Blog 39 Australien 6

Der Flug war abends, bis ich dann in Melbourne wieder startklar war, wars draußen finster. Ich ging dann noch 5 km durch Endlos Parkplätze, Autobahnen und Businessparks (Gewerbegebiete). Ein Kulturschock, wenn man aus Asien oder Tasmanien kommt. Da sieht man sofort, auch nachts, Leute, das kann nicht gutgehen. So richten wir den Planeten zugrunde. Allein schon die Zäune: wenn ich das, was ich bisher gesehen habe hochrechne, dann müssen das in ganz Australien 1 Million km sein. Gigatonnen von Stahl! Der da verrottet.

Am nächsten Morgen ist dann mein Handy verstorben, zumindest die Batterie. Es arbeitet immer noch, wenn ich es an ein Ladegerät hänge oder an die Powerbank, sobald ich es von der Stromzufuhr trenne, geht nichts mehr. Aber das entdeckte ich erst später. So konnte ich wenigstens einen Teil meiner Daten retten, das was in der Samsung Cloud gespeichert war. Eigentlich hätte alles da drin sein sollen, war aber nicht, und ich wusste das vorher nicht. Aber mit Jeromes Hilfe hab ich jetzt fast alles wieder, und noch ein paar nützliche Dinge mehr.

Victoria 2

Fr 19.03.21 Melbourne (Km 34.486)

Das sind Jerome und Kate mit ihren Kindern. Ich war vor Tasmanien schon bei ihnen, in Sachen Verständnis und Empathie bekommen sie von mir die Note A1.

Dieser Telephonwechsel ist für mich immer alptraummäßig. Es ging schon leichter und besser als beim letzten Mal, das war in Indonesen. Aber auch diesmal konnte ich meine WhatsApp Nummer nicht hinüber retten. Dazu hätte ich die indonesische Simkarte mit aktivem Guthaben gebraucht. Selbst wenn ich diesmal die australische gut aufbewahre, wird sie mir beim nächsten Mal nicht helfen, weil dann das Guthaben längst abgelaufen ist. Ich habe also wieder eine neue WhatsApp Nummer, das ist meine aktuell amtierende australische Nummer: +61484820692

Meine Kontakte haben eine automatische Mitteilung bekommen, aber es gibt auch Leser meines Blogs, die nicht in meiner Kontaktliste sind. Ich freue mich über jede message, Nachricht, Info, Kommentare, Tipps oder Fragen. Wer WhatsApp nicht nutzen will oder kann, kann mich auch per email erreichen: pennerkuno@gmail.com

So 21.03. Port Melbourne (Km 34.511)

Am Freitag und Samstag ging ich nach Port Melbourne, teilweise entlang des Yarra River, da gibt es den Main Yarra Trail, perfekt ausgebaute Rad- und Fußwege inmitten von mehr oder weniger breiten Auwäldern, sehr idyllisch, dort fand ich auch einen sicheren, gut versteckten Schlafplatz (in Großstädten muss man immer mit Verrückten oder Vandalismus rechnen). Jetzt bin ich wieder bei John und Martina, es regnet, ich kann hier auch ein paar Tage bleiben.

Die australische Einwanderungsbehörde, die auch für die Visavergabe zuständig ist, verlangt jetzt auch noch polizeiliche Führungszeugnisse aus allen Ländern, in dennen ich mich während der letzten 10 Jahre länger als insgesamt 12 Monate aufgehalten habe, das heißt für mich, aus Deutschland und Australien. Beides ließ sich (auch mit Jeromes Hilfe) online beantragen, natürlich nicht umsonst. Die Gesamtkosten für das neue Visum sind damit schon auf über 1000 € angestiegen. Wenn ich das vorher gewusst hätte, hätte ich mich mit einem kürzeren Visum begnügt. Ich vertraue darauf, dass ich es jetzt bekomme und will diese zusätzliche Zeit in Australien auch nutzen und bin nun wild entschlossen, nach Perth zu gehen. Nach langen Recherchen weiß ich jetzt: die längste menschenleere Distanz in der Nullarbor Halbwüste ist exactly 191 km. Nach Broken Hill waren es 280. Auf dem Weg dorthin wird es Winter, da muss man mit nächtlichen Temperaturen bis unter Null Grad rechnen. Ich brauche dann wohl noch ein paar Klamotten, einen wärmeren oder zusätzlichen Schlafsack und dafür mehr Stauraum. Meine Alubox ist, seit ich in Australien bin, zu klein, hier braucht man einfach mehr Equipment, Wasser, Lebensmittel, Kleidung als in Asien, außerdem löst sie sich langsam auf, wegen dem ständigen Überdruck von innen, ich fürchte, sie wird bald nicht mehr wasserdicht sein. Ich will die Regentage hier nutzen und schauen, ob ich Ersatz finde. Außerdem hab ich da noch ein paar Ideen.

Mi 24.03. Melbourne (Km 34.565)

Das ist der neueste und höchste Wolkenkratzer von Melbourne, "Australia 108" heißt er, hat 100 Etagen a 1.400 m² und ist 317 m hoch. Ist schon eindrucksvoll. Mir ist er aufgefallen wegen der vielen Pflanzen an den unteren Etagen. Melbourne ist mit 4,5 Millionen Einwohnern die 2.größte Stadt Australiens nach Sidney (5,5,Mio), hat aber mehr Hochhäuser.

Seit gestern ist Victoria für Coronafrei erklärt worden. Ich habe darüber nachgedacht, warum das in Europa nicht funktioniert. 

1. Australien ist eine Insel, die kann man natürlich leichter abschotten als ein Binnenland mit tausend Grenzübergängen. An den Flughäfen herrscht sowieso überall die totale Kontrolle.

2. Australier sind viel braver, unkritischer und obrigkeitshöriger als Europäer. Sie befolgen jede Anordnuung. Ihnen fehlt die Erfahrung, dass es auch verbrecherische Regierungen gibt, dass man ihnen nicht blind vertrauen kann und nicht jede Anordnung befolgen darf. Alles muss kritisch auf demokratische und moralische Rechtmäßigkeit überprüft werden, von jedem. Es liegt in unserer Verantwortung, dass nie wieder eine Regierung Verbrechen gegen das eigene oder andere Völker verüben kann. Und das ist gut so. Deshalb funktionieren Anordnungen in Deutschland nicht mehr. Sie provozieren erstmal Widerwillen und Ablehnung. Man müsste die Leute erst einmal überzeugen, bevor man eine Verhaltensänderung erwarten kann (ja, ich weiß, die Verschwörungstheorien sind ein großes Problem in Deutschland, trotz Trump). Aber das haben unsere Politiker, vor allem die von CDU u. CSU noch nicht begriffen. Deshalb müssen diese Parteien zerstört werden, und sie werden es auch gerade und auch das ist gut so.

