschen übel genommen, obwohl es mich nicht sonderlich juckt. Ich komme sehr gut mit mir selber aus, habe sogar die Ruhe und das 'in Ruhe gelassen werden' genossen. Hier im Outback ändert sich das wieder. Jetzt ist es schon einer täglich, im Schnitt. In Katoomba sprach mich ein Peter an, er schreibt ein Buch, soweit ichs verstanden habe über die Menschen, wer und was sie sind, sein wollen oder können, sofern sie es verstehen. Und ich war eine außergewöhnliche, inspirierende Begegnung. Vorgestern hielt ein Autofahrer neben mir, Stephen, 80 Jahre alt oder jung, für ihn hat das Leben mit 70 erst begonnen. Er war unter vielen anderen Jobs auch Lehrer. Auch für ihn bin ich "amazing". Zum Abschied füllte er für mich eine Plastiktüte mit Lebensmitteln, und dies hat sich gestern und heute wiederholt. Heute ist er extra wegen mir noch weitergefahren, in der Hoffnung, mich nochmal zu treffen.



Fr 25.09. Cowra (Km 29.834)

Das ist Stephen. Er hat mir dringend empfohlen, in Cowra den Japanese Garden anzuschauen und dem Chef (ein Freund von ihm) einen schönen Gruß auszurichten. Und weil es wieder den ganzen Tag regnen soll, bleibe ich bis morgen hier. Ich war also im Japanischen Garten und hab auch den Chef angetroffen, aber ich vermute, das ist jetzt nicht die optimale Vegetationsperiode, sie geben sich viel Mühe, doch so überwältigend war es nicht. 

Ich brauche langsam ein neues Zelt, der Boden ist nicht mehr dicht, dafür gibt es spezielle Aufkleber, aber die bleiben nicht lange kleben. Fast noch schlimmer sind die Reißverschlüsse. Inzwischen habe ich gelernt, dass das beste Pflegemittel Kerzenwachs ist, aber das hilft auch nicht mehr. Letztlich sterben die Zelte alle wegen verschlissener Reißverschlüsse. In Cowra gibt es einen Laden der Zelte hat, aber leider erst ab 3 Personen, viel zu groß und zu schwer für mich. Dies ist die Nummer 4 und hat mit 1½ Jahren bisher am längsten gehalten. Ich habe es in Thailand für 25 € gekauft.


So 27.09. Grenfell (Km 29.892/H 390)

Immer noch regnet es jeden Tag, wenn auch nicht so ergiebig. Und je weiter ich mich von der Küste entferne, desto kälter wird es, unabhängig von der Höhe. Heute wurde es tagsüber nicht wärmer als 10⁰. Kontinentalklima! Hier sehe ich zum erstenmal Warnschilder mit Glatteisgefahr. Dabei bin ich erst am -34. Breitengrad, das entspricht auf der Nordhalbkugel der Mitte von Tunesien. Und das Wetter ist wie in Mitteleuropa im Frühling. Ich kann nur wünschen, dass uns der Golfstrom erhalten bleibt.

Mo 28.09. Caragabal (Km 29.928/H 240m)

Sonnenuntergang vor 2 Stunden. Die Wolken auf dem Bild sind die ersten, die ich heute gesehen habe. Und heut früh war es tatsächlich 0⁰ kalt. Die Schmerzen in den Händen und Füßen, einfach herrlich. Beim Kaffeekochen habe ich meine Extremitäten über der Gasflamme aufgewärmt. Bei strahlendem Sonnenschein wurde es bis zu 17⁰ warm. Die Landschaft ist seit heute Nachmittag total flach. Ich bin noch 7 km vor Caragabal. Der Ortsname erinnert mich an Karnataka oder Tamil Nadu in Indien, in deren Sprachen ist das a der absolut bevorzugte Vokal. Erinnert ihr euch? 


Di 29.09. Back Creek (Km 29.968/H 220)

Man findet den Namen nicht in der Karte, Google kennt ihn aber. Das ist ein Gebiet und kein Ort und ich bin mittendrin, 10 km nach Marsden und 25 km vor Wyalong. 

Mi 30.09. West Wyalong (Km 29.996/H 260)

Gestern hat der Wind gedreht, jetzt kommt er von Norden und sofort ist es 10⁰ wärmer. Trotzdem war heute wieder Regen, das zwingt mich wieder auf einen Campingplatz. Gestern habe ich in einem Pinienwald campiert, dort ist der Boden sehr locker und luftig von den Nadeln, das Wasser versickert also schneller, da hoffe ich, dass nichts unter meinen löchrigen Zeltboden fließt, es hat aber erst heute vormittag angefangen zu regnen, und das so schwach, dass ich kaum nass geworden bin. Hier ist jetzt wirklich outback. Das waren jetzt 3 Tage von Grenfell bis hierher, wo es nichts zu kaufen gab, kein Wasser, nur in Caragabal Internet, aber sonst nichts.  Ich hatte 8 Liter Wasser dabei und genug zu essen, war also kein Problem. Und das geht jetzt so weiter. Der nächste Lebensmittelladen ist in Rankins Spring, 93 km von hier, sagte man mir.

Do 01.10. Pampa (Km 30.038)

Regenbogen über meinem Camp in West Wyalong. Die Landschaft ist weiterhin extrem flach mit unmerklich abfallender Tendenz. Hier bin ich noch 15 km vor Weethalle, die Schlafplatzsuche ist im Outback sehr einfach, es gibt genug Bäume und Sträucher beiderseits der Straße, das Wetter ist wieder schön und es wird jeden Tag wärmer.

Fr 02.10. Pampa (Km 30.079)

Diese blauen Wiesenblumen dominieren seit ein paar Tagen das Landschaftsbild. Seit heute sind es hauptsächlich Getreidefelder, auch die bläulich getönt.

Jetzt bin ich 7km vor Rankings Springs. Es geht gut vorwärts, einmal, weil mich nichts ablenkt oder aufhält, zum anderen, weil ich doch Respekt vor den langen Distanzen habe.

Mi 07.10. Hay (Km 30255/H 90)

Dieser Minidrache ist etwa 30 cm lang.

In den letzten 5 Tagen bin ich über Rankings Springs und Goolgowi nach Hay gekommen. Die letzte Etappe war mit 110 km die längste bisher ohne irgendwas, die hab ich in 3 Tagen geschafft. Da gibt es die sogenannte 'One Tree Plain', eine Ebene über 80 km, in der man höchstens in der Ferne am Horizont manchmal Bäume sieht. Keine Wüste, nur Gras und Disteln und solche Drachen. Jemand in Goolgowi sagte, dort werde ich auch Emus sehen, das sind die australischen Strauß-artigen Riesenvögel, natürlich habe ich keinen gesehen. Ich kenne das Phänomen inzwischen, die Tiere haben sich an die Autos gewöhnt, die können sie nicht mehr erschrecken. Aber wenn ich mit meinem Anhänger komme, dann flüchten sie, drum bekomme ich kaum jemals die Interessanten zu sehen. Ich vermute, sie  sehen besser als ich und flüchten lange bevor ich sie sehe. Die Rinder z.B.: es gibt Herden mit mehreren Hundert Tieren auf eingezäunten riesigen Weiden und bei vorbeifahrenden Lastzügen (hier fahren sie schon mit bis zu 3 Anhängern, trotzdem 110 kmh) fressen sie seelenruhig weiter. Aber wenn sie mich sehen, laufen sie und während ihrer Flucht steigern sie sich immer mehr in Panik und kommen erst einen halben Kilometer weiter zum Stehen.

