BLOG 7 Georgien

Es ist Montag vormittag und ich bin immer noch in Achalziche. Fühle mich immer noch sehr schlapp. Ich glaube, ich mach mal wieder einen Ruhetag. 

Das ch sprechen die Georgier in beiden Fällen so aus wie die Schweizer. 

Noch ein paar Eindrücke vom Goderzi Pass. Das war kurz vorher, Westseite. 

Und das kurz nachher, Ostseite. Die Häuser dieser Bergdörfer sind durchwegs aus Holz mit Blechdach. Strom haben sie.

Mo 28.08. ? (km 3764)

Nachmittag ging es mir wieder so gut, dass ich doch weitergegangen bin. An Laufen ist noch nicht zu denken, die dabei auftretenden Erschütterungen sind einfach noch zu schmerzhaft (vom Sturz in der Türkei). Aus Erfahrung weiß ich, dass es mindestens 3 Wochen dauert. 

Seit dem späten Nachmittag regnet es immer wieder. Ich bin mitten in einem Ort, Ortsschild hab ich keines gesehen. Ich habe mich in das Wartehäuschen einer Bushaltestelle geflüchtet. Die Leute hier meinen, ich kann ruhig da schlafen, das ist sicher. Ich glaube, ich probier das mal aus. So mutig war ich bisher noch nicht. 

Di 29.08. Atskuri (km 3787)

So hat der Ort gestern geheißen. Ich war 10 km nach Achalziche immer noch in Achalziche. Die kleinen Dörfer sind bis hierher eingemeindet. Und aus der Nacht im Buswartehäuschen ist dann nichts geworden. Irgendwann sind die Leute heimgegangen, dachte ich jedenfalls, und habs mir auf einer Bank gemütlich gemacht. Die war lang und breit genug und horizontal eben, mit meiner neuen Isomatte, die ist immer noch wunderbar, war es sehr gemütlich. So blieb mir das Zeltaufbauen und die -platzsuche erspart. Es war inzwischen schon wieder dunkel geworden, und das erschwert die Suche nach einem geeigneten Schlafplatz. Die Dämmerung dauert hier gefühlt nur halb so lange, wie ich das von Mitteleuropa gewohnt bin, und findet zur Zeit so um 20:00 Uhr statt. Um 06:00 geht die Sonne wieder auf. Also ich kann noch nicht lange geschlafen haben, da wurde ich wieder geweckt, da stand einer der Opas von vorhin mit einer Taschenlampe vor mir und bedeutete mir mitzukommen. Da war es halbelf. Gegenüber war ein Brunnen und daneben stand noch eine Bank. Dort hatten sie, es waren 3, Essen aufgetischt. Brot, Wurst, Käse, Tomaten, Gurken, Zwiebeln und Schnaps. Ich wollte ja eigentlich mit Rücksicht auf mein Verdauungssystem heute nichts mehr essen. Aber ich hatte nicht die Wahl. Ein Nein zählt dort überhaupt nichts. Die Frauen wissen jetzt sofort was das bedeutet. Auch ich muss mir eine neue Strategie überlegen, wie ich mein Nein durchsetzen kann. An diesem Abend bin ich jedenfalls gescheitert. Der Schnaps, Arak nannten sie ihn, wird aus Wein gemacht, und war das scheußlichste was ich jemals getrunken habe. Und so stark, der würde jeden Bären und mich töten, aber keinen Georgier. Sie haben sich schon mit zivilen Schnapsgläsern begnügt, aber die mit einem Schluck geleert. Ich konnte nur kleine Schlucke nehmen und hatte das Gefühl, es verätzt mir Speiseröhre und Magen. Das zweite Glas habe ich heimlich unter die Bank entsorgt, und dann hab ich gestreikt. Jetzt musste ich mich durchsetzen, hier ging es um mein Überleben. Ich behaupte ja immer, dass ich einen Saumagen habe, der alles verträgt und in jeder Menge, das gilt aber nicht für Alkohol. Dagegen hat sich mein Körper schon immer gewehrt, und das ist mein Glück. 

Das Gemüse und der Käse waren super. Dieses Fress- und Saufgelage dauerte bis halbdrei. Bis dahin hatten die 3 die Schnaps Flasche geleert. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob es ein halber oder dreiviertel Liter waren.