Fr 26.03. Frankston (Km 34.625)

Melbourne liegt am Nordufer einer großen Bucht mit etwa 50 km Durchmesser, der Port Phillip Bay, ein idealer Platz für einen Hafen. Aber dass die Stadt so groß geworden ist liegt daran, dass sie hier und in der Nähe eine Menge Gold gefunden haben. Ich bin seit Donnerstag früh wieder unterwegs und weil mir die 4000 km nach Perth noch zuwenig sind, umrunde ich diese Bucht vorher noch. Jetzt bin ich auf der Ostseite, das andere Ufer kann ich nur erahnen, nicht wirklich sehen. Auf der Suche nach einem Schlafplatz habe ich mich in eine Schlucht verirrt, am Sweetwater Creek. Ein wunderschöner Fußweg mit vielen Treppenstufen, steile Wände, für meinen Anhänger, besser gesagt für mich eine anspruchsvolle Aufgabe, aber viel zu steil, um ein Zelt aufzustellen. Es wurde schon finster, da begegnete mir ein Mann der den Anblick, wie ich mich abmühte nicht ertragen konnte. Er ließ es sich nicht nehmen, mir den Rest dieser Treppe hinaufzuhelfen. Ich bin gar nicht scharf auf solche Hilfe, es wird dann immer ziehmlich hektisch. Die nehmen immer das hintere Ende meiner Box und rennen die Treppe hinauf und schieben mich vor sich her. Ich muss rückwärts die Treppe hinaufstolpern, das geht zwar schnell, ist aber noch viel anstrengender. Manche lassen sich abwimmeln, der nicht. Nachher hat er sich aber doch noch als hilfreich erwiesen, er entpuppte sich als leidenschaftlicher Langstrecken Radfahrer und erfahrener Wildcamper. Auch in Victoria ist das ja eigentlich verboten, aber wir wissen beide, das kann und will niemand kontrollieren. Er wusste einen sehr gut geeigneten Platz für mich in der Nähe und führte mich dorthin. Er sah nicht aus wie jemand, der dann später, wenn ich schlafe, zurückschleicht um mich auszurauben. 

Sa 27.03. Safety Beach (Km 34.651)

Er kam natürlich nicht zurück, da war ich mir sicher. Ich habe das nur für die ängstlicheren meiner Leser geschrieben, mit der Absicht, ihnen zu zeigen, dass sie sich wieder umsonst Sorgen gemacht haben.😄

Heute habe ich eine Botschaft an meine tasmanischen Leser. Ihr erinnert euch sicher an Hrisanthi. Ich habe sie in der letzten Woche in Tasmanien besucht. Sie hat mir mitgeteilt, dass sie sich entschlossen hat, für das tasmanische Parlament zu kandidieren, die Wahlen sind kurzfristig am 1. Mai angesetzt. Für meine neuen tasmanischen Freunde möchte ich versuchen zu erklären, warum ein Mann eine Feministin wählen soll. Sie kämpft für die Gleichberechtigung von Mann und Frau, und das ist keine Bedrohung, sondern eine Chance für uns Männer, von den überholten patriarchalen Vorstellungen wegzukommen. Die machen uns doch nur einsam, führen zu Fehlentscheidungen und sind eine Plage für die Bevölkerungsmehrheit, die Frauen und Kinder. Ich habe schon oft gehört, dass Männer ihre Privilegien leugnen, aber immer noch verdienen Frauen weniger Lohn für die gleiche Arbeit, werden im Wettbewerb um einen Job benachteiligt, können sich nicht sicher sein, wenn sie abends nach hause gehen, dass sie auch lebend dort ankommen, müssen sich belästigende oder beleidigende Kommentare anhören, oder sich begrapschen oder gar vergewaltigen lassen. Und das ist auf der ganzen Welt so, nicht nur in Indien oder in Afrika, nein, genauso in Deutschland oder in Australien. Ehrlich: kein Mann würde so leben wollen. Aber wir nehmen es als selbstverständlich hin. Was sagen wir denn den Töchtern, wenn sie die gleichen Rechte fordern die die Söhne haben? Das geht nicht, weil du "nur" ein Mädchen bist? Oder weil die Welt/die Männer böse ist/sind? Das Patriarchat ist eine Schande für die Menschheit im 21. Jahrhundert. Deshalb: Hrisanthi for president, oder for gouvernor!

So 28.03. Sorrento (Km 34.676)

Während ich mein Zelt aufbaute, ging der Vollmond auf, ungewöhnlich weit im Norden, genau im Nordosten. Er kann auch im Südost aufgehen, soweit schwankt das, weil die Ebene seiner Umlaufbahn um die Erde ziehmlich schief zur Äquatorebene der Erde steht. So durchläuft er innerhalb eines Monats alle Möglichkeiten, die täglichen Unterschiede sieht man deutlich, man muss es nur beobachten, um die Himmelsmechanik etwas besser zu verstehen.


Heute hat es zum ersten Mal in dieser Woche nicht geregnet. Das kostet immer etwas Zeit, aber heute habe ich eine andere Ausrede, warum ich so langsam vorankomme. Zum ersten Mal seit langem habe ich mir eine Erkältung eingefangen. Ich bin fast krank. Vielleicht war das in Melbourne etwas zu wenig soziale Distanz?

Morgen fahre ich mit einer Fähre von Sorrento nach Queenscliff, sind nur 10 km.


Wer meinen Blog gelesen hat, der weiß, dass ich nicht nur ein Herz für Frauen habe, auch für alle unterdrückten, benachteiligten und armen, sogar für die ungebildeten Menschen dieser Welt, egal ob Frauen oder Männer, wenn sie unschuldig sind für ihre Situation. Ich kenne den Unterschied aus eigener Erfahrung, ob man ein Superstar oder ein Unberührbarer ist. Ich liebe diese Welt und das Leben, beide sind mir heilig und ich habe den, manche werden sagen, romantischen Wunsch, dass es allen gutgeht und sie glücklich sind. Dies sind unveräußerliche Menschenrechte, meine Meinung.