Mit dem Nordwind kam innerhalb von 3 Tagen der Sommer. Die Temperaturen stiegen auf 20 (frühmorgens) bis 33⁰ (zu Mittag). Das war alles andere als ein Vergnügen, wie ichs mir vorgestellt hatte, denn ab 15⁰ waren die Fliegen wieder da. Noch zahlreicher und aufdringlicher als ich es im Herbst erlebt habe. Ich muss ein tragbares Moskitonetz finden. Meine Handtuchrolle war die einzige Überlebensrettung. Wenn sie in die Nasenlöcher kriechen, dann kann man nicht mehr atmen, da kriegt man direkt Todesangst. Sie lassen sich auch nicht verscheuchen. Wenn man mit der Hand vorbeiwischt, juckt sie das überhaupt nicht. Man muss sie von der Nase und von der Sonnenbrille runterschubsen oder -kratzen. Sind sie erst mal in der Luft, kann ich sie mit dem Handtuch verscheuchen, vor dem haben sie Respekt. Wenn man aufhört, damit durch die Luft zu wirbeln, hat man nach 3 Sekunden schon wieder 10 Fliegen im Gesicht. Irgendetwas mit beiden Händen zu machen, undenkbar. Jetzt weiß ich, warum die Engländer Australien zur Strafkolonie gemacht haben. Auf einem Parkplatz hielt zufällig ein Auto mit der Aufschrift Fliegen- und Mücken Zid. Ich schnappte mir den Fahrer sofort und befragte ihn, was man gegen die Biester machen kann, er sagte es gibt nichts.

Meine Theorie: es gibt in Australien etwa 1 bis 10 Fliegen pro m³ Luft, zumindest in den unteren 3 m. Ich gehe durchschnittlich 1,40 m/Sekunde, das sind in 3 Sekunden gute 4 m und diese Fliegen sammle ich ständig ein. Zusätzlich treibt sie mir der Wind von der Seite zu. Und keine von ihnen hat in ihrem Leben jemals einen Menschen gesehen. Wie also sollen sie wissen, wie sie sich zu verhalten haben?

Nach 3 Tagen war der Spuk wieder vorbei, der Wind hat wieder auf Südwest gedreht, es regnet wieder und es ist kalt wie vorher. Wenn ich die Wahl hätte, wäre es nur die zwischen Pest und Cholera. Australien ist kein Land zum Wandern. Trotzdem bin ich dankbar, dass ich es erleben darf.

Der nächste Ort heißt Balranald und ist 130 km weit weg, das bedeutet wahrscheinlich 4 Tage kein Blog. Meine Wasservorräte hab ich auf 12 Liter aufgestockt, was den Anhänger verdammt schwer macht. Australien sei Dank gibts da keine Berge.

So 11.10. Balranald (Km 30.389/H 70)

Also doch noch! Wenn man das Bild vergrößert sieht man sie. Das war etwa im 1. Drittel der Strecke links. Und sie waren überhaupt nicht scheu. Jetzt ist mir klar: sie haben keine natürlichen Feinde, dazu sind sie zu groß und zu wehrhaft, also haben sie nicht gelernt zu flüchten. Sie stolzierten seelenruhig vorbei. Außerdem ist ein Zaun dazwischen, damit sie nicht auf die Straße laufen können. Zig km lang. Aber woher sollen sie wissen, dass der auch für mich ein Hindernis ist? 

Endlich habe ich so einen 'Tripl Troley' auf einem Parkplatz angetroffen. Wenn sie auf der Straße an mir vorbeibrettern sind sie viel zu schnell und zu nah. Dann bebt und zittert die Straße schon/noch 50 m vorher u. nachher.

Das war mit 134 km die bisher längste einsame Etappe meiner ganzen Reise, nein, meines ganzen Lebens. Jetzt weiß ichs genau, bei diesem Wetter (überwiegend kalt) komm ich mit 2½ l Wasser täglich aus, plus 1 kg Obst u. Gemüse, was ja nochmal knapp 1 l ausmacht. Das muss ich allerdings schon vorher waschen, sonst muss ich das Waschwasser auch noch mitschleppen. Lernt man alles by doing.

Heut wars wieder wärmer und schon morgen ist wieder Sommer. Und in wenigen Wochen wirds unerträglich heiß, sagen sie mir.

Nun ist auch geklärt, man kann nach Viktoria einreisen, kommt aber nicht mehr raus, bzw. nur mit anschließend 2 Wochen Quarantäne. Ich muss also einen nördlichen Umweg machen. Auch da gibts natürlich mehrere Möglichkeiten, über die ich noch nachdenke. Adelaide liegt in Süd Australien, und dafür brauche ich ein Permitt, also eine Einreiseerlaubnis. Die sollte man schon 2 Wochen vorher online beantragen, also jetzt!

Mi 14.10. Euston (Km 30471)

Was hier als freundliche Bitte getarnt ist, wird auf anderen Plakaten als Befehl von oben dargestellt, und mit Strafandrohung durchgesetzt. Sunraysia (das Land des Sonnenaufgangs) ist ein Obst- und Weinanbaugebiet und das soll schädlingsfrei gehalten werden. Hier geht es speziell um die Fruchtfliegen, nicht zu verwechseln mit der Stubenfliege, die in Australien eine Dauerplage ist, und die Reblaus Phylloxera. Dank der Karte links unten muss ich nichts wegwerfen, wie ich im ersten Schreck befürchtet hatte, ich brauche noch 2 Tage bis dorthin und kann in der Zeit alles aufessen, was ich an Früchten in meiner Box habe.

2 Tage danach war ich in Euston, ein größeres Dorf. Dort fragte ich eine Frau nach einem Lebensmittel Geschäft. Bis zum nächsten Ort sind es wieder 2 Tage und dafür brauche ich noch Brot, Obst und Gemüse. Brot gibts hier im nächsten Cafe, aber Obst und Gemüse nicht. Das kriegt man in der Gegend hier nur in Robinvale, das liegt gleich gegenüber, auf der anderen Seite des Flusses, und das ist schon Victoria. Sie bot mir an, für mich rüber zu fahren und einzukaufen. Sie kann das, weil sie dort wohnt, aber in Euston arbeitet, also eine Ausnahmegenehmigung hat, mit entsprechendem Ausweis. Gut, sie hat für mich eingekauft, war eine halbe Stunde später wieder da, ihre Auswahl war perfekt. Und dann wollte sie kein Geld von mir annehmen. Ich schätze den Kaufpreis auf 25 $. Auch sie ist keine Australierin, sondern kommt von den Fidschi Inseln.

