Blog 32 Indonesien 2

Java

So 27.10.19 Jakarta Flughafen (km 24.000)

Ihr habt es sicher schon bemerkt, die Seite 31 Sumatra ist weg. Während der Umstellung auf die neue Seite wollte ich eine Mücke vom Display schubsen, dabei habe ich die komplette Seite weggewischt = gelöscht. Ich habe natürlich gleich den Reinmund wieder zu Hilfe gerufen, er versucht es.

Der Kilometerstand ist jetzt nur eine grobe Schätzung, kann auch 100 km mehr oder weniger sein. Sollte die Seite wieder auftauchen, kann ich es ja korrigieren.

So habe ich mir den Verkehr auf Java vorgestellt. Im Vergleich zu Sumatra eine mehr als 10 mal so hohe Bevölkerungsdichte, doppelt so viele Straßen pro qkm, 5 mal so viel Kraftfahrzeuge auf den Straßen. Und so ist es auch. Wenn man möchte, dass möglichst viele Menschen auf den Straßen aus dem Verkehr gezogen werden, ich meine sterben, dann muss man die Straßen genauso bauen, wie sie es überall in Asien machen. Bloß keine Fußgängerwege bauen und wenn sichs schon nicht vermeiden lässt, dann so, dass man sie nicht benutzen kann. Keine Regeln für die Kraftfahrzeuge, die haben Narrenfreiheit, können machen was und parken wo sie wollen. Das ziehen die gnaden- und lückenlos durch. Gefühlt 99,9% aller Straßenkm sind so. Und den Leuten weiterhin einreden, dass sie auf der linken Seite gehen müssen, also in die selbe Richtung wie der Verkehr fließt und keine  Statistiken führen über Verkehrsunfälle und -tote. Das ist psychologisch ganz schlecht. Wenn die Leute sehen wie viele das sind, wissen sie plötzlich, dass jeder weitere Tote einer zuviel ist und verlangen Abhilfe. So aber glauben sie, das sind Einzelfälle und denken nicht weiter darüber nach. Das spart kostspielige Umbauten.

  

Mo 28.10. Singapur (km 24.005)

Die Botschaft hat leider heute geschlossen. Feiertag in Singapur. Morgen um 09 Uhr öffnen sie wieder. Ich habe wieder Kontakt zu Jack aufgenommen, ich brauchte seine Adresse für die Einreise und ich kann auch wieder bei ihm wohnen. Heute habe ich Zugfahren in Singapur gelernt, für zu Fuß sind die Distanzen einfach zu groß und meine Zeit zu knapp. 

Do 31.10. Jakarta (km 24.075)

Mit der Bürokratie habe ich so meine Probleme. Das Visum in Singapur hat wieder nicht geklappt. Dummerweise habe ich ein Rückflugticket von Jakarta nach Singapur gekauft. Im Internet behauptet die indonesische Botschaft in Singapur, sie würden das Visum in einem Tag machen. Vor Ort sagen sie 2Tage. Dienstag früh war ich um 09 Uhr da, am Eingang steht jemand, der die Einhaltung der Kleiderordnung überwacht, mit kurzer Hose oder Rock kommt man nicht rein. Bis ich meinen Wunsch nach einem Visum endlich vortragen konnte war es nach mehrmaligem Schlangestehen 11 Uhr. In allen anderen Botschaften dieser Welt reicht es, wenn man dann sagt, dass man ein Visum beantragen will. Dann bekommt man ein Formular, das muss man ausfüllen und gibt es ihnen dann wieder, dann läuft der Prozess. Anders in Singapur. Hier muss man die Bitte um den Antrag schriftlich vorbringen. Relativ formlos, sie gaben mir ein Blatt mit einem Beispiel, wie sie es gerne hätten, aber es muss schon maschinen-geschrieben sein. Danach kann ich mich wieder hinten anstellen. Die Schlange ist aber so lang, dass klar ist, das wird vormittag nichts mehr. Obwohl sie bis 17 Uhr geöffnet haben, nehmen sie nachmittags keine Anträge an. Also morgen wieder. Wenn dann alles klappt was keineswegs sicher ist (mir fehlt noch eine Adresse wo ich stay, aber ich will ja nirgends stayen und sie wollen ein Rückflugticket sehen. Ob sie meine Erklärung akzeptieren, dass ich das Land auf der Straße nach Osttimor verlassen will, weiß ich nicht. Eine Menge Unsicherheiten.), bekomme ich mein fucking Visum also am Freitag. Letzte Woche in Jakarta dachte ich noch, wenn die das Visum innerhalb eines Tages machen, plane ich sicherheitshalber 4 Tage ein, also Rückflug am Donnerstag. Denkste! Jetzt muss ich nochmal erklären, welche verschiedenen Visa Möglichkeiten es in Indonesien gibt. 1. Visa on arrival am Flughafen, kostenlos für einen Monat, kann man nicht verlängern. 2. dasselbe für 35 €, kann man einmalig um einen Monat verlängern, das habe ich für Sumatra gemacht. Danach muss man das Land wieder verlassen, für mindestens 1 Minute (ist doch Irrsinn). 3. das Visit Visa, für einen oder 2 Monate, den Preis weiß ich jetzt nicht, kann man bis zu 4 mal je einen Monat verlängern, gibts nur bei den indonesischen Botschaften im Ausland. Das wollte ich in Singapur machen. Und wie schon vor 2 Monaten, wenn es zu kompliziert wird, verliere ich die Lust, reagiere ein bisschen beleidigt und denke, dann begnüge ich mich eben mit der Kurzversion. In so einem Scheißland will ich gar nicht länger bleiben. Das entspricht in keinster Weise meinen Idealvorstellungen von menschenwürdigen Lebensbedingungen. Jeder Vogel, jeder Hund und fast jeder Bär kann fliegen oder gehen, wohin er/sie will. Wenn ich König von Indonesien wäre, würde ich sagen: die Touristen, die meisten jedenfalls, bringen eine Menge Geld ins Land, es ist in unserem Interesse, dass sie länger bleiben, wir sollten dies erleichtern und nicht erschweren. Natürlich gibt es auch Missbrauch, klar muss man den bekämpfen, aber doch nicht, indem man alle Touristen bekämpft und ihre Aufenthaltsdauer verkürzt.