Mi 31.03. Geelong (Km 34.713)

Ich habe mich am Montag auf diese Fähre geschleppt, bemühte mich aber möglichst nicht krank auszusehen. Überall hängen Plakate: wenn Sie sich krank fühlen, kommen Sie nicht rein, gehen Sie zum Arzt und get testet (lassen Sie sich testen). Wenn man es glauben kann, dass Victoria jetzt Coronafrei ist, woher soll ich da Coronaviren haben? Es kann sich also nur um einen grippalen Infekt handeln. Sicherheitshalber benutzte ich meine Gesichtsmaske auf dem Schiff. 

Drüben habe ich gleich den nächsten geeigneten Platz für mein Zelt okkupiert, diesmal waren die Anforderungen an die Sicherheit viel höher, es war hellichter Nachmittag, und vielleicht muss ich morgen auch noch da bleiben. Da darf mich also auch tagsüber niemand finden. Wenn ich nur eine Nacht bleibe und im Morgengrauen wieder verschwinde, ist das Risiko natürlich viel geringer.

So war es dann auch, ich blieb den ganzen Dienstag und noch eine 2. Nacht dort, habe nichts gegessen, nur getrunken, und war heute früh wieder fit. Wer es nicht glaubt, sollte es wenigstens mal probieren, so ein Fastentag wirkt bei jeder Krankheit Wunder.

Man muss sich allerdings gegen seinen inneren Esser durchsetzen, dem gefällt das gar nicht. Wer dessen Existenz bezweifelt, muss sich nur mal selbst beobachten und seine inneren Kameraden, dann entdeckt er/sie vielleicht auch, wer bei ihm/ihr das Sagen hat.

Genau hier bin ich übrigens auf meinem Weg von der Great Ozean Road nach Melbourne durchgekommen, morgen überquere ich diese Straße nach Westen.


Das ist ein Banksia Baum, die Blüten (etwa 10 cm hoch) stehen wie Weihnachtskerzen auf den Zweigen. Es gibt sie auch in rot und in Buschform, sie wissen es nicht genau, aber es soll 90 verschiedene Arten geben, nur in Australien und auf Tasmanien.

Es gibt einen international agierenden und provozierenden Street Art (Graffiti) Künstler, der inzwischen höchstes Ansehen erlangt hat, zu Recht, der nennt sich Banksy. Was er damit meint, habe ich noch nicht rausgefunden. Bis heute weiß auch noch niemand, wer sich hinter diesem Pseudonym versteckt.

Fr 02.04. Cressy (Km 34.771)

Die vielen netten und freundlichen und verständnisvollen und klugen Menschen aus der ganzen Welt, die ich hier inzwischen kennengelernt habe, haben meine Meinung über Australien und "die Australier" sehr verbessert, aber heute ist sie wieder abgestürzt, ins Bodenlose!

Die Farmer verbrennen immer noch die Pflanzenreste ihrer abgeernteten Stoppelfelder. Die Luft ist trüb, stinkt nach Rauch und kratzt im Hals, genauso, wie ich es in Thailand und Laos erlebt habe. Aber hier ist meine Toleranzschwelle für solche Klimaverbrechen 10 mal niedriger. Der pro Kopf Ausstoß an CO2 ist hier 4 mal so hoch wie in Thailand und 30 mal so hoch wie in Laos. Australien ist fast ganz oben in der Liste der reichsten Länder, aus der ganzen Welt pilgern junge Leute hierher um zu studieren, sie sollten es besser wissen und besser machen! Es wundert mich überhaupt nicht, dass das eine oder andere Feuer manchmal außer Kontrolle gerät. Es gibt kaum noch Wälder in Australien, außer auf landwirtschaftlich nicht nutzbaren Böden wie Berge oder Sümpfe, Bachauen und Flussufer. Ich verstehe auch langsam, dass ihre katastrophal rücksichtslose Art zu wirtschaften zum ökologischen Kollaps führt. Sie greifen in die natürlichen Kreisläufe ein und verändern diese und schaffen sich immer mehr, neue Probleme. Nein, nicht nur sich, sondern der ganzen Welt. Fürs Klima gibt es keine Grenzen.

Auf diesem Planeten leben Kreaturen, die sich selbst Menschen nennen, sich als Krone der Schöpfung bezeichnen, als herausragendes, leuchtendes Juwel in der Fauna dieses Planeten. Aber sie begreifen nicht, dass sie ihre eigenen Lebensgrundlagen zerstören und die der ganzen restlichen Fauna und Flora, obwohl ihre Wissenschaft es ihnen seit 50 Jahren sagt.

Sa 03.04. Berrybank (Km 34.799)

Dies ist hier Farmland, alle 2 bis 3 km ein Bauernhof. Aber sie haben eine Stadthalle. Und eine Windfarm, so nennen sie das hier. Direkt daneben liege ich jetzt in meinem Zelt, auf halber Strecke zwischen der Straße und den ersten Windturbinen, ich schätze, es müssen 50 Stück sein. Der Verkehr ist jetzt sehr ruhig, vielleicht alle 10 Minuten ein Kraftfahrzeug. Am lautesten sind die Grillen, Tagsüber und Abends sind es die Vögel, aber jetzt um 23:00 scheinen sie schon zu schlafen. In der Dämmerung machten sie noch einen Höllenlärm. Von den Windturbinen höre ich nichts, obwohl sie laufen und die nächste höchstens 100 m entfernt ist, weder Infra- noch Ultraschall. Ah, jetzt weiß ich, warum die Vögel verstummt sind. Sie sind inzwischen alle kleingehackt.

So sehr sich die australische Regierung auch bemüht, die Energiewende zu verschlafen, haben die Erneuerbaren hier inzwischen einen Anteil am Energiemix von etwa 20% erkämpft. Gegen die Fakten ist die schlimmste Narkolepsie am Ende doch machtlos. Fakt ist, dass Wind- und Sonnenenergie so billig geworden sind, da ist ihre Dreckskohle schlicht nicht mehr konkurrenzfähig und die Atomkraftwerke schon gar nicht. Solarpaneele werden auch vom Staat gefördert, nicht weil sie ihre Meinung geändert haben, sondern weil der Druck der Wähler zu groß geworden ist.