Fr 16.10. Trentham (Km 30.537/H 50 m)

Ach ja, in Balranald habe ich dieses Moskitonetz gefunden.

Und es funktioniert wunschgemäß. So ist es erträglich.

Abends hat es sich wieder eingeregnet, drum bleibe ich hier auf dem Rastplatz, 6 km vor Gol Gol, dort ist der nächste Lebensmittelladen. Hier kann ich unter einem Dach schlafen.

So 18.10. Perry Sandhills (Km 30.585)

Das ist eine richtige Sandwüste und die Hills sind wandernde Dünen. Sie ist nur etwa 1km² groß und liegt 5km westlich von Wentworth. Ursprünglich war der Sand weiß, aber im Laufe der Zeit oxydiert oder verrostet er und wird so immer röter. Dieser hier ist etwa 50.000 Jahre alt, sie haben aber auch ältere Schichten gefunden, mit 100.000 Jahren, das war lange vor der letzten Eiszeit. Und sie haben Urzeitliche Tierskelette gefunden. Damals waren viele Arten auch in Australien viel größer. Z.B. ein Riesenkänguru.

Ich habe nun beschlossen, über Broken Hill nach Port Augusta zu gehen, das liegt in South Australia, und dann nach Adelaide. In Victoria ist noch kein Ende der Reisebeschränkungen in Sicht, drum muss ich noch etwas Zeit schinden. Auch in Victoria gibt es Leute, die auf baldige Lockerungen drängen, die konnten sich bis jetzt aber nicht durchsetzen. Und was soll ich in Adelaide, wenn ich dann nicht weiter komme? Andere Leute sagten mir, für SA braucht man kein Permit (Erlaubnis) mehr.

Do 22.10. Coombah (Km 30731)

Neuer Rekord: 146 km mit ohne garnix, nur Pampa, in 4 Tagen.

Heute kam ich an einer Mine vorbei, seitdem fahren die Lastzüge 4-fach. Sie bringen irgendwelche Metallerze nach Broken Hill, wo sie weiterverarbeitet werden. In der Gegend finden oder fanden sie Gold, Silber, Blei, Zink, Opale, ich weiß nicht, was noch.

Von Wentworth nach Broken Hill sind es 266 km, zum Glück gibt es hier auf halbem Weg eine Tankstelle und ein Roadhouse, das ist ein notdürftiges Lebensmittelgeschäft und Restaurant, wo ich meine Vorräte auffüllen kann, es gibt allerdings nicht viel Auswahl. 

Wenn ich einen Mann mit weißem Bart sähe, der sich zu Fuß auf diesen Weg macht, würde ich schon mal nachsehen, ob er noch alle Tassen im Schrank hat, ob er weiß was er tut, ob er seine Leistungsfähigkeit richtig einschätzen kann, ob er genug zum essen und trinken dabei hat. Wenn er da einen Fehler macht, kann das tödlich enden, und soviel Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe muss sein!

Je weiter ich ins Outback vordringe, desto freundlicher werden die Leute. Jetzt bekomme ich schon durchschnittlich einmal pro Tag irgendwelche Fragen, Geschenke, Essen, Trinken, auch mal Geld, Sponsoring nennen sie das. Diese(r) Eine macht sich wohl ähnliche Gedanken, fühlt sich irgendwie verantwortlich. Auch ich denke, wenn ich eine Gefahr sehe, bin ich schon verantwortlich und das ist die Wahrheit. Da nützt es nichts, den Kopf in den Sand zu stecken oder die Verantwortung einfach zu leugnen. Die Wahrheit bleibt. Hier fahren nur noch etwa 10 Kraftfahrzeuge nein, nicht pro Minute, pro Stunde! Das sind etwa 100 am Tag, und 99 von ihnen glauben, die Wahrheit verdrängen zu können. In ihrer Haut möchte ich nicht stecken. Aber das ist schon 30 mal besser als an der Ostküste, zwischen und in den großen Städten, dort kam es durchschnittlich einmal im Monat vor, dass ich angesprochen wurde.

Wenn ich in Asien in Begleitung eines anderen Menschen die Straße überquert habe, hat der mich meistens an der Hand genommen und hinüber geführt. Wenn mir das auch absurd vorkam und peinlich war, es war doch nur seine Art von Verantwortung.

Fr 23.10. Coombah

Wieder ein Sonnenuntergang. Damit ihr wisst, was ich mit Pampa meine. Das ist nicht hier, ist schon ein paar Tage her. Meistens sind etwas mehr Bäume da. Heute regnet es wieder, die Wetter App sagt, bis morgen früh, da habe ich mich zu einem Ruhetag entschlossen. Der Wirt von diesem Roadhouse, Barry, hat mir eine Hütte gegeben, die sieht innen aus wie ein einfaches Hotelzimmer das nur selten benutzt wird, mit Dusche und Toilette. Er hat mich schon erwartet, als ich gestern abend hier ankam. Er kennt jeden Lastwagenfahrer auf dieser Straße und so ist er immer geupdated, was sich da draußen tut. Er ist ein sehr netter und freundlicher Australier, auch er sieht seine Verantwortung. Solche Leute haben nun meine anfangs sehr schlechte Meinung über die Australier schon gekippt und umgedreht. Ich bin schon mit einem Prozent davon zufrieden.

Mo 26.10. Broken Hill (Km 30857/H 320)

Ich habe vergessen zu berücksichtigen, dass an der Ostküste 50 mal mehr Autos fahren, dann ist das hier schon 1500 mal besser. Am Samstag nachmittag, ich war schon 20 km von Coombah weg, da brachte mir ein Autofahrer ein paar Getränke von Barry, darunter ein Becher noch warmer Cappuchino. Am Sonntag hielt ein Motorradfahrer neben mir, mitten auf dem Highway, nicht nötig, an die Seite zu fahren. Barry hat ihm von mir erzählt. Er gab mir seine Telefonnummer und lud mich ein, in seinem Haus in Broken Hill zu übernachten. Robert heißt er. Die Zeltplatzsuche gestaltete sich die letzten 2 Tage etwas schwieriger, der Boden ist immer noch nass vom Regen, aber es gibt trockenere Stellen. Auf den Wiesen stehen immer noch ausgedehnte Pfützen. Die Leute sagen, es ist alles viel grüner als sonst um diese Jahreszeit. Ich habe also einen verregneten Frühling erwischt. Und in wenigen Wochen steigen die Temperaturen auf 50⁰. 

Jetzt bin ich also bei Robert und seiner Familie. Ich kann duschen, bekomme ein sehr gutes Abendessen und ein Bett (hab ich mir auch redlich verdient), himmlisch. Er hat 4 Jahre lang in Kambodscha gearbeitet und in vielen anderen Ländern auf der Welt, darunter auch in Timor Leste. Dort gibt es übrigens neuerdings Diskussionen, zu Indonesien zurückzukehren, immer mehr Leute wenden sich enttäuscht von Australien ab, das ihnen im Unabhängigkeitskrieg gegen Indonesien geholfen hat. Aber seitdem kam von dort nichts mehr.