Angesichts dieser Hürden habe ich mich also abermals für die Kurzfassung entschieden, ich werde also die 3000 km bis nach Osttimor in 2 Monaten hinter mich bringen.

Für den Zwangskurztripp nach Singapur habe ich im Internet nach Informationen zur CO2 Bilanz im Vergleich von Flugzeug und Schiff gesucht und habe Widersprüchliches gefunden. Mal ist der Flug günstiger, mal schlechter, je nachdem wie man rechnet. Mein Fazit: es ist wurscht, beides ist extrem schlecht. Das Schiff kostet auch etwa gleichviel, braucht aber fast 2 Tage, das Flugzeug eineinhalb Stunden. Gerechterweise müsste man diese vielen Tonnen CO2 denen aufbrummen, die solche irrsinnigen Visarun Regeln erfinden und erzwingen. Und ich bin nach wie vor überzeugt, dass die Tonne 180 € kosten muss. Von Jakarta nach Singapur sind es Luftlinie etwa 1000 km.


Sa 02.11. Telukjambe (km 24.131)

Ein Rückblick auf Singapur.

Ich hab mich über Flugkompensation schlau gemacht. Es gibt Umweltschutz Firmen, denen kann man Geld spenden, die investieren das dann in klimanützliche Projekte wie z.B. Bäume pflanzen, egal wo, die ziehen dann im Laufe der Jahre das Kohlendioxyd wieder aus der Luft. Alles strengstens überwacht. Eine solche Company ist z.B. atmosfair. Auf ihrer Webseite gibt es einen Rechner, dort muss man Start- und Zielort eingeben, der spuckt dann meinen Anteil am erzeugten CO2 aus. In meinem Fall mit Rückflug sind das 337 kg und dafür wollen sie 10 €, das ist aber nur ein Vorschlag. Man kann natürlich auch mehr oder weniger spenden, oder gar nix, ist ja alles freiwillig. Mir verschlägts fast die Sprache, wie billig wir dabei wegkommen. Wenn ich das hochrechne, komme ich auf 30 € pro Tonne. So wird das nix mit der Weltrettung. Das sind gerade mal 8% der Flugkosten (120,-€). Wenn ich meine Forderung nach 180 € pro Tonne zugrundelege, wäre das 6 mal so viel oder 60 € oder 50% des Ticketpreises. Darüber muss ich nochmal schlafen. 

Mo 04.11. Tegowanu (km 24.182)

Diese Brücke ist aus zusammengebundenen Bambus Stangen gebaut, wird getragen von bootähnlichen Schwimmkörpern. Drüben ist eine Mautstelle, da muss man 2000 Rupia (12 Eurocent) bezahlen, auch ich. Dafür haben sie mir geholfen, meinen Anhänger die steile Straße die Flussböschung hinaufzuschieben. Nicht, weil ich es selber nicht geschafft hätte, ich glaube, das sieht einfach nur erbarmungswürdig aus, wenn sich ein Mann mit weißem Bart so gegen die Schwerkraft stemmt.

Gestern hat mich mal wieder ein Durchfall ereilt. Ich vermute, das kommt von den unhygienischen Zuständen in der Gastronomie. Das ist hier nicht anders als überall in Asien. Meine Therapie der Wahl ist erst mal fasten. Ein Tag nichts essen reicht in der Regel, um solche Probleme aus der Welt zu schaffen, bzw. aus meinem Körper, so auch diesmal. Natürlich fühle ich mich dabei schwach und müde und weil ich es mir erlaube, schaffe an so einem Tag nicht so viele km. Ich will und muss mich ja nicht quälen. Normale Menschen halten das was ich mache, schon für eine Qual, ist es überhaupt nicht. Die Bewegung ist mir ein Bedürfnis, sie tut mir gut, macht mich glücklich und zufrieden. Ich empfinde meine Reise immer noch als mindestens gleichwertig mit dem, was man sich so unter Paradies vorstellt. Natürlich sehe ich, dass die Lebensbedingungen der Menschen hier alles andere als paradiesisch sind, aber dafür kann der Planet nichts. Diese Bedingungen erschaffen die Menschen sich schon selber. Und das ist für eine intelligente Spezies ziemlich blöd.

In meinem geschwächten Zustand, lief mir ein Hinweisschild auf eine railway station über den Weg, und weil ich nur wieder maximal 2 Monate im Land bleiben kann und bis Timor Leste es noch 2800 km sind, eindeutig zu viel für mich, habe ich mich spontan entschlossen, 380 km bis nach Semarang mit dem Zug abzukürzen. Fahrtkosten ca.14€, Fahrzeit etwa 6 Stunden, über Nacht. Der Zug war fast europäischer Standard, die Schienen ebenfalls. Für mich ein guter Maßstab für Wohlstand oder Armut in einem Land. Damit gehört Indonesien zu den Spitzenländern in Asien. Hätte ich vorher nicht gedacht. Am schlimmsten war es demnach in Sri Lanka und in Myanmar. 

Di 05.11. Pengkol (km 24.209)

Mi 06.11. Kuwu (km 24.240)

Das ist der Stamm einer Bananenstaude im Querschnitt. Kein Holz, sondern ein aufgerolltes Blatt, das wie Wellpappe konstruiert ist. Die können bis zu 5m hoch werden. 

Ein weiterer Grund für meine Zugreise war der Verkehr. Die Straßen sind genau der Verkehrsdichte angepasst, da wo es weniger Kraftfahrzeuge gibt, sind auch die Straßen schmaler und schlechter, ich kann sie fast nicht benutzen, sondern gehe auf dem Randstreifen daneben her und der ist oft schlimmer als ein Acker. Auch hier tun sie nullkommanichts für Fußgänger oder Radfahrer. Und barrierefreie Verkehrswege, dieses Recht haben nur Kraftfahrzeuge. Für Fußgänger und Radfahrer ist das so utopisch wie kostenlose öffentliche Verkehrsmittel in Europa.