Mo 05.04. Mortlake (Km 34.865)

Am Sonntag früh waren die Vögel dann doch wieder da. Der Wind hatte aufgefrischt und da hörte ich doch ein leises Rauschen, so wie der Wind auch in den Blättern der Bäume rauscht. Für meine nicht-europäischen Leser muss ich kurz erklären, warum ich das so ausführlich beschreibe: Deutschland rühmt sich selber immer als Vorreiter und Marktführer in Umweltschutz Technologie. Sie machen tatsächlich vieles richtig, aber ein einflussreicher Teil der Regierungsmitglieder ist immer dagegen, will keine Energiewende, sondern die alte, fossile Wirtschaft noch möglichst lange am Leben halten. So kommen mit jeder Verbesserung immer auch ein paar Verschlechterungen mit, Begrenzungen und andere Hindernisse. Doch damit nicht genug, auch in der Bevölkerung ist die Meinung geteilt, die meisten wollen weg von der schmutzigen fossilen Energie, hin zu den Erneuerbaren, das heißt Windräder und Solarstrom, aber viele wollen das nicht vor der eigenen Haustür. Sie wollen keine Atomkraftwerke mehr, keine Kohlekraftwerke, aber auch keine Windräder in Sichtweite, keine Solarparks und keine Stromleitungen, die ihnen den Strom dann halt von woanders herbringen. Aber selbstverständlich muss die Stromversorgung gesichert sein. Jedes Milchmädchen sieht, so funktioniert das nicht. Die Deutschen, nein, nur ein Teil von ihnen, sieht das nicht. Wenn jemand ein Windkraftwerk bauen will, dann wird er mit einer Klageflut vor den Gerichten konfrontiert, mit Argumenten wie: die machen zuviel Lärm, oder dieses Geräusch hat eine krankmachende Frequenz (Infraschall), oder die Rotorblätter zerhacken die Vögel.

Di 06.04. Hexham (Km 34.884)

Hier bin ich auf Einladung von einem älteren Ehepaar, Joe (77) und Maria, 2 liebenswerte Menschen. Im englischen hat der Ortsname keine lustige, tragische oder bedrohliche Bedeutung, hat auch nichts mit einem Sechseck zu tun, viele Einwanderer haben einfach den Namen ihres alten Heimatortes mitgenommen, in dem Fall aus England. Viele Häuser, sogar die meisten, stehen leer und verfallen, es gibt noch eine Handvoll Menschen hier. Das größte Haus im Dorf war mal ein Hotel, Maria erzählte mir Geistergeschichten daraus, die ihr die letzte Bewohnerin, Mrs.Green, erzählt hatte. Es war aber ein gutmütiger Geist.

In der Gegend gibt es auch wilde, besser gesagt verwilderte Pferde. Ausgebüchst, in einem bekannten Fall auch absichtlich freigelassen, der Farmer war pleite, ist weggezogen und konnte sie nicht mitnehmen. Manchmal wird auch wieder eins eingefangen, dann muss man sie erst wieder an Menschen gewöhnen, mühsam ein Vertrauensverhältnis aufbauen. Das macht Joe jetzt. Früher war er Geologe und hat großen Minengesellschaften geholfen, Metalle zu finden. 

Ich glaube, die Hälfte der Australier trinkt Regenwasser, das Grundwasser schmeckt ihnen nicht, Regenwasser, behauptet jeder der es trinkt, sei das beste. Bis auf wenige Ausnahmen haben sie ausgeprägte Regenzeiten. Hier im Süden ist das im Winter (Südwinter), in der Mitte u. im Norden im Sommer. Während der Trockenzeit regnet es kaum, außer in den el niño Jahren, da ist alles ganz anders. Jedenfalls hat jedes Haus riesige Regentonnen, überall in Australien, Joe und Maria haben 100.000 Liter insgesamt, auf mehrere Zisternen verteilt. Jetzt beginnt langsam die Regenzeit, im Südosten, in der Gegend um Sidney schon etwas früher, dort haben sie schon seit Wochen mit Überschwemmungen zu kämpfen.

Mi 07.04. Caramut (Km 34.905)

Mt. Elefant, so nennen sie ihn jetzt, bei den Aborigines hatte er sicherlich einen anderen Namen, in Australien gab es ja nie Elefanten. Dort war ich schon am Sonntag, aber da war die Verbindung zu schwach und dann hab ichs vergessen. Das ist ein Vulkan und es gibt hier viele davon. Angeblich sind die alle tot. Sagt Joe.

Ich muss noch von ein paar Begegnungen berichten: am Samstag  hatte ich wieder mal zu wenig Wasser, zum Glück sind die Farmen hier nicht soo groß, da kommt man doch ab u. zu an einem Haus vorbei. Ich ging also zu so einem Bauernhof hin, dort empfingen mich erstmal 5 Hunde. Kein Problem für mich, aber die machen einen Höllenlärm, so können sie sich die Türklingel sparen. Mein souveräner und freundlicher Umgang mit den Hunden macht immer einen sehr guten Eindruck, das ist wie eine Eintrittskarte. Ich fragte also nach Wasser und erklärte auch gleich warum, und bekam zusätzlich eine Dusche, ein Mittagessen, ein Glas Wein, eine Tasse Kaffee und noch eine Tüte Reiseproviant mit Tomaten, belegten Broten und 3 Gläser Apfelkompott. Ihr seht, ich lebe wirklich im Paradies, sogar in Australien. Seit ich herausgefunden habe, wie einfach und angenehm das ist, schleppe ich nicht mehr soviel Wasser mit. Ein andermal, da war der Besitzer gerade am Rasenmähen, fragte ich auch nach Wasser, er wollte dann alles wissen und ich gebe ja gern Auskunft, wenns nicht 100 mal am Tag ist. Dann ging ich weiter. Eine halbe Stunde später hielt ein Auto neben mir, eine Frau stieg aus und stellte sich als die Ehefrau des Freizeitgärtners vor. Sie gab mir auch 3 wunderschöne rotbraune Tomaten aus dem eigenen Garten. 

Manchmal komme ich mir vor wie unter den Murmeltieren. Ihr wißt schon, jeden Tag die selben Fragen, jeden Tag aufs neue dieselben Antworten. Natürlich fängt man irgendwann an zu spielen und zu experimentieren, findet Formulierungen die Heiterkeit auslösen, ich kann auch übertreiben und auf den Putz hauen oder lügen, dass sich die Balken biegen. Nur zum Spaß, sonst wirds zu langweilig.