Broken Hill ist ein freundliches Bergarbeiter Städtchen. Umgeben von Bergen von Abraumhalden und viele Minen sind immer noch in Betrieb.

Süd Australien

Fr 30.10. Olary (Km 30975)

Eine komische Gegend ist das hier. Der erste Ort nach Broken Hill in Richtung West-Südwest, Cockburn, ist völlig ausgestorben, obwohl hier die Grenze zu Süd Australien ist. Da lebt kein Mensch mehr. Sie machen sich nicht mal die Mühe, die Werbetafeln für Hotel und Gaststätte, die entlang der 50 km langen Strecke stehen, wegzuräumen. Es gibt einen Campingplatz, natürlich geschlossen, aber da ist nichts zum abschließen, außer die Toiletten. Ich konnte einfach reingehen. Es gibt einen Regenwassertank mit eigenem Wasserhahn, gut zum Waschen, und sogar eine funktionierende Steckdose für mein Ladegerät. Ich hab dort eine ruhige Nacht verbracht. 

Der nächste Ort heißt Mingary, das ist kein Ort, da ist gar nix, sie schreiben es aber in die Karte, als wärs einer.

Dann kommt schon (68 km nach Cockburn) Olary. Das selbe Bild: alles tot. Als hätte hier nicht das Coronavirus gewütet sondern die Pest. Es gibt aber hier einen Rastplatz mit ordentlich gepflegter Toilette, sogar Internet, wenn auch sehr schwach, hat nichts mit dem Dorf zu tun. 

Morgen kommt nach 37 km wieder ein Ort, Manna Hill. Ich trau mich fast wetten, dass sich dieses Trauerspiel dort nochmal wiederholt. Weitere 43 km sind es dann noch bis Yunta, und wenns dort auch nichts zum Essen gibt, dann wirds langsam kritisch. Meine Vorräte gehen zur Neige. Und ob ich dann ohne Essen nochmal 40 km nach Mackara oder gar 60 km nach Oodla Wirra gehen kann, weiß ich noch nicht, das hab ich noch nicht ausprobiert. Körperliche Reserven hab ich nicht mehr viel.

Sa 31.10. Manna Hill (Km 31012)

Die Wette hab ich gewonnen. Hier siehts genauso aus. Ein Bahnhof, eine Polizeistation, ein Hotel, aber alles ausgestorben. Sieht so aus, als wäre das schon seit 10 Jahren so. Manche Häuser sehen aus wie nach einem Bombenangriff, eingestürztes Dach, Fenster und Türen rausgerissen, andere als wären sie erst vor 10 Jahren gebaut worden. Australien hatte aber auf eigenem Territorium noch nie einen Krieg. Und es gibt wieder einen Rastplatz mit Toiletten, verschiedenfarbige Mülltonnen ohne Aufschrift, ich muss erst reinschauen um zu wissen, was wo hineingehört. Und auch wieder Internet, auch wieder so schwach, dass meine Jimdo App es erst beim 3. Versuch schafft zu öffnen, und zu schwach für Bilder. Die kann es einfach nicht hochladen.

Di 01.11. Yunta (Km 31.056)

Klingt wie ein Hohn (drowsy heißt schläfrig). Ob jemand der müde ist, noch so lange durchhält? Aber das ist eine andere Welt hier.

Yunta lebt! Zumindest ist es noch nicht tot. Immerhin gibt es zwei Tankstellen mit angeschlossenem Shop mit mickriger Auswahl und Restaurant. Wenigstens habe ich Brot ergattert, als Hauptmenue ist eine Dose Bohnen mit Brot schon das höchste der Gefühle. Obst und Gemüse, Fehlanzeige! In beiden Shops. Wozu auch? Das kauft hier eh keiner. Der Australier frisst Fleisch und Fleischprodukte, die enthalten wenigstens eine Menge Energie. Dass dieser Überschuss sie aufbläht, krank macht und frühzeitig tötet, egal, was solls, es schmeckt einfach zu gut! Dazu noch eine Riesenauswahl an Energy Drinks. Irgendwas müssen sie falsch verstanden haben. Soviel ich verstanden habe, ist Oodla Wirra auch halbtot, erst in Peterborough (85 km) gibts wieder mehr.

Zum Glück habe ich das Einfuhrverbot von Obst und Gemüse nach SA ignoriert, bis hierher hat es noch gereicht. Aber für die nächsten 2 bis 3 Tage fand ich nur eine Dose mit gekochten Früchten, natürlich nicht ohne 10% Zucker. Auch das Wasser in Yunta ist nicht drinkable, sie verkaufen an der Tanke den Liter für 4$, das Benzin für 1,15. Dann fand ich aber Trinkwasser im 10l Kanister für 10$. Damit habe ich all meine Flaschen aufgefüllt.

In einem so großen Kontinent mit nur 25 Millionen Einwohnern kann niemand irgendwas kontrollieren. So gesehen erfreue ich mich an den fast unbegrenzten Möglichkeiten hier.

Leider muss ich meine australischen Freunde schon wieder kritisieren, dafür, dass mir keiner gesagt hat, dass ich von Broken Hill bis Peterborough nichts, oder fast nichts zum Essen finde, und das sind immerhin 280 km. Zum ersten Mal bin ich meinem inneren Hamsterer wirklich dankbar für seinen Einfluss immer mehr einzukaufen und mitzuschleppen, als ich tatsächlich brauche oder zu brauchen glaube.

Mo 02.11. Barrier Hwy (Km 31.078)

Nach dieser anstrengenden Woche brauchte ich in Yunta eine etwas längere Rast, bin erst am späten Vormittag aufgebrochen und dann etwas gemütlicher gegangen. Aber so, dass ich es bis Oodla Wirra in 2 Tagen schaffe. Der Verkäufer in der Tanke in Yunta hat mir auch noch eine angebrochene Packung Müsli geschenkt. Die ist noch haltbar bis Dezember (best before), schmeckt sehr gut, mit vielen verschiedenen Nüssen und Kernen, aber es hat schon eine Spur von ranzig. Ich hoffe, dass das nicht von den Schimmelpilzen kommt. Und dann hab ich nachgeschaut was drin ist, 20% Zucker! Nie im Leben würde ich solchen Mist kaufen. Auch da ist der Geschmack das wichtigste was zählt. Gesundheit wird nur vorgetäuscht. Sie machen alles Gesunde mit solchen Mengen Zucker skrupellos wieder zunichte, nur damit der Geschmack stimmt. Vermutlich kauft es ja sonst niemand. Da sind die Konsumenten wie kleine Kinder. 