Ich muss schon wieder ein paar Worte zum Klimawandel schreiben. Ich verfolge mit Grausen die Nachrichten aus aller Welt, lese was Wissenschaftler dazu sagen und muss feststellen, dass meine Hoffnung auf ein Überleben der Menscheit mit jedem Tag schwindet. Die meisten Menschen, überall auf der Welt schätzen die Lage nicht so dramatisch ein, sie wissen es nicht, hören und sehen es nicht, glauben es nicht. Alles schon zu oft gehört. Aber diesmal irrt ihr euch. Dies ist Realität!

Do 07.11. Randublatung (km 24.275)

So schöne Bäume. Obwohl die Regenzeit hier im September beginnt und im Dezember ihren Höhepunkt erreicht, ist es momentan so trocken dass viele Bäume ihr Laub abwerfen oder reduzieren, um Wasser zu sparen. Ich habe schon einige Regengüsse erlebt hier, aber das war alles substantiell viel zu wenig. Selbstverständlich wird auch hier überall Müll abgelagert und ab und zu an Ort und Stelle verbrannt. Es gibt nur wenige Menschen hier, die schon mal was vom Klimawandel gehört haben, eine gut gebildete Oberschicht. Das Problem ist dasselbe wie mit dem eigenen Leben. Jeder hat schon von den Alten gehört, dass es schneller vergeht als man denkt, aber was das bedeutet, wie schnell das wirklich geht, versteht man erst 50 Jahre später. Die Zeitschiene verläuft nicht geradlinig. Sie beginnt für jeden erst langsam und beschleunigt dann exponentiell. Natürlich nur subjektiv in der eigenen Wahrnehmung, hat nichts mit der Realität zu tun. Die können wir alle, wenn überhaupt, nur rudimentär erkennen. 

Ich weiß auch nicht, wie man das Problem in die Köpfe kriegt. Ich weiß nur, weitere 2 Jahre Untätigkeit können wir uns nicht leisten. Danach werden wir es nicht mehr schaffen. Und es sieht verdammt schlecht dafür aus.

Sa 09.11. Tjepu (km 24.300)

Ja, das waren nur 25 km in 2 Tagen. Ich bin krank. Habe mir wieder eine Erkältung eingefangen. Gestern habe ich noch gehofft es abbiegen zu können, aber heute war es noch schlimmer. Da habe ich mir schon am Vormittag ein Hotelzimmer gesucht und gefunden, hier habe ich meine Ruhe und kann notfalls auch länger bleiben. 

Erkältung ist nicht das richtige Wort für so einen grippalen Infekt, es handelt sich um eine Infektion mit Viren. Und viele Leute hier laufen damit herum. Die Kälte hat nur einen geringen Anteil daran, insofern, dass sie das Immunsystem schwächen kann. Aber hier in dieser Affenhitze kann von Kälte keine Rede sein. Kälte ist immer relativ. Hier können die Temperaturen nachts oder am frühen Morgen, vor allem wenn es geregnet hat, schon mal auf 20 Grad fallen. Für Indonesier ist das saukalt, da frieren sie jämmerlich, und auch ich empfinde es inzwischen als kühl.

Meine Behauptung vorgestern über die Regenzeit war falsch, das war die Regenzeit in Sumatra. Hier in Java beginnt sie erst im Dezember und endet im Mai. Und im Osten ist es trockener und heißer als im Westen. So empfinde ich es auch.

Ich vermisse eure Whatsapp Nachrichten. Ich weiß jetzt auch warum mich niemand mehr erreichen kann. Ich musste mir ein neues Handy kaufen, bevor das alte seinen letzten Geist aufgibt. Mit der Übertragung der Daten war ich hoffnungslos überfordert, da musste ich mir professionelle Hilfe suchen und die sagten, das ginge nur mit neuer Simkarte und neuer Telefonnummer, auch für Whatsapp. Ihr müsst also meine Telefonnummer in eurer Kontaktliste ändern. Die neue ist: +6282360395819, dann sollte es wieder funktionieren.

So 10.11. Tjepu

Ja, es funktioniert. Gleich danach haben mich die ersten Nachrichten aus der alten Heimat erreicht, da wars bei mir Mitternacht. Freut mich sehr.

Ich habe schon damit gerechnet, dass ein Tag Pause nicht reicht, meine "Erkältung" auszukurieren, hab nochmal um einen Tag verlängert, das war auf meiner ganzen Reise bisher noch nie ein Problem. Aber morgen ist es sicher gut. Habe mal wieder meine Wäsche gewaschen, nichts gegessen und die meiste Zeit geschlafen. Hier fangen sie schon um 03:50 an, den Leuten ihre Religion einzutrichtern, mit einer Lautstärke, die man im Umkreis von 5km nicht überhören kann, auch nicht, wenn man so wie ich, wie ein Stein schlafen kann. Und in diesem Umkreis gibt es hier 5 bis 10 Moscheen. Ich höre es und schlafe sofort wieder ein. Jeder Europäer würde das als Terror bezeichnen, auch ich denke das. Sagen kann man es aber nicht. Die Leute sind ausnahmslos alle damit einverstanden. Den letzten Kritiker an den religiösen Gepflogenheiten habe ich in der Türkei getroffen, danach keinen einzigen mehr. Nein, in Indien, in Kerala noch ein letztes Mal. Im Iran richtet sich die Kritik gegen die politischen Zustände und -Führer, nicht gegen die Religion an sich. Ich glaube, jede Kritik wird hier als Blasphemie gewertet und strengstens bestraft. Und zwar bei allen Religionen, auch bei den Christen. Die betreiben ja die gleiche Gehirnwäsche und keiner kann es wagen irgendwas zu kritisieren. Auch nicht die Jungen. Uberhaupt wird jede Art von Kritik als Feindschaft gewertet, so ist das auch bei den meisten Menschen in Europa. Eine sachliche Auseinandersetzung mit kritikwürdigen Zuständen und Gepflogenheiten ist so unmöglich, deshalb ändert sich auch nichts oder viel zu langsam. 

Mo 11.11. Probolinggo (km 24.308)

Ich kontrolliere täglich meine restlichen Streckenkilometer und die Zeit, die ich noch habe, nicht dass ich mein Visum nochmal überziehe. Hier in Asien sind die Strafen unverhältnismäßig hart, bis hin zur Prügelstrafe. Sogar in Singapur gibts das noch.