Am Donnerstag letzte Woche, das war der 01. April und das ist nicht gelogen, auch kein nachträglicher Aprilscherz, kam mir ein Auto entgegen, wendete hinter mir und blieb dann neben mir stehen. Eine Frau stieg aus und stellte sich als Deborah de Williams vor. Sie ist Ultramarathonläuferin und Weltmeisterin im all Australia Rundlauf. Schon 2004 ist sie einmal rundum gegangen und 2010 dann erfolgreich gelaufen. Sie ist auch ein besonderes Beispiel dafür, was für harte Hunde (das ist in Deutschland das höchste Lob) Läufer/innen sein können. Schon 2008 versuchte sie es zum erstenmal, musste aber in Darwin verletzungsbedingt aufgeben. Sie hatte einen Hund dabei, der kam ihr unglücklich in die Quere, sie stürzte und brach sich irgendwelche Knochen in beiden Füßen, und das war 864 km vor Darwin. Erst die Diagnose dort hat sie bewogen aufzugeben. Kann man alles im Internet nachlesen. Leider haben wir keine Telefonnummern ausgetauscht, ich gab ihr aber meinen Blog. Ich versuchs mal auf diesem Wege: liebe Debbie, falls du das liest, könntest du dich mal bei mir melden? Meine Kontaktdaten findest du auf dieser Seite ganz oben im Bericht vom 19. März. Ich hätte noch ein paar dringende Fragen.

Fr 09.04. Hamilton (Km 34.959)

Auch die vielen Einladungen kosten Zeit/km.

Es herbstlt. Aber bisher sehe ich nur aus Europa eingeführte Baumarten wie diesen Ahorn, Apfelbäume und Eichen, die ihre Blätter bunt färben.

Mo 12.04. Mumbannar (Km 35.050)

Die meisten  Häuser in Australien sind aus Holz gebaut. Genauer gesagt in Holzrahmenbauweise. Beidseitig mit Brettern oder Holzplatten beplankt, manchmal außen auch mit Wellblech, innen mit Gipskarton, dazwischen, je nach Standort, eine Isolierung. Im fertigen Zustand sieht man es ihnen meistens nicht an. Die Fenster haben neuerdings sogar schon Doppelverglasung, zumindest in Victoria und Tasmanien. Viele Häuser haben einen Holzofen, andere nur elektrische Heizlüfter oder Heizstrahler, was bei dem dreckigen Strommix ökologisch schlecht ist. Es gibt auch Klimaanlagen, die man andersrum als Heizung benutzen kann, was nichts anderes ist, als eine Wärmepumpe und da ist die CO2 Bilanz schon besser.

Wenn ich auch oft über die Kälte geklagt habe, ist der Winter sogar auf Tasmanien viel milder als in Deutschland, Schnee gibts nur in höheren Lagen, der Sommer war kälter. Zumindest der letzte.

Ich habe sogar ein Beweisfoto:

Das war in Devonport, Nordküste von Tasmanien. Dass dort der Sommer relativ kühl ist, liegt an der Nähe zur Antarktis, dass der Winter trotzdem mild ist, liegt am umgebenden Meer. Der Wärmeaustausch zwischen Luft und Wasser ist doch ein starker Faktor. Bei Nordwind kann die Temperatur in Victoria im Sommer über 40⁰ erreichen, auf Tasmanien höchstens 30. Die Differenz hat die Bassstraße geschluckt, obwohl die nur gute 200 km breit ist.

Die letzten Tage war wieder Südwind, mit häufigen kurzen Regenschauern, gestern war der kälteste Tag mit 7 bis 13⁰, heute hat sich der Wind wieder gedreht und schenkte mir angenehme 17⁰. Im Schnitt dreht der Wind alle 3 Tage. Für morgen sagt der Wetterbericht sogar 21⁰, dann gehts wieder abwärts. So zeigt der Temperaturverlauf eine Zickzack Linie, so krass habe ich das noch nirgends erlebt. Aber ich werde mich daran gewöhnen. Die Südküste von Port Augusta bis Perth liegt schon 700 km weiter im Norden als Melbourne, aber auf dem Weg wirds unweigerlich Winter und dann kann es dort bis unter null Grad kalt werden. Zum Glück geht das langsam, da habe ich Zeit, meine Ausrüstung evtl. zu ergänzen.

Süd Australien

Di 13.04. Mt. Gambier (Km 35.088)

Hier war ich letztes Jahr zu Weihnachten schon mal, auf dem Weg von Adelaide nach Melbourne. Gestern habe ich die Grenze nach Süd Australien überquert. Ausnahmsweise muss ich doch nochmal ein Stück zurück gehen (1000 km bis Port Augusta), wenn ich nach Perth will.

Jetzt bin ich bei Kevin Hein. Einer meiner deutschen Freunde ist irgendein angeheirateter Verwandter von ihm und er hat ihm von meiner Weltreise erzählt und dass ich grad in der Nähe bin. Das interessierte ihn und er wollte mich, wenns geht, gerne kennenlernen. So kam diese Einladung zustande. Danke, Stephan, das ist auch für mich ein interessanter Mensch. Er hat in seiner Jugend (das war vor 60 Jahren) mal 6 Jahre in England gelebt und gearbeitet und hat in dieser Zeit einmal eine 6 monatige Fahrradreise durch Europa gemacht. Bis nach Italien. Dabei standen weniger sportliche als vielmehr historische und kulturelle Interessen im Vordergrund. Er schrieb darüber ein Buch, einen 460 seitigen Wälzer, in dem er seine persöhnliche Geschichte mit der von Europa und Australien in Zusammenhang bringt. Ich konnte es nur überfliegen. 

Ihr habt es schon erraten, inzwischen ist er 90 Jahre alt, geistig fit wie eh und je, gesundheitlich, wen wunderts, nicht mehr so ganz.

Er hatte bei diesem Foto Bedenken, er meinte er sieht ugly (hässlich) aus. Ich widersprach, ob jemand schön oder hässlich ist, hängt von seinen inneren Werten ab und von seinen geistigen Fähigkeiten.