Während einer Pause auf einem Parkplatz kam ein Auto und hielt direkt vor mir. Der Fahrer war ein junger Aborigine, eindeutig erkennbar. Kein Australier ist so schwarz. Die sind nicht mal ein bisschen sonnengebräunt. Das hat verschiedene Ursachen. Erstens sterben immer noch 2 von 3 Australiern an Hautkrebs, ein Erbe aus der Zeit des Ozonlochs. Zweitens wegen der Fliegen. Es ist tatsächlich unmöglich, sich ohne Kopfschutz draußen aufzuhalten. Gemütlich im Garten sitzen, in der Sonne, oder gar im Freien essen, ausgeschlossen. Für jeden Bissen muss man eine Hand frei haben, um das Moskitonetz vorsichtig anzuheben, trotzdem schafft es immer wieder eine, irgendwo durchzuschlüpfen. Das nervt tierisch, ich hasse sie. Einmal wollte mir eine Frau meine Wasserflasche mit kaltem Wasser auffüllen, ist dann aber vor den Fliegen panisch in ihren Wohnwagen geflüchtet und hat es dort gemacht. Die ärmste hatte keinen Kopfschutz. Die Fliegen haben die untere Hälfte oder ⅔ von Australien vollständig im Besitz und unter Kontrolle. Wer sich nur in klimatisierten Räumen oder Fahrzeugen aufhält, kriegt das vielleicht gar nicht mit. Zurück zu dem Aborigine. Er war ein ausgesprochen hübscher junger Mann, das ist selten, die meisten sehen eher zum fürchten aus. Er zwar auch, wegen seiner schwarzen Hautfarbe und den schwarzen Augen, ich gestehe, dass es mich auch immer wieder erschreckt. Aber er war einer der ganz wenigen, die mich fragten, ob ich ok bin (soll vermutlich heißen, ob ich noch alle Tassen im Schrank habe) und ob ich irgendwas brauche. Ich rechne ihm das hoch an. Auch er hat ein Gefühl für Verantwortung. Ich konnte ihn sehr schnell und überzeugend beruhigen und er fuhr wieder weiter. Das war für mich eine eindrucksvolle Begegnung und das möchte ich ein bisschen genauer erklären. Dazu muss ich euch ein altes Foto von mir zeigen, nicht alle meine Leser kennen mich schon so lang.

Das ist etwa 40 Jahre her. Ich ging damals mal mit meiner Frau spatzieren, da begegneten wir einem älteren Paar und als sie schon vorbei waren, hörte ich den Mann leise sagen: "jetz moan i hob i an Deifi gsegn". Auf Deutsch, jetzt glaube ich, habe ich den Teufel gesehen. Und ich dachte, ich sehe eher wie Jesus aus. Aber das ist das "gesunde Volksempfinden". Und ich gebe zu, in mir steckt auch ein Teil davon, wie ich an der Begegnung von vorhin sehen kann. Gleichzeitig fühle ich mich ein bisschen als Verbündeter, was den diabolischen Eindruck angeht. Und ich habe höchsten Respekt vor ihnen, wie sie das Leben auf diesem so lebensfeindlichen Kontinent (die Kälte, Hitze, Fliegen, Krokodile, Quallen, Schlangen, giftige Spinnen, Dürre, Buschbrände, Überschwemmungen, ich weiß nicht, was noch) gemeistert haben. Mit mangelhafter Ausrüstung.

Mi 04.11. Peterborough (Km 31.143/H 535m)

Ohne Sankt. Früher hieß der Ort tatsächlich Petersburg. Und so hoch war ich auch seit den Blue Mountains nicht mehr. Wentworth liegt auf 50m und Broken Hill auf 300. Seitdem bewegt sich die Straße zwischen 150 und 300m. Das Gebiet gehört zu den Barrier Ranges (Barrier Kette), das ist ein Seitenarm der Flinders Kette (Gebirgszug) und die erstreckt sich in Nord-Süd Richtung über 600 km mit einem Seitenarm bis nach Broken Hill. Alles unter 1000m. Sieht aus wie ein überdimensionales Y. 

Inzwischen habe ich auch das Problem der verlassenen Dörfer verstanden. Im Outback gibt es das Problem der Landflucht extrem. Die Autos werden immer größer und schneller und komfortabler, die Reichweite immer größer, so dass auf den 300 km bis nach Broken Hill keiner mehr stehen bleibt um zu übernachten oder auch nur was zu essen. So sind die letzten Jobs in der Gastronomie weggefallen und die Dörfer verkümmert. Von irgendwas müssen die Leute ja leben und sind nach und nach alle weggezogen.

In Australien gibt es verschiedene Zeitzonen. Eine Grenze war noch vor Broken Hill, ½ Stunde später, davor haben sie auf Sommerzeit umgeschaltet, 1 Stunde früher. Jedenfalls lebe ich jetzt 9½ Stunden früher wie ihr in Mitteleuropa mit eurer Winterzeit.

Letzte Nacht war ich in Oodla Wirra, der Ort ist tatsächlich auch ausgestorben, bis auf eine Polizeistation. Dort machen sie Ernst mit dem Fruchtfliegen-Einfuhrverbot. Sie kontrollieren das, ich musste meine Box öffnen, aber ich hatte schon vor 3 Tagen alles aufgegessen, bis auf ein paar Zwiebeln, Knoblauch und einen kleinen Kürbis. Aber das interessiert diese Ungeziefer nicht, folglich auch nicht die Polizei. Fast alles andere muss in eine bereitgestellte Mülltonne. Weil ich ja meine Verdauung sehr stark auf rohes Obst und Gemüse angepasst habe, befürchtete ich nach 3 Tagen ohne- Verdauungsprobleme. Und bis hierher war es ja nochmal ein Tag, deshalb fragte ich den Polizisten, ob ich mir aus dieser Tonne etwas nehmen darf, wenn ich es gleich aufesse. Er musste erst jemanden im Büro fragen, dann durfte ich nicht. Statt dessen brachte er mir eine Tüte mit frischem unverseuchtem Obst und ein paar Süßigkeiten. Ich hab dann dort auf dem Parkplatz übernachtet, in Sichtweite, hab sogar ein Lagerfeuer gemacht, zwischen Steinen, auf dem ich ein Abendessen kochen konnte. Heute morgen ging ich nochmal hin um mich zu verabschieden, bekam noch einen Kaffee, das war Oodla Wirra.


Jetzt muss ich doch wieder meine Meinung zur US Wahl kundtun. Es erfüllen sich tatsächlich, nicht nur meine, schlimmsten Befürchtungen. Neulich sagte mal ein US Bürger, "die ganze Welt hält uns für bescheuert mit diesem Präsidenten". Richtig, und jetzt zeigt ihr uns, dass ihr es tatsächlich seid.

Do 05.11.Petersburg Rd. (Km 31.161)

Die Straße nach Orroroo heißt noch so.

Seit Oodla Wirra gibt es wieder mehr Bäume, das hier ist für Outback Verhältnisse schon ein dichter Wald. Auffallend ist, dass die meisten keinen Stamm haben, da beginnt die Krone sofort über der Erde, oft sogar noch darunter. Da hat man Zweifel, ob das Bäume oder Büsche sind. Die Australier nennen das auch nicht Forest, sondern Bush.