Dabei wurde langsam deutlich, dass ich noch ein Stück mit dem Zug fahren muss. Und das tue ich gerade. Von Tjepu oder Cepu (man findet beide Schreibweisen) nach Probolinggo sind es über Surabaya nochmal 240 km. Jetzt ist es hier 22:20 Uhr, Ankunft etwa Mitternacht. Ich weiß noch nicht wo ich dann schlafe. Es gibt viele Hotels dort, einige für mich erschwinglich, aber ob ich da so spät noch reinkomme?

Zwischenstation in Surabaya mit Umsteigen zu einem anderen Bahnhof und 5 Stunden Aufenthalt. Auch hier braucht man inzwischen 3 Hochhäuser. Fußgänger Ampeln brauchts aber nicht. Es gibt zwar Zebrastreifen an den meisten Kreuzungen, aber die sind sowas von wirkungslos, das glaubt man nicht. Kein einziger Fahrer denkt auch nur im Traum daran zu bremsen, wenn man die Straße überqueren will. Im Gegenteil, sie geben noch Gas und hupen mich strafend an. Sie bremsen erst und zwar abrupt, wenn ich todesmutig einfach losgehe. Die einzige gültige Regel ist: sie dürfen mich nicht überfahren. Und irgendwann muss ich rüber. Die Verkehrsströme fließen absolut lücken- und pausenlos. Wenn ich da auf eine Gelegenheit warte, kann ich lange warten. Da würde ich vorher sterben. Und das funktioniert überall, da braucht es keine Zebrastreifen, allerdings mit einem sehr hohen Todesrisiko für die Fußgänger. Sie malen Zebrastreifen auf die Straße und erklären der Polizei nicht, wie man die Regeln durchsetzt. So ist das in ganz Asien, mit Ausnahme von Singapur. Dort sind die Kraftfahrer noch viel rücksichtsvoller als in Deutschland. Schon auf den Verdacht hin, ich könnte die Straße überqueren wollen, 10 m bevor ich überhaupt am Straßenrand bin, bleiben sie stehen und zwar ausnahmslos alle. Vielleicht steht dort auf Nichtbeachtung der Fußgänger Vorgehrechte auch eine Prügelstrafe. 

Di 12.11. Jember (km 24.332)

Der Zug stoppte in Probolinggo, aber der Bahnsteig war kürzer als der Zug. Viel kürzer. Wenn man ein Ticket kauft, stehen da Wagen- und Sitznummer drauf und die Schaffner kontrollieren, dass auch niemand einen falschen Platz okkupiert. Mich haben sie in den vorletzten Waggon einquartiert. Um aussteigen zu können, müsste ich mich wohl 3 Wagen weiter nach vorne kämpfen und das ist schwierig in dem Gedränge. Viele Gepäckstücke versperren mir zusätzlich den Weg. Die anderen Passagiere, die hier aussteigen, wissen das und gehen rechtzeitig nach vorne. Ich schaffte es nicht, bevor der Zug losfuhr. Da hoffte ich noch,  dass er für mich nochmal stehenbleibt, tat er aber nicht. Das nächste Mal stoppte er 90 km später in Tanggul, weit abseits im Südosten von meiner geplanten Route. Auch hier kein Bahnsteig so weit hinten. Aber diesmal bat ich einen andeten Passagier um Hilfe, kletterte zuerst hinunter aufs Schotterbett und nahm dort meinen Anhänger entgegen. Ich kämpfte mich vor bis zum Bahnsteig, verließ dann unbehelligt nach 01 Uhr früh den Bahnhof (hatte schon befürchtet nachzahlen zu müssen) und fand schließlich eine Polizeiwache. Der Oberwachtmeister war aber schon längst nach Hause gegangen und die kleinen Beamten trauten sich nicht, eine so weitreichende und womöglich folgenschwere Entscheidung zu treffen. So brachten sie mich zum nächsten Hotel, weckten den Pförtner und ich bekam ein Zimmer. Wenigstens war es billig (100.000 Rupia / 6,-€) und ich konnte am nächsten Morgen (heute früh) ausschlafen.

Mi 13.11. Jember (km 24.358)

Letzte Nacht habe ich kurz vor Jember in einem Busterminal übernachtet, aber nicht im Warteraum auf den Bänken, was einige hier machen und ich auch schon gemacht habe. Jetzt bin ich, egal wohin ich komme, ein VIP Gast und als solcher hat man ein Vorrecht auf ein kostenloses Zimmer mit Dusche und Abendessen. Finde ich sehr angenehm und sehe es als Lohn für meine Leistung. Nur das Bett war ein bisschen zu kurz geraten, hier bin ich ja ein Riese.

Jetzt habe ich ein neues Haus gefunden das noch nicht bewohnt ist, der Besitzer wohnt gleich daneben. Ich fragte ihn weil es verlockend aussah: ja klar kannst du hier schlafen. Du musst mir nur morgen früh den Schlüssel bringen. In Deutschland unvorstellbar. Toilette und Dusche sind auch schon benutzbar. Gottseidank kein Abendessen. Ich lege schon wieder zu.

Do 14.11. Krikilan (km 24.393)