Mo 19.04. Padthaway (Km 35.264)

In letzter Zeit hatte ich meistens kein Internet oder es war zu schwach. Oder ich war verletzt und konnte das Handy nicht halten. Die linke Hand, weil ich mit der rechten tippe. Zuerst verlor ich mein Küchenmesser und bemerkte es erst nach 20 km. Zurück gehen lohnte sich nicht, so teuer sind die nicht, außerdem ist es unsicher, ob ich es finde. Dann habe ich mir an einem abgebrochenen Ast den linken Handrücken verletzt, hat ziemlich stark geblutet. Am nächsten Tag dasselbe nochmal, in der selben Wunde. Wenn ich im Wald schlafe, muss ich meistens erst Platz schaffen, ein paar dürre Äste abbrechen und vom Boden wegräumen. Wenns derweil finster wird, übersehe ich die abgebrochenen Stumpen leicht. Beim zweiten mal streifte ich einen Ast im Vorbeigehen. Natürlich hatte ich auch kein Verbandmaterial, und das war mitten in der Pampa. Erst am nächsten Tag erreichte ich wieder einen Ort, dort gabs aber auch nichts. Dafür fand ich ein neues Küchenmesser, 4,-$. Am Abend wieder ein Schlafplatz im Wald. Manche Bäume haben sehr zähes, elastisches Holz, da muss man den Ast schon 5 mal hin und her brechen, bis er endlich losläßt, mit meiner verletzten Hand schwierig. Ich dachte, ich kann mit dem neuen Messer nachhelfen, und wies der Teufel will, ich war sicher nicht vorsichtig genug, habe ich mich in die Hand geschnitten. Ich weiß nicht genau, wie es passierte, aber es ging ziehmlich tief. Ich konnte wie in Zeitlupe beobachten, wie die superscharfe Klinge in meinem Fleisch versank wie in Butter. In der Mitte zwischen Daumen und Zeigefinger, wieder die linke Hand. Ich fand bei meiner sauberen Wäsche ein Tuch, damit konnte ich mich notdürftig verbinden, habe mit einem Klebeband Daumen und Zeigefinger aneinandergefesselt, damit die Wunde nicht bei jeder Bewegung auseinanderklafft. In dem Zustand mein Zelt aufzubauen, inzwischen war es auch stockfinster, nicht mal Mondlicht, war schon eine Herausforderung. Aber ich schaffte es. Am nächsten Tag fand ich dann einen Laden, der auch Verbandmaterial hatte.

So sieht diese Hand jetzt aus. Aber das verblüffendste war, wie wenig Schmerzen das alles verursacht hat. Und so laufe ich jetzt schon 2 Tage rum, morgen will ich mal nachsehen, was die Heilung macht. Die Pechsträhne war aber noch nicht zu Ende, heute habe ich mein Handy verloren, 5 km vor Padthaway. Ich habe eine Jacke ausgezogen, weil es zu warm wurde, und legte das Handy oben auf meine Box, da kann ich es nicht vergessen, dachte ich. Dann verstaute ich die Jacke in der Box, beim Öffnen des Deckels fiel das Telefon hinten runter und ich habs nicht bemerkt. Erst in Padthaway, als ich Brot kaufen wollte, sah ich, dass mein Handy fehlt. Mir war der Ablauf sofort klar, ich wusste auch genau, wo es passiert ist. Ich erzählte es dem Shop Inhaber, Brot hatte er nicht, konnte meinen Anhänger dort lassen und zurück laufen. Und genau dort fand ich es auch, unversehrt. Meine größte Sorge war, dass jemand drüber fahren könnte. 

Di 20.04. Willalooka (Km 35.281)

Hier wollte ich eigentlich zu Mittag schon sein, aber es hat den ganzen Vormittag geregnet, da konnte ich mein Zelt nicht abbauen. Mein toller Zeltplatz hatte einen anderen Nachteil. Er war sehr gut versteckt, war sehr planmäßig eben, aber die wunderbar grasbewachsene Erde war nur 5 cm dick. Darunter vermutlich eine alte Straße. Kein Durchkommen für die Heringe, die im Laufe der Nacht langsam nachgaben. Wegen fehlender Spannung berührte die äußere Haut die innere, diese wurde dann auch nass, so dass es ins Zelt tropfte. Hielt sich aber in Grenzen, zum Glück regnete es nicht so stark und nicht so lange, so blieb mir eine Katastrophe erspart.

Dieses Prachtexemplar hat etwa 10 cm Beinspannweite und ist farblich perfekt angepasst an die Rinde des Baumes, auf dem sie sitzt. Da wirds selbst mir ein bisschen gruselig und ich halte vorsichtshalber etwas mehr Sicherheitsabstand.

Mein Kältetraining funktioniert übrigens. Vorgestern früh hatte es 6⁰ und ich fand es überhaupt nicht schlimm. Im August/September habe ich noch Höllenqualen gelitten bei solchen Temperaturen und ich hatte befürchtet, meine Fähigkeit zur inneren Wärmeproduktion sei in den letzten 2 Jahren endgültig ausgestorben. Morgen früh sagt der Wetterbericht +3⁰ voraus. Macht mir keine Angst mehr.

Ja und meine Hand sieht gut aus. Ich hab die Wunden wieder abgedeckt, kann meinen Daumen und den Zeigefinger aber frei lassen, so ist das schon viel besser.

Willalooka ist weniger als ein Dorf, das Beste ist der Rastplatz. Es gibt Toiletten wie üblich, hier aber mit Dusche und sogar mit warmem Wasser, umsonst! Hier gabs auch Brot. Ersatzweise habe ich immer Haferflocken dabei, nur die gibts zuckerfrei, und genügend Nüsse. Alle anderen Frühstückscerealien und davon gibt es gefühlt 100 Sorten, sind gezuckert und das nicht zu knapp. Als hätten sie noch nie von den Nachteilen des übermäßigen Zuckerkonsums gehört. Oder sie ignorieren es frechdreist, wohl wissend wie blöd der durchschnittliche Konsument ist.

Mi 21.04. Keith (Km 35.317)

Es wurde noch kälter, +1⁰ um 06:00 Uhr früh. Ich habe eine warme Jacke und dicke Socken und 3 Hosen, so kann ich gemütlich frühstücken. In Mt. Gambier habe ich mir wieder ein paar neue Laufschuhe gekauft (Nr 23, ihr seht, ich habe schon ein Vermögen für Schuhe ausgegeben), die sind für mich am besten geeignet, fühlen sich zumindest so an, wieder im selben Laden wie beim letzten Mal vor Weihnachten. Vorsorglich wählte ich eine halbe Nummer größer, damit ich auch warme Socken anziehen kann.

So 25.04. Tailem Bend (Km35.448)

Wenn es wärmer als 15⁰ ist, sind die Fliegen wieder da. Und je weiter ich nach Norden komme, desto schlimmer wird es. Ich habe Leute getroffen, die sagen, das sei die Folge des desaströsen Umgangs mit der Natur, alles ist aus dem Gleichgewicht, viele Arten sterben aus, andere vermehren sich uferlos. Die Indizien sprechen für diese These.