Fr 06.11. Orroroo (Km 31.183)

Die neuesten Nachrichten aus den USA machen nun doch Hoffnung, dass es gut ausgeht. Aber wenn nur 40% der Wähler für Trump stimmen, entsetzt mich das. Für einen kranken Autokraten, der mit Demokratie überhaupt nichts am Hut hat. Sie haben damit die Demokratie abgewählt. Ich habe die politischen Verhältnisse in den USA immer kritisiert, auch die in Deutschland, es war mir nicht genug Demokratie, Frieden, Gerechtigkeit, Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Und auch nicht genug Umweltschutz. Aber gegen den Kahlschlag den Trump veranstaltet, ist es wert, das bisschen was sie und wir hatten, zu verteidigen. So gehts mir auch mit den Rechten in Deutschland. Gegen die Kritik, die von rechts kommt (dazu gehören auch die Verschwörungstheorien), muss ich sogar Angela Merkel verteidigen. Wir brauchen nicht weniger Demokratie, sondern mehr. Vielmehr!

Mo 09.11. Quorn (Km 31.273/H 300)

Nach der Karte hatte ich erwartet, dass Quorn (spricht man wie Korn) etwas höher liegt, aber nein, es ist niedriger, es liegt in einem Tal. Ich habe mich in Wilmington entschlossen, noch diesen Abstecher zu machen, um noch ein bisschen mehr von den Flinders Ranches zu sehen. Im Grunde sind das alles verschlafene Bauerndörfer, sie werben mit phantasievollen Details für ihre Einzigartigkeit und das einmalige Lebensgefühl hier draußen. Für den inneraustralischen Tourismus funktioniert das, die Hälfte aller Fahrzeuge auf den Straßen schleppen einen Wohnanhänger mit sich, fast alle Fahrer sind Rentner. Es gibt übrigens sowas wie Hausarrest für Rentner hier. Wer sein Land für länger als 6 Monate verlässt, verliert seinen Rentenanspruch.

Mi 11.11. Port Augusta (Km 31.322/H 5m)

Die Flinders Ranches sind ein idyllisches Mittelgebirge, der höchste Punkt meines Weges war 400m, immer noch wenig Verkehr. Ich kann schon ein paar Tage hintereinander 40km machen, aber dann brauche ich ein paar Tage zur Erholung, was meinen Vorsprung wieder zunichte macht. Dann denke ich, ich sollte mich doch mit 30km pro Tag begnügen, aber wenn ich grad fit bin, dann ist mir auch das zu wenig. Ich scheine in jeder Hinsicht unersättlich zu sein. Schon als Säugling schien mir die Liebe meiner Mutter nicht ausreichend, ich kann mich noch gut erinnern. Wie auch, bei noch 8 Geschwistern. Trotzdem liebe ich sie alle.

Jetzt bin ich im Westteil der Stadt. Sie haben keine Mauer, sondern den Spencer Golf. Port Augusta liegt an der obersten Spitze, eigentlich ist das hier eine Lagune, abgetrennt vom Golf durch einen natürlichen Sanddamm.

Ich hab mir wieder mal einen sündteuren (29$) Campingplatz geleistet, zum duschen, Wäsche waschen, Kaffee kochen zum Frühstück. Das kann ich jetzt gar nicht mehr. Meine Gasflasche ist seit kurz nach Broken Hill leer. Anfangs hab ich noch am Lagerfeuer Wasser erhitzt und auch ein paarmal Abendessen gekocht, ging wunderbar, aber seit 1. November gilt hier die "fire danger season", da ist es strikt verboten, draußen Feuer zu machen. Bis 15. April. Ich hab das erst ein paar Tage zu spät mitgekriegt, aber weil ich es verstehe und einsehe, halte ich mich selbstverständlich daran. Gestern Abend habe ich einen Shop für Camping Artikel gefunden, war aber schon zu spät.

Sa 14.11. Port Germein (Km 31.401)

Jetzt hab ich wieder Gas für einen Monat.


  Die haben hier den mit 1,5km längsten Holzsteg (Jetty) der südlichen Hemisphäre gebaut. So breit ist der Strand bei Ebbe, und selbst bei Flut war das Wasser nicht tief genug für größere Schiffe. Schon vor 150 Jahren war das ein gutes Getreideanbaugebiet. Damals transportierten sie die Güter mit einer kleinen Eisenbahn bis ans Ende des Steges. Dort wirds dann plötzlich tief, sieht man an der blauen Farbe im Hintergrund. Das Westufer des Golfs sieht man nicht mehr.

Ich hab nochmal nachgeschaut, mein letztes Lagerfeuer habe ich am 04.11. in Oodla Wirra angezündet, da wusste ich noch nichts von einem Verbot, vor den Augen der Polizei, und keiner hat was gesagt. Vielleicht haben sie es doch nicht gesehen, oder sie hatten keine Bedenken, weil es auf einem geschotterten Parkplatz war.

So 15.11. Port Pirie (Km 31.428)

Heute wars so stürmisch, dass der Wind eine Menge Sand und Staub aufgewirbelt hat. Das sieht life so aus, als ob in 300m Entfernung eine graue Wand steht. Und der Wind war heiß, 38⁰, von Norden. Um 6 Uhr früh schon 27⁰. Die letzten Tage wechselte die Windrichtung alle 3 Tage durchschnittlich. Wenn er von Norden kommt ist Sommer, kommt er von Süden, ist Winter. Dazwischen gibts nichts. Und es wird mit jedem Tag heißer bzw. kälter, an dem die Windrichtung gleich bleibt. Und diese Woche bläst der Nordwind schon mehr als 3 Tage.


In Quorn habe ich Daniel kennengelernt. Er lud mich zum Mittagessen in seinem Haus ein. Er ist Deutscher, lebt seit 7 Jahren in Australien, hat eine Australierin geheiratet  und sie haben ein kleines Baby. Sie haben eine Solaranlage auf dem Dach, die produziert fast doppelt so viel Strom wie die seiner Eltern in Deutschland, bei etwa gleicher Größe. Weil sie hier fast doppelt so viele Sonnenstunden pro Jahr haben.

Warum Australien nicht längst 100% Solarstrom hat, verstehe ich nicht. Und es gibt auch wesentlich mehr Wind als in Deutschland, Investitionen in erneuerbare  Energie sind hier also viel rentabler, trotzdem geschieht mir viel zu wenig.

Do 19.11. Wallaroo (Km 31.531)

In Pt. Pirie habe ich mich für die alte, 50km lange Schotterstraße nach Pt. Broughton entschieden. An dieser Stelle muss ich die Australier ausdrücklich loben. So gute, perfekte Schotterstrassen findet man nirgendwo sonst, jedenfalls nicht auf der (von hier gesehen) westlichen Hälfte der Welt. Und das, obwohl sie nur von den gefühlt 10 Farmerfamilien die da wohnen, benutzt wird. Das bedeutet, ca 5 Fahrzeuge pro Tag.


Der Minidrache vom 07.10. heißt Blauzungen Skink. Die werden bis zu 45cm lang, sind Omnivoren (Allesfresser) und bewegen sich wie in Zeitlupe. Nicht so flink wie ich es von Eidechsen gewöhnt bin und auch von diesem Skink erwartet habe. Ihre große blaue Zunge ist ein Bluff, sie dient nur der Einschüchterung und Abschreckung potentieller Feinde. Auch mich hat er ordentlich erschreckt damit.