Meine Simkarte war schon wieder leer, obwohl ich das letzte Mal ein üppiges Datenvolumen gekauft hatte. Langsam kenne und verstehe ich die Machenschaften der Provider. Als ich am Flughafen in Medan nach einer geeigneten Simkarte fragte, habe ich ausführlich erklärt was ich tue und gefordert, dass sie überall in Indonesien funktionieren soll. Dann must du diese hier nehmen, sagte er und ich folgte. Inzwischen haben sie, hat man mir erklärt, die Regeln geändert. Die Karte funktioniert schon, aber das Datenvolumen, das man extra kaufen muss, ist jetzt lokal begrenzt und diese Lokale sind so klein, dass ich sie in 2 - 3 Tagen durchquert habe. Wie unsere Landkreise. Das Restguthaben stiehlt der Provider einfach. Wo genau diese lokalen Grenzen sind, weiß kein Mensch. Ich kann mir also nicht ausrechnen, wie oft und wo und wieviel Gigabyte ich dann jedesmal kaufen muss. Das ist mir eindeutig zu blöd. Ja, dann gibt es eine Alternative, doch die alte Methode, ein Volumen für ganz Indonesien, aber dafür brauche ich eine andere Simkarte, kostet zusammen 360.000 Rupia (22,-€) arbeitet 3 Monate lang und hat ein Guthaben von 25 Gigabyte. Inzwischen weiß ich, dass ich durchschnittlich 200 Megabyte täglich verbrauche. Wenn ich mein Visum nochmal verlängere, habe ich noch 6 Wochen, dann brauche ich 8,5 Gigabyte, so wenig gibts aber nicht, das bedeutet, ich muss zustimmen, dass der Provider den Rest stehlen darf. "Dann haben wir noch eine Variante": ich kaufe für z.B. 300.000 ein Guthaben, bekomme eine App aufs Handy und kann dann wöchentlich einen fast beliebigen Betrag runterladen, gilt für jeweils eine Woche, Minimum 1 Gigabyte. Den Rest stehlen sie am Ende der Woche. Ich kann ja neu buchen. Ich glaube, damit komme ich noch am günstigsten weg. Das habe ich dann gemacht. Fazit: was immer man wählt, man hat nur die Wahl zwischen Pest und Cholera. Ich muss immer mehr bezahlen als ich verbrauche, für sie eine Goldgrube, für mich ein klarer Fall von Machtmissbrauch und Betrug, würde ich als König der Welt ganz klar sofort verbieten. Den real existierenden Regierungen ist das scheißegal, oder haben sie ihre Finger im Spiel?

Fr 15.11. Banyuwangi (km 24.429)

Noch 8 km bis zur Fähre nach Bali.

Auch in Java zieht sich eine Bergkette der Länge nach mitten durch die Insel. Und das sind alles Vulkane, viele davon aktiv. Dieser hier ist der letzte ganz im Osten, es handelt sich um eine Gruppe von aktiven und inaktiven Vulkanen. Im Bild sieht man den Raung, 3300 m hoch, der gilt als erloschen. Weil sich die Erdkruste infolge der Kontinentaldrift langsam über dem Erdmantel verschiebt, schafft sich der Vulkan von Zeit zu Zeit immer wieder ein neues Ventil, um Druck abzulassen, so entstehen an verschiedenen Orten auf der Erde solche Vulkanreihen. Der Berühmteste in dieser Reihe ist der Ijen, 2300 m hoch. Der hat einen der säurehaltigsten Kraterseen, die Caldera dünstet schwefelhaltige Gase aus, die nachts blau leuchten und die Wissenschaftler sagen, er sei unberechenbar. Es gab im letzten Jahrhundert mehrere Ausbrüche mit vielen Toten, der letzte war 1999 und es gab in der Geschichte verheerende Eruptionen, ähnlich wie beim Toba auf Sumatra. Trotzdem leben die Menschen hier sorglos, als wäre es ein ganz normaler Berg.

Ich schlafe wieder im Hotel, ein "Dormitory", mitten in Banyuwangi, das billigste bisher in Indonesien. 75.000 R/5,-€, hätte ich nicht erwartet. Allerdings gibt es nur 6- oder 8-Bett-Zimmer, aber keine Gäste, so habe ich so ein Zimmer für mich allein. Einen Gast gab es aber doch noch außer mir, ein Pole namens Peter und der hatte auch so ein Zimmer für sich allein. Und der erzählte mir, er hat für heute Nacht eine Tour auf den Vulkan gebucht. Sie fahren mit Kleinbussen oder Geländewagen hin, ich weiß nicht, wo sie dann losgehen, aber sie gehen zum Giftkratersee und dann noch weiter bis zu irgendeinem Gipfel. Start ist um Mitternacht, oben erwarten sie den Sonnenaufgang. Stelle ich mir sehr interessant vor, aber ich glaube, ich bin zu müde dafür, wegen meiner täglichen Kilometerleistung. Außerdem verliere ich dann einen Tag und ich weiß nicht, ob ich mir das jetzt leisten kann. Die Hauptstadt von Bali heißt Denpasar (Pasar steht für Basar, ein Markt) und dort muss ich mein Visum wieder verlängern lassen und ich muss ein paar Tage vor Ablauf dort sein.

Bali

Sa 16.11. Penginoeman (km 24.449)

Das oe ist ein holländisches Erbe aus der Kolonialzeit und wird als u gesprochen.

Blick auf Bali (5km). Die Fähre hat lange gewartet, dass noch ein paar Passagiere kommen, schließlich fährt sie aber doch fast leer hinüber. Scheint gerade eine ruhige Saison zu sein.

Ab hier beginnt die nächste, die Zentralindonesische Zeitzone, ich muss meine Uhr um eine Stunde vorstellen, jetzt habe ich wieder 7 Stunden Abstand zu euch. Das war in Thailand und Malaysia auch schon so obwohl die viel weiter westlich liegen. Dort waren Sonnenauf- und -untergang erst nach 7, hier ist es um 6 Uhr, hier stimmt die Wahl. Bali hat natürlich eine eigene Sprache, in Sumatra und auf Java waren es viele verschiedene, und nicht alle können indonesisch, noch weniger englisch.


Die Menschen hier sind zu 92% Hindus und nur 5% Muslime. Sie stammen überwiegend aus Indien (vor 3500 Jahren), aber das tun die meisten Indonesier. Nur hier haben sie sich erfolgreich der Islamisierung vor 600 Jahren widersetzt. Sie sind nicht Hindus, weil das wie sie glauben die wahre Religion ist, sondern weil sie ein militärisch starkes Königreich waren und das Interesse der Muslime an Bali begrenzt. Überall auf der Welt haben frühere Machtverhältnisse bestimmt welche Religion die Menschen für die "richtige" halten. Auch heute noch. Daran sieht man klar und deutlich wie lächerlich das alles ist.