Zwischendurch kam eine Gruppe junger Männer vorbei, 15 bis 20 Jahre alt. Die Alten stellten mich ihnen vor, und die hatten dann Fragen an mich. 2 von ihnen konnten immerhin so gut englisch, dass eine Kommunikation möglich war. Mit den Alten habe ich bis dahin mehr pantomimisch kommuniziert. 2 von ihnen konnten zwar ein paar Brocken deutsch, aber zu wenig um sich vernünftig unterhalten zu können.  Da war auch der Google Übersetzer zwecklos, weil keiner seine Brille dabei hatte. Sie waren zwischen 61 und 70 Jahre alt, alles Spezialisten und Ingenieure, alle seit ewigen Zeiten arbeitslos. Der vermutlich älteste und zerlumpteste von ihnen heißt Bondo, hat in seiner Jugend Fußball gespielt, hat mir eine Handvoll Städte in Deutschland aufgezählt in denen er damals gespielt hat und kann sich noch an alle Spielernamen der gegnerischen deutschen Mannschaften erinnern. Da war alles dabei, was Rang und Namen hatte. Später war er Schachgroßmeister und jetzt hat er keine Zähne mehr, raucht und hustet und säuft, dass einem Angst und Bange wird, und sein Essen kaut er auf der Felge.

Der jüngste der 3 heißt Bodzina, war mal Boxer und ist immer noch ziemlich kräftig.  Ich wollte mich wieder in mein Wartehäuschen zurückziehen, da meinte er, das kommt nicht in Frage. Ich soll mitkommen und kann bei ihm schlafen. Als wir dort ankamen, brannte Licht im Haus und der Fernseher lief. Ich dachte, seine Frau wartet auf ihn und als ich ihn danach fragte, zeigte er mir ein paar Bilder. Seine Eltern und seine Frau. Alle gegangen. Ich denke das heißt gestorben. Er lebt also allein in dem Haus. Und das sieht den Umständen entsprechend sauber, gepflegt und ordentlich aus. Ich fragte ihn nach der Toilette und da kam dann die Wahrheit ans Licht. Das funktionierte dort nicht, die Kloospülung und der Wasserhahn auch nicht, der in der Küche nicht, und auch der Elektroherd hat, ich weiß nicht wann, den Geist aufgegeben. Er ahnte wohl, was ich denke, und beschuldigte zu seiner Verteidigung dieses Scheiß Georgien, für die vielen Probleme verantwortlich zu sein, obwohl er es liebt und mit seinem Leben verteidigen würde. In Deutschland, ja, dort ist alles schön und gut und funktioniert, aber hier? Was soll er da machen?

Er hat schon richtig geahnt, ich würde auch von einem Gartenbauingenieur erwarten, dass er eine Lampe oder einen Lichtschalter und einen Wasserhahn auswechseln kann. Der Schnaps ist sicher billiger. 

Ich sollte in seinem Bett schlafen und er auf dem Sofa. Nein, das kam für mich nicht in Frage. Ich breitete meine Isomatte auf dem Wohnzimmer Teppich aus, er schlief trotzdem auf dem Sofa im Nebenzimmer, damit ich es mir auch anders überlegen kann. Hab ich aber nicht. Zum Frühstück gab's Rührei, der Fernseher lief schon wieder oder immer noch, das Brot war nicht mehr genießbar, und Kaffee. Es war wieder der bei uns so genannte türkische Kaffee, dort nennen sie ihn georgischen Kaffee. Im Garten hat er eine Behelfs Kochplatte, auf der kocht er. Gestern Nacht, nachdem die Jungs gegangen waren, hat er ein bisschen über sie geschimpft. Zu viel Handy und Internet, zu wenig sinnvolles und vernünftiges. Sagte er, als wollte er sich selbst zur Nachahmung empfehlen. Aber sowas kennen wir auch in Deutschland zur Genüge.

Wenn ich mit meiner Weltreise fertig bin, soll ich wieder nach Georgien kommen und bei ihm leben. Das hat er nachts schon ein paarmal  gesagt und jetzt wieder. Beim Aufbrechen sah ich den Gemüsegarten, hauptsächlich Tomaten, und Wein, eine kleine blaue Sorte, der schon reif war. Ich fragte, ob ich eine Traube mitnehmen darf, er holte eine Plastiktüte und füllte sie gegen meinen Protest. 3 Kg. Und dann musste ich noch 3Kg Tomaten mitnehmen. Er begleitete mich bis zum Buswartehäuschen, dort gab es dann ein zweites Frühstück. Die beiden anderen Penner von gestern Nacht waren da und noch 3 oder 4 andere. Es gab frisches Brot, einen getrockneten Fisch in dünnen Scheiben und Bier aus 2,5 Liter Plastikflaschen, 2 Stück. Auch da musste ich wieder ein Glas mittrinken. "Kannst du nicht noch ein paar Tage hierbleiben, wenigstens 3 bis 5? Nein,  kann ich nicht. Ich weiß nicht, ob ich das überleben würde. Zum Abschied wurde ich umarmt und geküsst, woran ich mich erst noch gewöhnen muss. Ich glaube, Bodzina würde mich auf der Stelle heiraten. 