Ich habe mich schon ein paarmal mit Leuten gestritten, über den Klimawandel. Einige sagen, Australien erzeugt viel weniger CO2 wie Deutschland (halb so viel) und im Vergleich zu China fällt das überhaupt nicht mehr ins Gewicht. Es nützt also nichts, wenn sie ihren Ausstoß verringern. Deutschland hat aber 3½ mal so viele Menschen und wenn man den pro Kopf Ausstoß anschaut, hat China immer noch weniger als wir und Australien das doppelte. Wir würden also sagen, wer mehr erzeugt soll auch mehr sparen. So argumentiert jeder, wie es für ihn am bequemsten ist und es geschieht weiterhin nichts oder viel zu wenig. Wohin soll das führen? Wir warten schon viel zu lange darauf, dass die anderen es richten. Aber die neueste Entwicklung in den USA und in Deutschland machen mir wieder etwas mehr Mut und Zuversicht, dass es vielleicht doch noch zu schaffen ist. Was der "sleepy Joe" Biden in kürzester Zeit repariert, verändert und angekurbelt hat, finde ich beachtlich. Das zwingt sogar die Chinesen zu mehr Anstrengungen. Schon jetzt steigern sie ihren erneuerbaren Strom so stark, wie die restliche Welt zusammengenommen. Trotzdem, glauben sie immer noch, sie könnten ihren Treibhausgas Ausstoß noch bis 2030 weiter erhöhen.

Die deutsche Regierung sieht auch langsam, dass sie etwas mehr tun muss, die Entscheidung der Grünen für Annalena Baerbock war wie ein Tritt in ihren Hintern. Und die Kritik der alten Männer wird ihre eigene Lage nur weiter verschlimmern. Was sie bisher zum größten und dringendsten Problem des Planeten geleistet haben, ist einfach nur erbärmlich. Das kann sie allemal besser, da habe ich keine Zweifel und eine wachsende Mehrheit in der Bevölkerung auch nicht.

Di 27.04. Monarto (Km 35.493 / H 140m)

Gestern kam ich nach Murray Bridge, der Ort heißt so, weil es da eine Brücke über den Murray River gibt. Nein zwei. Links ist die Eisenbahnbrücke. Ganz am Ende ist der Fluss, aber die Ausmaße der Brücken zeigen, dass er auch ganz anders kann. Das ist die einzige größere Stadt zwischen Mt. Gambier und Adelaide. Seit Tagen bin ich wieder auf der Suche nach einer neuen Gasflasche für meinen Kocher und hier hoffte ich, endlich fündig zu werden. Es war Montag nachmittag, aber außer den großen Supermärkten hatten fast alle Läden dicht. Und diese Gasflaschen haben in Australien nur Camping- oder Hardwareshops (Eisenwaren). Irgend ein aufmerksamer Passant klärte mich schließlich auf, dass heute (gestern) Feiertag ist. So beschloss ich, bis morgen da zu bleiben und fand einen schönen Übernachtungsplatz am Fluss. Jetzt habe ich meine Gasflasche, der Frühstückskaffe morgen ist also gesichert. Heute nachmittag wurde es wieder so warm, dass ich meine kurze Hose ausgegraben habe, aber frühmorgens hats zur Zeit bloß erträgliche 6⁰.


Dieser Feiertag gestern war der ANZAC day. Das ist ein militärischer Gedenktag, weil an diesem Tag im Jahr 1915 australische und neuseeländische Truppen im Auftrag des britischen Empires auf Gallipoli gelandet sind, das ist eine türkische Halbinsel zwischen Mittelmeer und Marmarameer. England wollte das osmanische Reich erobern, sie haben aber die Gegenwehr unterschätzt und sind gescheitert. Diese Schlacht hat auf beiden Seiten je um die 50.000 Tote gefordert und ist seitdem sowas wie ihr Stalingrad. Aus meiner Sicht ein völlig sinnloses Opfer.

Fr 30.04. Aldinga Arts Eco Village (Km 35.553)

Der Reihe nach:

Das ist Kieran. Zuvor hat mich aber Dominik auf der Straße aufgegabelt, das war am Dienstag abend. Er ist Ire, von ihm hab ich aber leider kein Bild. Der hat mich in den letzten Tagen 4mal an weit auseinanderliegenden Orten gesehen und dachte auch zuerst, ich wäre ein Flaschensammler. Heute erkannte er, dass dies wohl nicht möglich ist, die gehen nicht so weit. Ich muss also ein Traveler sein. Er nahm mich mit nach Hause (10 km weiter), er hat eine Familie mit 3 Kindern, zum Abendessen kam dann noch ein Freund, Kieran. Wir haben dann ausgehandelt wer mich bekommt und entschieden uns für ihn. Er ist Farmer, seine Familie ist schon auf 25 Personen angewachsen, aber er lebt inzwischen allein in seinem riesigen, luxuriösen Haus, also wieder zurück nach Strathalbyn. Bei diesem Lebensstandard wundert mich der hohe CO2 Ausstoß der Australier nicht mehr. Am nächsten Morgen brachte er mich wieder zurück zu Dominik und sogar noch ein paar Kilometer weiter, natürlich mit einem fetten SUV, in den mein Anhänger reinpasste,ohne irgendetwas abzubauen. Er war aber sehr nett und freundlich und begeistert über mein Abenteuer.

Von da waren es nur noch 25 km bis hierher, ich hatte mich mit Kylie für Donnerstag abend verabredet, bei ihr war ich anfang Dezember schon mal, auf meinem Weg nach Melbourne. Nie im Leben hätte ich geglaubt, dass ich nochmal zurück komme. 


Mein Anhänger gibt langsam den Geist auf, er bekommt immer mehr Probleme, ich hatte vergessen zu erwähnen, 

So 02.05. Aldinga Village

An der Stelle wurde ich unterbrochen und als ich weiterschreiben wollte, kam ich nicht mehr rein, in meinen Jimdo account. Das hat mich und den Reinmund etliche Stunden gekostet, bis nach vielen Versuchen schließlich eine Neuinstallation der Jimdo App zum gewünschten Erfolg geführt hat. Jetzt läuft wieder alles normal, wie gewohnt. Nochmal meinen herzlichen Dank an Reinmund. Und alle, die an meiner Reise interessiert sind, können sich ebenfalls bei ihm bedanken, ohne ihn gäbe es diesen Blog überhaupt nicht.


Fortsetzung vom Freitag:

Ich hatte vergessen zu erwähnen, dass in der Woche meiner Pechsträhne auch noch die Achse meines Anhängers gebrochen ist. Ich hab sie notdürftig mit einem Ast verstärkt, mit Hife von Klebeband und Schnürsenkeln und es hat gut gehalten bis hierher. Und danach gab es kein Missgeschick mehr bis heute.