Indonesien hat über 250 Millionen Einwohner, 155 davon leben auf Java und nur 50 auf Sumatra, obwohl das 4mal so groß ist, größer als Deutschland. Die Bevölkerungsdichte ist auf Sumatra 106 Menschen pro qkm, etwa wie in Österreich, auf Java 1120 und auf Bali immer noch 760. Und diese Zahlen sind schon 4 Jahre alt. Deutschland z.B. hat 230. Da kann doch niemand behaupten, das Boot sei voll.

Was ich aber die ersten paar km auf Bali gesehen habe läßt mich glauben, die wahre Bevölkerungsmehrheit haben hier die Affen. Es handelt sich um Makaken, die meisten kaum größer als Katzen, die Alphamännchen doppelt so groß. Sie haben gelernt, dass es einfacher ist, am Straßenrand nach Abfällen zu suchen, oft füttern die Leute sie auch noch absichtlich, sie wissen nicht, dass die Affen dadurch von ihrem natürlichen Umfeld entfremdet und lebensuntüchtig werden. Trotzdem vermehren sie sich dabei übermäßig. Viele Kadaver zeigen auch, dass sie dem Verkehr nicht gewachsen sind. Bei ihnen entdecke ich Parallelen in meiner Gefühlswelt zu der von Hunden. Natürlich haben die Affen Angst vor mir (schon wegen des Größenunterschieds) und ihre Gesichtsmimik interpretiere ich (gefühlsmäßig) als Aggression und bekomme meinerseits Angst und bewaffne mich vorsichtshalber mit einem Stock. 

Mo 18.11. Surabrata Balian (km 24.514)

Di 19.11. Canggu Badung (km 24.551)

Das ist ein westlicher Vorort von Denpasar, der Hauptstadt von Bali. Bis zur Einwanderungs Behörde sind es noch 10 km von hier.

Hier, das ist eine Möbelhalle. Ich fragte in einer Gaststätte nach einem Schlafplatz und die fragten den Inhaber dieser benachbarten Schreinerei und der wies mir ein Sofa zu, noch ohne Polster, aber mit meiner Isomatte ein ideales Bett. Ich muss anerkennend sagen, die machen ordentliche Schreinerarbeiten. Für meinen Geschmack ein bisschen zu Barock, aber die handwerkliche Qualität ist Spitze und alles aus Massivholz. Die Jungs die hier arbeiten, alle so um die 20, schlafen auch teilweise hier. Sie haben auch eine asiatische Dusche, die muss ich mal beschreiben. Das ist die Toilette mit Hocke-Kloo, daneben gibt es einen Wasserhahn und darunter steht ein größerer Eimer, wahlweise auch ein betonierter Bottich mit einer Plastik Schöpfkelle. Der Fußboden ist betoniert oder gefliest mit Gefälle zum Gulli in irgendeiner Ecke. Das wars dann auch schon. Aus diesem Eimer schöpft man das Wasser für alle Zwecke: Hintern waschen, Kloo spülen, oder auch duschen. Es gibt kein Kloopapier, meist keinen einzigen Haken oder Nagel, an dem man seine Klamotten oder das Handtuch aufhängen könnte, deshalb nur das nötigste mitnehmen, kein Waschbecken und keine Ablage für die Seife. Meistens sind die Wände nur knapp 2 m hoch, da kann man dann die Textilien drüberhängen, aber Vorsicht, es ist so gut wie immer alles extrem schmutzig, manchmal auch das Waschwasser, ich habe schon oft zuerst den Eimer ausgeleert gereinigt und neu befüllt, bevor ich das Wasser benutzen konnte. 

In seltenen Ausnahmefällen gibt es eine europäische Dusche und wenn sie funktioniert, dann hat man schon Glück. Manchmal findet man auch ein Sitzkloo, aber die Asiaten verstehen es nicht und wissen nicht damit umzugehen, entsprechend sieht es dann immer aus, besonders die Brille. Ich finde es unter diesen Umständen absolut unbenutzbar.

Wenn es ein Waschbecken gibt, dann wird der Wasserhahn daran nicht befestigt, er hängt lose im Loch, die Wasserleitung ist ein Plastikschlauch, so muss man den Hahn beim aufdrehen festhalten, sonst dreht er sich einfach mit. Außerdem ist keineswegs klar, in welche Richtung man drehen muss. Es gibt links und rechts zu öffnende Hähne.


Mi 20.11. Denpasar (km 24.567)

Wenn man in den für hiesige Verhältnisse sündhaft teuren Touristenhotels absteigt, dann kriegt man von all dem natürlich nichts mit. Ich fühle mich magisch angezogen von Orten, die Einheimische benutzen. Erstens habe ich auch wenig Geld, und zweitens bin ich ja nicht losgezogen, um nur die schönen Dinge zu konsumieren bzw. sie mir vorgaukeln zu lassen, ich möchte die Welt so sehen wie sie ist. Das Leben der Menschen ist mühsam, schmutzig und beschwerlich, im Rest von Asien noch viel mehr als hier in Indonesien. Und diese hässlichen Lebensbedingungen sind geschaffen von den Menschen, von Habgier einer Minderheit, die besser gebildet ist und die Macht hat, über die Verteilung der Resourcen zu bestimmen, und damit das so bleibt, auch über die Verteilung von Bildung. Das ist in Deutschland übrigens nicht anders. Wers nicht glaubt, der soll sich mal die Zahlen über den Zusammenhang von Schulbildung und sozialer Herkunft anschauen. 

Mein vorläufiges Fazit: die Welt in der wir leben, ist schon (oder immer noch) das Paradies, das uns immer versprochen wird (wenn wir bis an unser Lebensende stillhalten), oder von dem wir träumen dürfen. Fast alle Probleme, die uns zu schaffen machen, sind made by human. Inzwischen sehe ich deutlich, wie wir uns das Leben gegenseitig, meist aber von oben nach unten, schwer machen und glauben, das müsste so sein, bloß weil wir es nicht anders kennen. 

Das Bajra Sandhi Monument.

Ein Kriegerdenkmal für die Kämpfe um Unabhängigkeit von den Holländern, während der letzten Jahrhunderte, mitten in der Stadt. Nicht weit von hier ist das Einwanderungsbüro, das für alle auswärtigen Angelegenheiten zuständig ist, so auch für Visa Verlängerungen.