Vor ein paar Tagen ist das Coronavirus hier in SA wieder ausgebrochen. Es gibt in ganz SA momentan 34! aktuelle Fälle. Und deswegen haben sie wieder einen fast totalen Lockdown angeordnet. Sie wollen es nicht so weit kommen lassen wie in Europa, wo ihrer Meinung nach die Hölle los ist. Ich glaube sie halten Corona für die Pest. Sie haben erst mal nur für 6 Tage alles geschlossen, was nicht "essentiell" wichtig ist, wie z.B. Essen. Ich habe diesen Umweg nach Wallaroo wegen einem Campingshop gemacht, aber der ist jetzt closed. Fast alle Arbeit ruht, die Leute sollen zu Hause bleiben. Die Campingplätze sind geschlossen, Travelling verboten, die Grenzen zu den Nachbarstaaten geschlossen. Victoria war schon offen, um das abzuwarten habe ich 2000km Umweg von Sidney bis hierher gemacht, jetzt bin ich gefangen in SA. Überall höre und lese ich: stay at home. Mein Zuhause ist die Straße. Ich habe keine Ahnung, ob und wie es jetzt weitergeht. Ob ich tatsächlich Knast riskiere, wenn ich einfach weitergehe? Die Straßen sind wie leergefegt, so habe ich keine Kontakte, wo ist da ein Risiko?

Fr 20.11. Alford (Km 31.548)

Hier war ich am Mittwoch schon. Es gibt hier einen Campingplatz for free und hier habe ich vom neuen Lockdown erfahren. Einige Leute sagten, ich solle die 6 Tage hier bleiben und nach einer Inspektion dieses Platzes habe ich mich auch dazu entschlossen. Kurz darauf erschien aber jemand, der sich als Supervisor (Aufpasser) des Platzes vorstellte. Er sagte, ich kann hier nicht bleiben, er hat Anweisung den Platz zu schließen. Also ging ich nach Wallaroo. Und heute früh nach Kadina. Kurz nach meinem Start hielt ein Polizeiauto neben mir und der Polizist fragte mich, was ich jetzt und hier mache. Ich antwortete wahrheitsgemäß, dass ich auf dem Weg nach Adelaide bin. Er erzählte mir von dem Coronalockdown, und dass jede Art von traveling für die Zeit verboten ist. Er denkt, ich muss in ein Hotel oder den nächsten Caravanpark gehen. Auf meine erstaunte Frage, ob denn die Caravanparks nicht auch geschlossen sind, sagte er, nicht alle. Ok, dann nehme ich den im nächsten Ort, in Kadina. Er wünschte mir noch freundlich alles Gute und viel Glück, dann fuhr er weiter. Natürlich war der in Kadina geschlossen, der nächste ist in Wakefield, 50km von hier. Ich füllte beim Aldi meine Lebensmittelvorräte auf, im nächsten Park meine Wasserflaschen, dort konnte ich mich auch mal wieder waschen. Dann machte ich mich auf den Weg, mit der Sorge im Hinterkopf, dass der nächste Polizist möglicherweise weniger verständnisvoll reagiert. Das nächste Polizeiauto fuhr aber an mir vorbei, als hätten sie mich nicht gesehen. Ich nehme an, ich habe sie mit meiner Anwesenheit überfordert. Andere Autofahrer versuchten mir anzudeuten, dass ich was falsch mache. Dann hielt wieder einer, diesmal ein echter Australier, der bot mir an, die nächsten 4 Tage sind es noch, hoffentlich bleibts dabei, in seinem Haus in Alford zu bleiben. Drum bin ich jetzt wieder hier. Neueste Meldung, sie wollen den Lockdown schon am Sonntag früh 0:00 Uhr erleichtern und auch die Bewegungsfreiheit wiederherstellen. Also schon nach 3 Tagen. Das bedeutet, ich bleibe nur heute und morgen, Samstag, in Alford.

So 22.11. Paskeville (Km 31.566/H 150m)

Das ist mein Gastgeber in Alford. Nein, er heißt nicht Alfred, sondern Jason, ein richtiger strong man, 130kg, schwere Knieprobleme, aber unfallbedingt. Ich sehe daneben aus wie ein Kind (finde ich). Er sagt, er hatte auch schon mal über 180kg. Da würden meine Knie sofort, auch ohne Unfall, kollabieren. Man sieht es ihm nicht an, aber er ist ein wirklich freundlicher liebenswerter Mensch. In seiner Jugend war er das Gegenteil, ein richtiger Bösewicht, finanziell erfolgreich. Jetzt baut er für sich (und für seine Tochter, die lebt mit ihrer Mutter getrennt, weit weg von ihm) und seinen Vater ein Haus. Das hat er gebraucht günstig gekauft, sie haben es mit einem Schwertransporter gebracht. Es muss übel ausgesehen haben. Außer dem Rohbau war nichts mehr zu gebrauchen. Er selbst lebt derweil in einem zum Wohnmobil ausgebauten Omnibus. Sieht fantastisch aus, aber bei schönem Wetter wird der zur Sauna. Und eine Klimaanlage ist zu teuer. 

Am Samstag habe ich ihm beim Hausbau geholfen, habe ein paar Türen eingebaut, ja, ich kann es noch. Das nötige Werkzeug war vorhanden, es war, als hätte ich nie aufgehört zu schreinern. Zwischen Bus und Haus ist ein Container, ich nehme an für Werkzeug und Bau-Material und dazwischen stehen 2 Whirlpools, er nennt sie sein Spa, einen davon durfte ich benutzen. Sie sind mit einer wärmegedämmten Haube abgedeckt, so bleibt das Wasser angenehm kühl. Aus verschiedenen Düsen ströhmt wahlweise ein scharfer Wasserstrahl mit wunderbarer Massagewirkung.

Er hat mich heute früh wieder nach Kadina gebracht. Er geht dort in eine Kirche, die gehört zur Pfingstgemeinde, einer christlichen Glaubensgemeinschaft. Ich habe mir erlaubt, mir diese Sonntagsprozedur anzuschauen. Nun muss ich vorausschicken, dass ich ein von Natur aus introvertierter Mensch bin (sonst wäre ich vermutlich gar nicht so weit gekommen), und aus meiner Sicht sind die alle extrem extrovertiert. Sie gebärden sich, als hätten sie alle ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit / Hyperaktivitätsstörung). Der Grund ihrer Mitgliedschaft ist die Gelegenheit zur Selbstdarstellung, und dazu legen sie sich mächtig ins Zeug. Manchen, die das nicht können, imponiert diese Fähigkeit bei anderen und sie wollen von ihnen lernen. Mir imponiert das überhaupt nicht. Dabei findet ein Wettlauf statt, wer die größte Liebe zu Jesus ausdrückt, jeder der will und kann, darf sich vorne mit Mikrofon produzieren, und das tun viele. Das sieht so aus und hört sich so an wie überall in Asien, in allen Religionen, wie Gehirnwäsche. Sorry Jason, das wird dir vermutlich nicht gefallen, aber ich will dich nicht belügen. Das ist meine Meinung dazu. Danke für deine Gastfreundschaft.