Es war halb 11, bis ich endlich wegkam und hatte auch noch ein schlechtes Gewissen dabei, fühlte mich wie ein Herzensbrecher. 




Das Tal wird wieder breiter. Das ist links von mir 

und so siehts rechts aus. Hier regnet es offensichtlich zu wenig. Und entwaldet ist nur das bewohnte Tal. Die Berge dahinter haben Wälder. Georgien ist ungefähr so groß wie Bayern, hat aber nur 3,7 Millionen Einwohner, das sind ca. 50 pro Quadratkilometer. Zum Vergleich: Deutschland 230, die Türkei 100.

Es ist 14:00 Uhr und es hat hier auf knapp 1000 m Höhe 43 Grad Celsius. Das ist das höchste, was ich bis jetzt erlebt habe.

Das ist ein Lebensmittelladen in einem kleinen Dorf. Aber auch in den Städten sind sie selten größer.

Mi 30.08. Borjomi (km 3800)

Heute habe ich einen kleinen Waldbrand erlebt, mitsamt seiner Ursache. 

Ich kam über eine Kuppe, da sah ich etwa 100 m entfernt ein Auto mit geöffneter Motorhaube, ein Mann machte sich am Motor zu schaffen. Eine Frau ging zu einem 5m entfernten kleinen Gebüsch. Ich dachte, die entsorgt dort irgendwelchen Müll. Der Mann schloss die Motorhaube und stieg wieder ein, die Frau auch, und sie fuhren davon, in Richtung Westen. Kaum waren sie weg, sah ich,dass der Busch brennt. Zu spät, um nach dem Nummernschild zu schauen. Ich glaube nicht, dass das bloß eine Zigarettenkippe war. Dafür hätte sie nicht 5m weit gehen müssen. Sie hat das Feuer absichtlich gelegt. Da war es 12:15 Uhr.

So sah das schon 15 Minuten später aus, trotz heftiger Gegenwehr.Der erste Autofahrer kam nach einer Minute, blieb sofort stehen und brüllte mich an, was das soll. Auf georgisch, aber ich verstand alles. Ich erklärte ihm, wie das war, auf deutsch und er verstand mich. Ich war dabei, zu versuchen, die weitere Ausbreitung des Feuers zu verhindern, mit den Füßen auszutrampeln und mit einem Brett zu erschlagen, hab mein letztes Trinkwasser geopfert, es hat nicht gereicht. Er half mir dann, und nach wenigen Minuten waren 20 Leute da, von denen haben 5 oder 6 sich an den Löschversuchen beteiligt. Andere haben die Feuerwehr angerufen, da war schon klar, das wird nix. Wir konnten die Ausbreitungsgeschwindigkeit nur verzögern. Es blies ein kräftiger, heißer Wind, und so haben die Flammen auch 

1m breite Lücken im Gras übersprungen. Nach 20 Minuten kam die Feuerwehr und hat dem Feuer den Garaus gemacht. Aber auch das war nicht so einfach, die Pumpe hatte ständig Aussetzer und ein Spezialist von ihnen brachte sie, ich weiß nicht wie, immer wieder in Gang. 

Die letzte prophylaktische Bewässerung nach knapp einer Stunde, also kurz nach 13:00 Uhr.

Ohne die Feuerwehr hätte das unvorstellbare Dimensionen annehmen können. 

Polizei war auch da, aber keiner hat sich für mich interessiert, obwohl alle anderen Helfer und Gaffer schon weg waren. Und weil ich sowieso keine konkreten Angaben über die Übeltäterin machen konnte, bin ich dann halt auch weitergegangen. Ich brauchte dringend Trinkwasser, deshalb ging ich zum Fluß, packte meinen Wasserfilter aus und begann mit der Trinkwasseraufbereitung. Man konnte mich von der Straße aus sehen. Da kam ein Polizeiauto und die "officer" fragten mich aus. Sie konnten aber kaum englisch, deshalb haben sie Verstärkung herbeigerufen, und im Nu war ich von 4 Polizeiautos und 10 Polizisten umzingelt. Die Kommunikation blieb unbefriedigend. Zwischendurch musste ich ihnen die Funktionsweise meines Wasserfilters und der Solaranlage erklären. Sie sagten, sie trinken dieses Flusswasser einfach so, ungefiltert, das ist in Ordnung und alles natürlich. Ich habe viele Dörfer an Flüssen gesehen, aber keine einzige Kläranlage und viele stinkenden Abwasserrohre oder -Bäche.  Schließlich nahmen sie mich mit auf ihr Revier in Borjomi, auf einem Pickup hatte mein Gepäck locker Platz. Wer glaubt, dass sich Polizisten an Verkehrsregeln halten, irrt sich. Der Fahrer musste eine Weile hinter einem langsameren Auto herfahren, beschimpfte dessen Fahrer dabei und steigerte sich langsam in einen Rennfahrermodus. Der Abstand zum Voraus fahrenden Auto schrumpfte gegen Null, 

schließlich war seine Geduld zu Ende und er überholte. Trotz Überholverbot, trotz nicht einsehbarer Kurve und nicht wenig Gegenverkehr. Mir stockte der Atem. Dieser Toyota Pickup war aber nur mickrig motorisiert, so dauerte der Überholvorgang bis zum Ende der Kurve. Reine Glücksache, dass da nichts passiert ist. 