Nun muss ich gestehen, warum ich überhaupt hierher zurück gekommen bin. Kylie hat mir angeboten, wiederzukommen und zu bleiben, so lange ich will. Hier in diesem Village ist soviel Spezialwissen, ökologisches Denken, alternative Ideen, Begeisterungsfähigkeit, soziales Interesse, auch sportliches Verständnis und noch vieles mehr konzentriert. Viel viel mehr, als ich irgendwo sonst auf dieser Hälfte der Welt gesehen habe. Ich hatte also gehofft, hier die Hilfe zu finden, die ich brauche, um eine für mich spektakuläre Idee zu verwirklichen, die seit der Begegnung mit Deborah de Williams in mir gereift ist: ein Weltrekord im Umrunden des australischen Festlands. Von Adelaide nach Adelaide 13.000 bis 18.000 km, je nachdem, welche Route ich wähle, innerhalb eines Jahres. Das haben schon einige gemacht, wie z.B. Deborah. Die meisten, auch sie, hatten ein Unterstützer Team dabei, sie mussten also kein Gepäck mit schleppen oder -ziehen. Aber 7 Menschen insgesamt haben den Weg "unsupported" das heißt alleine bewältigt. Ich wäre der 8. und vermutlich der älteste, meine Altersklasse (M70) hab ich also schon so gut wie gewonnen. Dazu muss ich aber meinen Anhänger umbauen. Ich brauche mehr Stauraum und er muss mehr Gewicht vertragen ohne dass die Achse bricht. Das mach ich mit einem 3. Rad, vorne. Ich denke, dass ich für die längsten Etappen mindestens 50 Liter Wasser mitnehmen muss und mehr Lebensmittel, ich komm dann auf weit über 100 kg. Wenn dann ein Berg kommt ist Schluss, das schaffe ich dann nicht mehr. Ich will also einen E-Bike Nabenmotor ins Vorderrad einbauen, der mir zumindest bergauf hilft. Und Solarpaneele auf der Box, die den Akku wieder aufladen.

Meine Vermutung bestätigt sich, es gibt hier Leute, die mich mit Rat und Tat unterstützen, mir bei der Beschaffung der erforderlichen Teile und Materialien helfen, die wissen, wer was weiß und kann und mit wem ich reden muss, die persöhnlich zu meinem Erfolg beitragen wollen und auf diese Weise doch zu einem Unterstützerteam werden. Bis jetzt läuft es sogar viel besser, als ich gehofft habe. Ich sehe voller Demut, wieviel ich anderen Menschen zu verdanken habe. Diese Runde um Australien mache ich jetzt nicht mehr nur für mich, sondern auch für alle, die mir dabei helfen, auch für meine Leser, die mir Erfolg wünschen.

Mo 10.05. Aldinga

Mein Anhänger ist fast fertig, natürlich aus Holz, die Box ist aus Plastik, eineinhalb mal größer als die alte. Über alles stülpe ich einen Sonnen- und Regenschutz aus einer weißen LKW Plane, obendrauf sitzt das Solarpaneel. Das Vorderrad ist von einem Kinderfahrrad, den Rahmen abschneiden knapp hinter der Gabel/dem Steuerrohr und eine Blechplatte anschweißen, das macht grad ein Fahrrad Spezialist hier im Dorf. Ich zeige euch ein Foto, wenns fertig ist. Motor und Zubehör sind bestellt, kann noch bis zu einer Woche dauern.

Das ist der Deep Creek am Ende der Halbinsel hier im Süden. Dort gibt es einen Wanderweg, 12 km, es sind sogar ein paar leichte Kletterpassagen drin. Wunderschöne Ausblicke aufs Meer und auf Kangaroo Island, und diese faszinierende Gondwana Flora. Für Kylie eine sportliche Herausforderung, die sie sich an ihrem Muttertag gegönnt hat (heute hat sie wie erwartet Muskelkater), für mich eine Gelegenheit, meinen Fitness-Status zu bewahren.

Das sind die sogenannten Grasbäume oder Yakkas. Anfangs sehen sie aus wie ein überdimensionales Grasbüschel, eine Halbkugel mit 2 m Durchmesser, der Stamm entsteht dadurch, dass die untersten Halme nach und nach abfallen. Sieht aus wie bei einer Palme, nur viel filigraner. Sie wachsen etwa 20 bis 25 mm pro Jahr und werden hunderte von Jahren alt, wie dieser hier, der hat sogar das große Feuer von 2019 überlebt, das auch hier gewütet und die Hälfte von Kangaroo Island verwüstet hat. Der Stamm ist äußerlich schwarz verkohlt.

Hier sah ich auch zum ersten Mal auf dem australischen Festland einen Echidna, ihr wisst schon, dieses eierlegende Beutel-Ursäugetier das unserem Igel zum verwechseln ähnlich sieht. Es gibt auch Beutelmäuse und -ratten, man darf sie aber nicht so nennen, das ist eine Beleidigung. Den richtigen Namen hab ich vergessen.

Do 20.05. Eco Village

Am Dienstag 1. Juni würde ich gerne weiter gehen.

Di 01.06. Eco Village

Ich bin immer noch da, aber morgen starte ich wirklich.

So sieht mein neuer Anhänger aus. Es ist eine Holzkonstruktion mit Plastikbox, im Vorderrad ist ein Nabenmotor für E-bikes. Wenn ich an der teleskopartigen Lenkstange ziehe, wird ein "Gas"hebel aktiviert und der Trolley folgt mir. Bergab verkürzt sie sich und er bremst.

Das war mein erster Versuch und ich musste erkennen, dass dies alles zu kompliziert ist. Seile sind gerissen, außerdem gehe ich nicht mit konstanter Geschwindigkeit, sie variiert bei jedem Schritt. Daraus folgt ein ständiges Gasgeben und Bremsen, fühlte sich unangenehm an. Beim zweiten Versuch hielt ich den Gashebel (engl. Throttle) in der Hand, das war schon besser, aber das Kabel stört, es wird zuviel bewegt, ich fürchtete, das wird nicht lange gutgehen. Und er reagiert sehr sensibel, so dass es schwierig ist, die Motorleistung genau zu dosieren. Dazu habe ich jetzt eine Schraube eingebaut, die ich mit der Hand betätigen kann. Veränderungen gehen nun sehr exakt, aber nicht mehr so schnell. Beim 3. Versuch hat mir die Lösung am besten gefallen. Außerdem kann ich diese Konstruktion am Gürtel befestigen und muss sie nicht mehr in der Hand halten. Alli sagte, auch daran muss man denken, wenn man älter wird.