Mi 25.11. Virginia (Km 31.669)

Die Straße hier ist gesäumt mit Bäumen, die sehen aus wie aus dem Märchenbuch. Ich bin jetzt noch 30km nördlich vom Zentrum Adelaide.

Do 26. 11. Adelaide (Km 31.687)

Ich nehme alles zurück, was ich über 'die Australier' geschrieben habe und behaupte das Gegenteil. Die Mentalität scheint hier völlig anders zu sein. Das trifft sicher nicht auf alle zu, aber es gibt sehr viel (1500mal) mehr freundliche, hilfsbereite, großzügige, interessierte, ungehemmte Menschen als an der Ostküste. Hier fragen mich auch aus Europa eingewanderte, weiße Australier, woher ich komme, wohin ich gehe, ob ich weiß, was ich tue, ob ich irgendwas brauche, bieten mir einen Übernachtungsplatz an, manche drücken mir eine kühle Wasserflasche in die Hand ohne irgendwas zu fragen, sehr angenehm. 

Anfang Oktober, kurz vor Hay hat mir Halina, eine junge Frau aus Adelaide, eine Tüte mit Obst und Gemüse und Nüssen geschenkt und mir Quartier angeboten, wenn ich nach Adelaide komme. In Quorn drückte mir eine Frau aus Adelaide, Debbie, einen Zettel mit ihrer  Telefonnummer in die Hand, mit der Bitte, sie und ihren Mann, David, zu besuchen. In Port Wakefield sprach mich ein langhaariger junger Mann namens Eamonn (spricht man aus wie Amen: [eimen]) an und bot mir Quartier im Haus seiner Eltern, auch in Adelaide.


Jetzt bin ich bei Debbie und David, sie hat mich schon 10 km vorher abgeholt. Ich konnte unseren vereinbarten Treffpunkt nicht rechtzeitig erreichen, da war die Straße plötzlich für Fußgänger gesperrt, was mich zu einem größeren Umweg zwang, und dann hatte ich auch noch eine Reifenpanne. Sie wohnen nahe am Zentrum im Ortsteil Beverley. Hier stehen die Häuser für australische Verhältnisse sehr eng beieinander, die Grundstücke sind erstaunlich klein. Ich bekam ein Appartement im Gartenhaus, Wohn-Schlaf-Küche-Zimmer, Toilette-Dusche u. Klimaanlage. Morgen und Übermorgen soll die Temperatur bis auf 40⁰ steigen, solange muss ich hier bleiben (in Broken Hill sogar bis 47! Robert sagte, bei 50⁰ kann man nicht mal mehr die Straße zu Fuß überqueren).

Blick vom Mt. Lofty, 700m hoch, südöstlich vom Zentrum, aufs Zentrum. Das ist, soweit ich es sehen kann, einer der höchsten Berge hier. Solche Serpentinen wie hier herauf habe ich in Australien noch nicht gesehen. 

Sa 28.11. Adelaide

Debbie u. David. Hinter mir ist der Strand, 20 oder 30 km lang, es gibt hier sogar eine Müllabfuhr für das Seegras. Adelaide ist eine schöne Stadt, zumindest im Zentrum. Es hatte gestern und heute tatsächlich 40⁰, ich bin dankbar für diese Pause. Heute Abend begann es zu regnen und kühlte ab. Damit ist diese Hitzewelle beendet. So heiß wird es hier nicht so oft, schon gar nicht im November.

Mo 30.11. Mt. Osmond (Km 31.711 / H 500)

Blick zurück nach Adelaide vom Mount Osmond, der liegt noch vor dem Mt. Lofty. Hier kommen jede Menge zu Fuß Gänger, Läufer und Radler über einen Trail, den schon die Frauen der ersten Siedler vor knapp 200 Jahren gegangen sind, um ihre landwirtschaftlichen Produkte in der Stadt zu verkaufen. Sie mussten schon um Mitternacht aufbrechen, um rechtzeitig da zu sein und sie haben alles getragen. Der Trail war stellenweise grenzwertig steil für meinen schweren Anhänger, oder für mich Leichtgewicht.

Gestern habe ich bei Eamonn übernachtet, er ist 24 Jahre jung und sieht so ähnlich aus wie ich auf meinem Jugendfoto. Er lebt in einer WG, alle ähnlich jung und er hat einen ausgebauten Bus, nur halb so groß wie der von Jason, das ist immer noch riesig. Das Gewicht hat bei der Auswahl der Ausbau-Materialien keine Rolle gespielt. Das geht nur, wenn man sich noch keine Gedanken über die CO2 Problematik macht, und das Benzin so billig ist wie in Australien (60-70 Eurocent). Aber ich habe sehr gut darin geschlafen. Inzwischen habe ich noch eine Einladung, in Hahndorf, 25 km südöstlich, ein Dorf von deutschen Einwanderern, vor knapp 200 Jahren. Dorthin gehe ich jetzt.

Di 01.12. Hahndorf (Km 31.731/H 375)

Die ersten deutschen Siedler die 1838 nach Südaustralien kamen (mit Segelschiffen), weil der König Friedrich Wilhelm lll. Lutheraner nicht mochte und verfolgte, ließen sich hier nieder. Einer der Kapitäne hieß Hahn und half ihnen, diesen Platz zu finden und zu erwerben. Zum Dank dafür nannten sie ihre Siedlung Hahndorf. Auch die südaustralische Regierung war kooperativ und hilfreich und schickte ihnen unter anderem einen Prediger und Lebensmittel. Vor der ersten Ernte hatten sie ja nichts.


Ein paar Gebäude haben noch die deutsche Aufschrift, aber den Leuten sieht und hört man ihre Wurzeln nicht mehr an. Manche haben auch ein paar deutsche Wörter gelernt, aus folkloristischen Gründen. Das Dorf hat jetzt 1800 Einwohner, einer davon ist Mark. Ihn habe ich in einer Kneipe in Adelaide getroffen, dort war ich mit David, um Eamonn zu treffen und zu hören, der dort mit einer Band musizierte, in der auch sein 74 jähriger Vater mitspielte und sang. Sie haben das nicht schlecht gemacht. Ja und Mark bot mir eine Übernachtung in seinem Haus in Hahndorf an

Do 03.12. Aldinga (Km 31.786)

In der Bildmitte ganz weit weg (15km Luftlinie nach Westen) und 400m tiefer, dort etwa liegt Aldinga. An den Straßen die machmal überflutet werden, stehen Schilder, auf denen steht: street subjected to flooding. Auch Aldinga und fast ganz Adelaide und viele Gebiete bis weit ins Landesinnere sind subjected to flooding, aber das wissen sie noch nicht. 100 oder 200 Jahre sind ja auch eine unvorstellbare Ewigkeit. Genauso wie der Zusammenhang zwischen dem eigenen Verhalten und der kommenden Katastrophe unvorstellbar ist, zumindest für viele Dummköpfe unter uns. Und solange Rupert Murdoch in Australien die Meinungen bestimmt, wird sich hier auch nichts daran ändern.


Ich blättere um zur nächsten Seite.