Ich behaupte ja immer, dass ich unendlich viel Zeit habe, aber trotzdem möchte ich versuchen, meinen Zeitplan von 2 Jahren wenigstens einigermaßen einzuhalten. Ich hoffe ja immer noch, dass da jemand auf mich wartet. Drum ging mir das Prozedere auf dem Polizeirevier ganz schön auf die Nerven. 

Da sitzen 5 Männer in dem Raum, in den ich geführt werde, 2 davon hinter einem Bildschirm, die anderen tun nichts. Ich weiß nicht, was sie hier machen. Dann kommt noch eine Frau, die wirklich gut englisch kann, aber ihre Aussprache ist so schlecht, dass ich oft mir bekannte Wörter nicht erkenne. Sie redet abwechselnd mit mir und mit dem officer am Computer. Der hackt im Zweifingersystem mit übergewichtigen Händen und Armen dermaßen auf die Tastatur ein, dass ich denke, er braucht jeden Monat eine neue. Heraus kommen georgische Hieroglyphen, und wir müssen warten, bis er fertig ist. Dann die nächste Frage. An der erkenne ich, dass sie nichts verstanden haben. So vergeht der Nachmittag. Eine für die Ermittlung von Täterin oder Auto hilfreiche Beschreibung kann ich nicht abgeben. Mir sind Millionen von stinkenden Autos begegnet, ich kann nicht jedes beachten (ich hasse sie). Um 17:00 Uhr sind wir endlich fertig, ich habe Hunger und Durst, sie haben den Nachmittag erfolgreich zu Ende gebracht. Es liegt ein Dokument auf dem Tisch, das Ihren Fleiß bestätigt und ihre Existenzberechtigung. 

Das Ergebnis ist Null. Da beschäftigt sich ein Heer von Gehaltsempfängern im Grunde nur mit sich selbst. Ist das bei uns viel anders? Nur: wir können uns das leisten, die nicht.

Do 31.08. chaschuri (km 3823)

Am meisten beeindruckt waren sie von ein paar blutigen Kratzern, die ich bei meinem Kampf gegen das Feuer davongetragen habe. Wenigstens haben sie sich zum Schluss bei mir für meinen selbstlosen Einsatz für ihr Land bedankt.

Mir scheint, alles Land war irgendwann in der Erdgeschichte mal unter Wasser. 

Wenn sich ein Gebirge erhebt, bildet die Erdkruste Falten. Dadurch können die ehemals waagerechten Schichten auch diese Lage annehmen. 

Hier wird es wieder etwas flacher und grüner. Ich bin auf etwa 700 m ü. M.

gegenüber

Grad hab ich gesehen, das ist ja schon mitten in Georgien. 

Es ist Freitag früh. Gestern Abend ist es wieder so spät geworden, dass ich danach nichts mehr schreiben wollte. 

Das ist ein Restaurant, das hat so einen freundlichen Eindruck gemacht, dass ich dort eingekehrt bin. 

Jedes der kleinen Häuschen ist ein Esszimmer, unterschiedlich groß.

Nach dem Essen hab ich gefragt, ob ich auf der Wiese hinter den Häuschen mein Zelt aufstellen darf, selbstverständlich, ja. Das hab ich dann bevor es zu finster wurde, gemacht. Danach habe ich noch etwas getrunken und begonnen, meinem Bericht zu schreiben. Dabei wurde ich unterbrochen und zu einem Ess- und Saufgelage eingeladen. Die Verständigung war wieder sehr mühsam. Die Georgier können mit meiner Tastatur nichts anfangen, deshalb können Sie ihre Fragen auch nicht eintippen, wie das in der Türkei, zumindest mit den jüngeren Leuten, gut funktionierte. So muss ich ihre Fragen erraten und beantworte vermutlich meistens die, die sie mir gar nicht gestellt haben. Da funktioniert Pantomime meist besser. 

Aber für meine Charakter- und Mentalitäts Studien kommt schon was raus. 