Ich bin zuerst dorthin gegangen, bin aber wieder an der Bürokratie gescheitert. Ich hatte mir schon ein Hotel ausgesucht, damit ich ihnen eine Adresse zeigen kann, aber damit geben sich die Sesselfurzer dort nicht zufrieden. Ich muss eine schriftliche Bestätigung vorlegen, ebenso eine Adresse in Osttimor, mein nächstes Land. Also morgen wieder. Und dann dauerts nochmal 6 Tage. Zuvor muss ich nochmal aufkreuzen um 500.000 Rupia zu bezahlen und meine Fingerabdrücke abzugeben. Also wieder 3 mal. Das war in Padang auch so, nur dort ging es in 4 Tagen, inclusive Wochenende. Deshalb habe ich das Hotel nach 2 Kriterien gewählt, Preis und Entfernung von dieser Behörde. Und ich fand das billigste Hotel ever, 4 km entfernt. Ein Backpacker Hostel, immer noch Stadtmitte, 4 Bettzimmer für 50.000 R. (3,-€) die Nacht. Unter den Umständen bleibe ich gleich eine Woche, und dann kostet es nur noch 45.000. Es ist verhältnismäßig sauber, Tee und Kaffee gratis so viel man will, sogar eine funktionierende Dusche.

Do 21.11. Denpasar (km 24.588)

Es hat geklappt, diesmal waren meine Unterlagen vollständig, der 2. Schritt geht erst am Montag. Mit ihrem umständlichen Prozedere stehlen sie mir eine Woche 

meiner eh schon knappen Zeit und verursachen unnötige Hotelkosten. Und was ich bis jetzt gesehen habe, ist Denpasar eine langweilige Stadt mit 650.000 Einwohnern.

Das Ostufer in Höhe der Stadtmitte, Sanur heißt das Viertel. Diesen Weg bin ich etwa 4 km gegangen. Rechts die teueren großen Hotels mit ihren Swimmingpools in idyllischen Privatparks, die entsetzlich nach Chlor stinken, idyllische Restaurants und Cafes mit fast europäischen Preisen und links das Meer und ein penibel sauberer Sandstrand. Die Abwasserrohre der Stadt sind hier nur verlängert und leiten ihren stinkenden Inhalt so weit draußen ins Meer, dass es niemand merkt. Hier ist das touristische Zentrum, man sieht aber zur Zeit nur wenig Touristen aus aller Welt und ihr Pflegepersonal. Dieses Bild hat sich auf den 4 km nicht verändert. Auf dem Weg zurück von der Südseite konnte ich deutlich den Aktionsradius der Touristen sehen und der ist noch kleiner als ich dachte. Etwa alle 250 m (Meter!) haben sich das Preisniveau und die Hygienestandards halbiert und waren nach einem km Abstand vom Strand schon wieder auf dem durchschnittlichen indonesischen Großstadtniveau. Ein Affenzirkus in meinen Augen, den der Tourismus erzeugt.

Sa 23.11. Denpasar (km 24.618)

Badung ist eine Region im Norden, Westen und Süden von Denpasar. Bali ist eine indonesische Provinz, unterteilt in 8 Regierungsbezirke (+ Hauptstadt), Badung ist einer davon. Dieser Basar wird als sehenswürdig angepriesen. Es ist ein großes Kaufhaus, aber nicht wie in Europa ein einziges Unternehmen, sondern mit gefühlt 1000 kleinen Pächtern, die alle nur die Fläche für ihren Verkaufsstand gemieted haben. Das Gebäude selber ist gebaut wie ein Parkhaus mit 4 Etagen, das sieht tatsächlich aus wie auf einem Marktplatz. Angeblich gibt es hier alles, stimmt aber nicht. Es gibt schon viel: Juweliere, Kunsthandwerk, Kitsch, Klamotten, Lebensmittel und noch viel mehr. Die Gerüche sind sehr intensiv: vom Kadavergestank der Metzgereien und Fischverkäufer bis zu den exotischen Düften von Obst, Gemüse, Kräutern, Blumen und Gewürzen. Obst und Gemüse werden in ganz Asien getrennt behandelt wie Teufel und Weihwasser. Noch nie habe ich irgendwo einen Verkaufsstand oder Laden gesehen, der beides hatte. Immer ent- oder -weder. Ich verstehe das nicht. 

Südlich von Denpasar gibt es noch einen geschützten Mangrovenwald. Irgendwo von der Nordseite aus haben sie wunderschöne Holzstege hineingebaut, der Boden ist viel zu sumpfig, um ihn betreten zu können. Von Ausländern verlangen sie 200.000 R Eintritt, für Einheimische ist es wesentlich billiger. Hier weiß ich es nicht, meistens ist es nur ein zehntel davon. Mein Verhältnis zum Geld passt sich im Laufe der Zeit an das der normalen Menschen an. Wenn z.B. ein Mittagessen 10.000 bis 20.000 R kostet, dann erscheinen mir 200.000 als aberwitzig viel. Dann verzichte ich. Für normale Touristen, die nur 3 Wochen hier sind, sind 13,-€ in Ordnung. Wenn ich ein Budget von 1000 € monatlich hätte, wärs das vermutlich für mich auch, aber dann wäre ich nicht zu so weitgehender Anpassung gezwungen und das hätte auch Nachteile. So schwimme ich im Volk wie ein Fisch im Wasser, fühle mich fast wie sie, und werde auch oft so behandelt. Die Leute spüren das. So bin ich viel näher dran und das liebe ich, das macht einen großen Anteil an den Glücksgefühlen auf meiner Reise aus. 

Ja und weil die Touristen keinen "unnötigen" Meter zu Fuß gehen, sehen sie auch nicht, dass es nur 100 m weiter normale Forstwege in diesen Mangrovenwald gibt. Sind zwar auch alles Sackgassen, aber hier bin ich ungestört, kann Krabbenkolonien beobachten, Vögel, die Jagd auf sie machen, wie schnell sie in ihren Löchern verschwinden und nach einer Minute vorsichtig herauslugen, ob die Luft wieder rein ist. 

Nochmal zum Geld: ich muss ja auch sparen, Australien, Neuseeland und der Flug über den Pazific werden teuer.

So 24.11.