Da sitzen 4 Männer in einem der Häuschen um den Tisch, man reicht mir ein Glas, ich schätze 0,2 Liter, wir stoßen an, aber sie trinken nicht. Sie stellen die Gläser wieder hin und reden und lachen weiter. So geht das mindestens 5 mal. Irgendwann, für mich nicht vorhersehbar, trinken Sie doch. Aber nicht so, wie zivilisierte Menschen das tun, sie stürzen das ganze Glas, als wäre es nichts, mit einem Schluck hinunter. Um mir wenigstens ein Minimum an Respekt zu verdienen, musste ich einmal zeigen, dass ich das auch kann, und dann, dass ich es aber nicht will. So ist es bei einer einmaligen Demonstration geblieben. Fortan bin ich bei kleinen Schlucken geblieben, auch wenn sie sich über mich lustig gemacht haben. Ich habe nämlich kurz nachgerechnet: die sind im Schnitt doppelt so schwer wie ich, für den gleichen Promille Pegel darf ich also nur halb so viel trinken. Ich nehme an, wenn ich die Hälfte ihres Pegelstands erreiche, bin ich morgen todkrank. Ich setze mein Limit auf ein Viertel. Das bedeutet, ich darf nur maximal ein Achtel von dem trinken, was sie konsumieren. Sicherheitshalber reduziere ich auf ein Zehntel. Ich brauche kein Risiko. Da bin ich auch erschrocken. 



Manchmal trinkt einer gleich aus der Kanne. Wenn die leer ist, wird aus einem 10 Liter Kanister nachgefüllt. 

Der war am Anfang voll, am Ende war er leer. Einer der 5 Männer kam erst später dazu und ging bald wieder, wir beide fallen also kaum ins Gewicht. Ich kann somit von den 4 anderen sagen, die saufen den Wein Eimerweise.

Die armen Kinder! Sie lassen nichts aus, was ihren Körper zerstört. Rauchen selbstgedrehte Zigaretten, deren Füllung nicht nur aus Tabak besteht, unmäßig ist gar kein Ausdruck für ihren Alkoholkonsum, sie essen zuviel und bewegen sich so gut wie gar nicht. Sie kommen mir vor wie Frauen, die nicht wissen, wovon sie schwanger werden. Und wenn sie es wissen, haben sie keine Möglichkeit, darauf Einfluss zu nehmen. 

Fr 01.09. agara (km 3848)

Die 4 sind dann nach Mitternacht noch mit Autos nach Hause gefahren. Ich bin heute morgen erst um 11 aufgebrochen, da kam der erste von ihnen schon wieder und es war ihm nichts von dem Alkoholexzess anzumerken. 


Die beiden Polizisten gestern im Pickup haben sich natürlich auch nicht angeschnallt, ich saß hinten, und da waren überhaupt keine Schnallen an den Gurten. 

1 km später war ich wirklich in Chaschuri. 

Diese armen Einfallslosen. Wenn einer eine funktionierende Idee hat, machen es ihm alle nach. Und so sind in dieser kleinen Stadt mindestens 50 solcher Läden entstanden, einer nach dem anderen. In manchen Straßen auch nur jeder 2. Und sie gleichen sich wie ein Ei dem anderen. Leute: dadurch kann doch nur ein gnadenloser Verdrängungswettbewerb entstehen. 

Sa 02.09. Gori (km 3881)

Der Verkäufer in diesem Lebensmittel Laden in einem kleinen Dorf rechnet tatsächlich noch mit dieser Holz Rechenmaschine. Die Kugeln auf der rechten Seite zeigen das Ergebnis an, 5,90 Lari. Als er sah, dass ich es fotografieren will, hat er schnell den elektronischen Rechner aus der Schublade geholt. Er wollte nicht so altertümlich aussehen. 

Plattenbau georgisch in Gori: links 

rechts

Wer jetzt denkt, die Georgier leben noch hinter dem Mond, ist zu voreilig. 

ein Autobahn Rasthaus kurz vor Gori.

Ladestation für Elektroautos.

An einer uralten Tankstelle wollte ich einen Kaffee trinken. Hab ich auch, aber der Reihe nach: da saß ein Mann auf der Terrasse vor dem Kaffee, möglicherweise war es seine Privatwohnung,  aber es sah aus wie ein Kaffee. Und oft haben die Tankstellen ein Kaffee dabei. Ich ging hin und fragte ihn, obs ďa einen  Kaffee gibt. Er schüttelte den Kopf und sagte so was ähnliches wie no. Ich ging also wieder, da lief mir ein junger Mann nach und sagte auf englisch, dass es doch Kaffee gibt. Also ging ich mit ihm wieder zurück zur Terrasse. Der andere verzog sich sofort, als er meinen Arschloch Blick sah. Mit dem jungen hab ich mich fast eine Stunde ausführlich unterhalten. Er studiert in Tiflis ich hab vergessen was, und er hat Ahnung von seinem Land. Er und seine Familie sind Flüchtlinge aus Südossetien, das ist eine Region in der nördlichen Mitte von Georgien, und ist seit ein paar Jahren von den Russen besetzt. Georgier werden dort schikaniert und hinausgeekelt. Ich fragte ihn, was er von der aktuellen Regierung hält. Er meint, die ist nicht gut genug, aber es ist die beste, die sie je hatten, seit sie unabhängig von der ehemaligen Sowjetunion sind. Weil es nicht gelang, die Korruption bei der Polizei in den Griff zu bekommen, haben sie vor ein paar Jahren alle Polizisten rausgeschmissen und durch neue ersetzt. Die bekommen ein relativ gutes Gehalt und eine sehr gute Pension, seitdem gibt es keine Korruption mehr. Ein Arbeiter verdient z.B. 300 Lari und kriegt ab 65 Jahre 200 Lari Rente (Das sind ca 70€). Ein pensionierter Polizist bekommt 500.

Noch unter der letzten Regierung wanderte man in den Knast, wenn man sie kritisiert hat, heute kann jeder die Regierung und die Politiker kritisieren, und die Zeitungen tun das auch. Trotz Ossetien und Abchasien (das ist die nordwestlichste Region, die das gleiche Schicksal teilt) versuchen sie, ein möglichst gutes Verhältnis zu Russland zu bewahren, dieser übermächtige Nachbar im  Norden hat mehr Soldaten als Georgien Einwohner. Alles in allem sind sie auf dem richtigen Weg, wenn es ihm auch zu langsam geht. 

So 03.09 saskhori (km 3924)

Auch in Georgien gibt es Leute, die Lust zum und Freude am Spielen haben. Und die auch was von ihrem Handwerk verstehen (ich meine die Mauer).
Auch in Georgien gibt es Leute, die Lust zum und Freude am Spielen haben. Und die auch was von ihrem Handwerk verstehen (ich meine die Mauer).

Mo 04.09. Tiflis

Gestern Abend musste ich wieder weiter gehen, als mir lieb war, weil 2x hintereinander irgendwelche Autofahrer meiner Zeltplatzsuche zu viel Aufmerksamkeit schenkten. Das ist mir dann nicht ganz geheuer. Außerdem hatte ich schon seit Nachmittag bis heute Mittag keinen Empfang. 

kurz vor Tiflis links

Am Anfang von Tiflis rechts

3 km weiter südöstlich rechts. Ich sitze mal wieder in einem Coffee shop, draußen ist eine 6 spurige Straße, Stau, Gestank und Gehupe in beide Richtungen. Kaum 2 Stunden in der Stadt, nervt es mich schon. Aber jetzt nach 18:00 Uhr läßt es deutlich nach. Ach so, das war die rushour.

Nächtliche Plastik Sammlerin auf dem Heimweg. 

Di 05.09. Tiflis (km 3968)

Gestern habe ich mich noch lange in Tiflis herumgetrieben. Ich habe eine vage Verabredung mit Niko, er hat mich (das war kurz vor der georgischen Grenze) für einen oder ein paar Tage eingeladen bei ihm zu Hause zu wohnen. Jetzt antwortet er nicht, irgendetwas ist ihm wohl dazwischen gekommen, oder haben wir irgendwo ein Missverständnis?

Ich habe dann einen Schlafplatz mitten in der Stadt in einem Park gefunden, was nicht so einfach ist. Keiner darf beobachten, wohin ich gehe und das geht erst später, wenn nicht mehr so viele Leute da sind. Dann muss der Platz von Bäumen und Büschen so geschützt sein, dass man mich weder vom nächsten Weg, noch von der Straße aus sieht. Genau die Plätze werden aber von Spaziergängern gern als Toilette genutzt und sind oft ziemlich verschissen.

Das ist schon die Luxusausführung bei der Dachentwässerung.

Sowas können sie auch. 

Das hat mich sehr beeindruckt, die Pflanzen sind echt.

Die rechte untere Ecke in Nahaufnahme. Da sieht man, dass die Pflanzen aus gepressten Erdwürfeln wachsen, die von einem Drahtgitter festgehalten werden. 

Preisfrage: was ist das?

Eine geniale Sitzbank..In einer Straße in der Altstadt gab's auf einen halben Km alle 20 m eine solche. Die sind zwar aus Plastik, aber bequem zum Sitzen. 

Die heutigen Bilder sind alle aus der Altstadt. 

Jetzt habe ich südlich vom Altstadt Zentrum wieder einen Schlafplatz gefunden, zwischen alten Häusern und Neubaustellen, da wachsen ausreichend Bäume und Büsche. Das Müll Problem ist in Georgien deutlich geringer als in der Türkei. 

Nicht einmal die Hunde stören mich hier.Sie bellen kurz und tolerieren mich dann in ihrem Revier. Je sicherer und entspannter ich im Umgang mit ihnen werde, desto entspannter und gelassener werden sie im Umgang mit mir. Ist natürlich auch nur mein subjektiver Eindruck. 

Mi 06.09. Tiflis (km 3975)

Mein Kontakt mit Niko hat funktioniert. Gestern spät abends hat er mir geantwortet, das habe ich aber erst heute früh gesehen. Wir haben uns für 13:00 Uhr an der nächsten U-Bahn Station verabredet, um 13:45Uhr kam er und meinte sinngemäß, das ist für georgische Verhältnisse nicht schlecht (da kann man nicht meckern), und das glaube ich auch. Immerhin hat er seine Verspätung angekündigt. War kein Problem, ich bin bis nach Tiflis gegangen/gelaufen um ihn zu treffen, was spielen da 45 Minuten noch für eine Rolle? Ich erwähne das nur als Versuch, die Mentalität zu erklären. Ich habe schon mehrere Anläufe gemacht, aber jedesmal wieder abgebrochen, weil mir das, was ich geschrieben habe, zu überheblich vorkam.

Tiflis hat mehrere Zentren und Niko wohnt bei seiner Familie mittendrin. Ich hab ihn am Ende der Türkei schon erwähnt. Er ist 23 Jahre alt, wirkt (auf mich) aber älter, ist 2 sprachig aufgewachsen, georgisch und russisch und hat noch englisch und deutsch dazugelernt. Er wurde in dieser Wohnung geboren, auch sein Vater, dessen Mutter lebt auch dort, sie kam als Kind in diese Wohnung. Die Familie lebt also seit 70 Jahren dort. Man gelangt über einen Hinterhof in die Wohnung und dort ist fast alles museumsreif. Wenn etwas kaputt ist, wird es repariert, egal wie lange das auch dauern mag. Ein Jahr spielt in Relation zu den 70 keine Rolle. 

Niko hat in Deutschland 2 Jobs, um sein Studium finanzieren zu können. Damit kommt er auf 400 bis 450€ monatlich, das ist mehr als sein Vater in Tiflis verdient und der ist Akademiker und hat als Physiker einen guten Job. Wenn ich Georgien mit Deutschland vergleichen will, muss ich grob pauschalisieren und komme zu folgendem Ergebnis: die Löhne sind in Deutschland 8x so hoch, die Preise für Grundnahrungsmittel und in Imbissbuden 4x, Essen im Restaurant 2x. Man sieht also, für den normalen Georgier ist das unerschwinglich. Entsprechend gering ist die Dichte der kulinarischen Infrastruktur (aus deutscher Sicht). Die Leute machen mehr Picknick, um in Gesellschaft zu essen. Das war auch in der Türkei schon so.

Nochmal zu den Sprachen: Mit seiner Mutter spricht Niko überwiegend georgisch, mit dem Vater und der Oma russisch, obwohl alle Georgier sind und beide Sprachen ziemlich gleichgut beherrschen. Dabei hat das Georgische mit dem Russischen so gut wie nichts zu tun. Daran kann man erkennen, wie groß der russische Einfluss in den letzten 100 Jahren war.

In dem Hinterhof gibt es ungefähr 25 Wohnungen, 100 Menschen, und die kennen sich alle. Früher, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, das waren echte Notzeiten, da waren der Zusammenhalt und die Hilfsbereitschaft noch größer. Wenn jemand ein paar Stücke Brennholz aufgetrieben hat, hat er es mit den Nachbarn geteilt, oder sie haben gemeinsam gegrillt. Im Zuge des Streites mit Russland um Abchasien und Südossetien, es gab sogar Krieg, haben die Russen ihnen den Gashahn zugedreht. Der östliche Nachbar Aserbaidschan hat zum Glück auch Öl- und Gasquellen, und hat sofort brüderliche Hilfe geleistet, auf Pump. 

Auch mit dessen Erzfeind Armenien pflegen sie freundschaftliche Beziehungen, ebenso zum großen und starken Nachbarn im Süden, der Türkei. 

Fr 08.09. Immer noch Tiflis (4012)

Am Donnerstag habe ich alleine Stadt und Umgebung erkundet, natürlich nur einen kleinen Teil davon. 

Das ist der Fernsehturm, er steht auf einem Hügel westlich der Stadt, 750 m hoch (der Hügel, über dem Meer), Tiflis liegt auf 400. Die Hälfte des Weges bestand aus Treppenstufen, gefühlt 1000.

Blick von oben auf den Südteil der Stadt. 

Die Mitte.

Den Nordteil habe ich nirgendwo zu Gesicht bekommen, da sind überall Bäume im Weg.


oben ist ein Dauer Rummelplatz, hier nur ein Beispiel. 

Ein Aussichtsturm der die Bäume überragt, wäre mir lieber gewesen. 

Blick nach hinten runter. 

wieder unten bin ich nochmal an meinem Preisrätsel vorbeigekommen (war nur ein Scherz).Diesmal eine andere Seite. Der Himmel war bewölkt und da sind die Scheiben plötzlich nicht mehr blau. 

Eine Teilauflösung kann ich jetzt liefern: irgendein Museum. 

Die Friedens Brücke über die Kura. 

St.Trinity Kathedrale, dort bin ich vorgestern mit Niko vorbeigekommen. Das ist die größte, sie hat noch mindestens 3 Etagen unter der Erde. Christlich orthodox.

Ich wollte gestern abend wieder aufbrechen, aber da hab ich die Rechnung ohne Nikos Eltern gemacht. Sie hätten sich nicht wohl gefühlt, wenn ich die Nacht irgendwo da draußen verbracht hätte, also blieb ich noch eine. Nach dem Frühstück hab ich mir die iranische Botschaft gesucht, bin dorthin gegangen, kam aber zu spät, die arbeiten am Freitag nur bis 13:00Uhr. Dann ging ich zur aserbaidschanischen-, die waren noch da, bearbeiten aber heute keine Visaanträge mehr. Ein Anwohner führte mich daraufhin 50 m weiter zu einem Büro, die können das heute noch, und das kostet 70 €. Und das iranische Visum geht von Aserbaidschan aus einfacher. Ich hatte schon beschlossen, mir übers Wochenende eine Unterkunft zu suchen, aber jetzt kann ich mir das sparen, ich gehe heute noch weiter. 

Es ist Samstag früh. In der Wartezeit gestern (2 Stunden haben sie gesagt), hab ich hier an meinem Blog geschrieben, Kaffee getrunken und die Online News gelesen. Dann ging ich wieder zu dem Büro, 10 Minuten vor der verabredeten Zeit, dort musste ich dann nochmal fast 2 Stunden warten, bis mein Visum endlich kam. Da war es 21:30 Uhr und stockfinstere Nacht. Mein Schlafplatz vor 3 Tagen war nicht weit und in der richtigen Richtung, dort bin ich dann hingegangen. Jetzt haben mich die Hunde geweckt mit ihrem Gekläff, ich vermute interne Kommunikation. 

Sa 09.09. rustawi (km 4042)

Ich dachte ich bin nach fast einer Woche faulenzen und regenerieren in Tiflis nun in Topform, Pustekuchen. Die 30 km heute sind mir ganz schön schwergefallen. 

Wegen des Iran Visums muss ich, wies aussieht nun doch einen Umweg über Baku machen, das ist die Hauptstadt von Aserbaidschan. Dafür hab ich ein bisschen länger das Kaspische Meer in meiner Nähe. 

Und vorher mach ich noch einen Umweg von 40 bis 50 km zum Kloster Davit Garedscha, eine Empfehlung von Nikos Mutter. 

Mo 11.09. lemshveniera (km4098)

Gestern habe ich etwa 10 km vor Dawit Garedscha übernachtet, und dort hatte ich wieder keinen Empfang. Und dann funktioniert meine Jimdo App nicht. 

Dort gibt es echte Cowboys. 

Nikos Mutter sagte, dort ist Wüste, aber ich würde es Steppe nennen (ab 20 km vorher).

Die letzten 17 km sind Schotterstraße, auch wieder extrem grob, und ständig auf und ab. Immer wieder begegnen mir Kühe, es ist schon abend und da gehen sie vermutlich heim. Hirte oder Hund sind aber nicht dabei. 

Das Kloster ist wieder bewohnt, es laufen ein paar schwarz gekleidete Mönche herum, und viele Bereiche darf man deshalb nicht betreten. 

Der Fels ist eher aus Sandstein, und da haben sie Wohnungen und sogar eine Kirche hineingeschlagen. 

Diese rot/grau/braunen Farbtöne haben schon einen besonderen Reiz. 

Das ist noch die Umgebung dort. 

Im Vergleich mit meiner Weltreise stelle ich mir so ein Klosterleben eher langweilig vor. Nachmittag bis Abends den gleichen Weg wieder zurück.

Ja, der Umweg hat sich gelohnt. 

Und morgen bin ich in Aserbaidschan. 

Dort beginne ich eine neue Seite. 

Es ist Dienstag, 12:30 Uhr georgische Zeit, in Mitteleuropa ist es 10:30, und ich sitze 2 km vor der Grenze vor einem Lebensmittelschuppen, in dem es auch Kaffee gibt. Damit versaufe ich meine letzten Lari. Drüben muss ich mir erst Geld besorgen und eine neue Sim Karte. Dann melde ich mich wieder.