Könnten wir uns nicht ein Beispiel an diesem Baum nehmen und einfach über unsere Begrenzungen hinauswachsen?

Mo 25.11. (Km 24.642)

Ich war in dieser fucking Einwanderungs Behörde, meinen  Pass mit dem Verlängerungs Stempel bekomme ich erst am Donnerstag, das sind dann 8 Tage. Und darüber kann ich mich nicht mal beklagen, im Internet schreibt einer von 11 Tagen.

Ich habe mir die Westküste angeschaut, ein ähnliches Bild wie im Osten, nur viel mehr Touristen. Hier werben sie mit dem Sonnenuntergang und der liegt normalen Touristen mehr als der Sonnenaufgang (zu früh). Und weil sie selber der wichtigste Magnet sind, entsteht so ein Boom als Kettenreaktion, je mehr da sind, desto mehr kommen. Hier hat es auch mehr den Charakter von Stadtzentrum. Denpasar ist eigentlich ein riesiges Dorf. Nur die Hauptstraßen tun so, als wären sie Zentrum. Alle und überall. Schick, moderner und sauberer und teurer. Und dazwischen kaum durchgehende Straßen, meistens Sackgassen. So bilden sie abgeschlossene Viertel (Tausendstel) wie in vielen asiatischen Städten. Die Fußgänger Wege sind hier noch mit am besten, das heißt zu 20% benutzbar. Als König der Welt würde ich sofort verfügen, dass jeder, der einen Fußgängerweg versperrt, für eventuelle Unfälle mithaftbar ist.

Di 26.11. Denpasar (Km 24.659)

Dieser Tunnel ist aus lebendem Bambus gemacht, indem sie einfach die Spitzen zusammengebunden haben. Im grünen Stadium sind sie noch viel flexibler als im trockenen-. 

Ich war nochmal an der Westküste, etwas weiter nördlich, dort kommt man kilometerlang überhaupt nicht mehr ans Meer, dort haben sie den Strand komplett an die großen Hotels verkauft. Und die scheinen gute Geschäfte zu machen, hier haben die Touristen die Bevölkerungsmehrheit. Und der Speckgürtel entlang der Küste ist auch etwas breiter, aber mir unsympatisch. Überall in Indonesien haben mir die Leute vorgeschwärmt, wie toll und schön es auf Bali ist, da haben meine Alarmglocken schon vorsichtig geläutet. Ja, wenn man noch nie so viel nacktes Fleisch gesehen hat wie hier zu Markte getragen wird, dann macht das sicher einen nachhaltigen Eindruck. Indonesische Frauen würden das nie wagen. Nur die Hälfte trägt ein Kopftuch, und manche kleiden sich auch erstaunlich freizügig, aber das was die Touristen hier machen, ist nochmal eine andere Dimension. Als hätten sie noch nie etwas von den Sitten und Gebräuchen, von den Verfehlungen und Ängsten, von den Vorsichtsmaßnahmen der Frauen (die machen das doch nicht grundlos) gehört. Girls just wanna have fun. Auf mich wirkt das manchmal so brutal, dass ich mich für sie schäme. Und es wundert mich, dass nicht mehr passiert. Was bedeutet, dass die meisten Männer sich doch, trotz allem, erstaunlich gut unter Kontrolle haben. Wenn man das Patriarchat hier eine Weile beobachtet, dann macht man sich Sorgen um die Sicherheit der jungen Damen. Die aber wissen nicht, was sie tun.

Do 28.11. Ketewel (km 24.687)

Um 14 Uhr hatte ich meine Verlängerung und zwar 30 Tage nach Ablauf des Visums. Das ist nicht überall so. In manchen Ländern gilt es ab Antragstellung, das heißt, wenn man 3 Tage zu früh kommt, sind die verloren.

Lombok

Fr 29.11. Lembar (km 24.715)

18:20 Uhr. Wenn zwischen Lembongan und Penida die gelbe Sonne im Meer versinkt, bin ich auf dem Schiff von Bali nach Lombok, genauer von Padang Bai nach Lembar und genau an dem Punkt, wo die Sonne in der Meerenge zwischen den Inseln verschwindet. Ein bisschen zu weit weg. Abfahrt war um 17 Uhr, Ankunft um 22 Uhr. 70 km. Diesmal war die Fähre proppenvoll so dass allein das Aussteigen schon 1 Stunde gedauert hat. Die LKW waren so dicht gepackt, da war für mich kein Durchkommen, wollte auch nicht in ihren Abgaswolken im Schiffsbauch schlangestehen, ich musste ihnen die Vorfahrt überlassen. Wider Erwarten bekam ich um 23 Uhr in der nächsten Moschee einen Schlafplatz.

Geografisch gehört Lombok zu den Sundainseln und die reichen von Bali bis einschließlich Timor Leste. Politisch ist das die Provinz Nusa Tenggara und da gehören auch noch die nächsten östlichen Inseln Sumbawa und Flores dazu und noch viele kleine drum herum. Und dann gibt es noch eine biogeografische Grenze zwischen Bali und Lombok, Flora und Fauna unterscheiden sich hier in einen asiatischen Teil westlich und den australischen- östlich davon. Von Flores geht mein Weg nach Timor. Lombok ist wie viele Indonesische Inseln eigentlich nur ein einziger Vulkan. Dieser hier heißt Rinjani, ist mit 3726 m der zweithöchste von ganz Indonesien und den Menschen heilig. Klar, sie sind ihm auf Gedeih und Verderb ausgeliefert und er hat schon ein paar mal fast die gesamte Bevölkerung ausgelöscht. Er ist immer noch sehr aktiv, das letzte Mal im Sommer 2018 und 2 Jahre vorher das vorletzte-. Das waren aber nur vergleichsweise kleine Eruptionen. Z.B. 1257 hat ein Ausbruch einen globalen Winter ausgelöst, d.h. der nächste Sommer ist in Europa ausgefallen, mit entsprechenden Ernteausfällen und Hungersnöten. Solche Kaliber gibts hier viele. Fürs Klima möchte man sich sowas wünschen, aber bitte nicht zu stark, für die Menschen hier besser nicht.

Wir werden von den Inonesiern lernen müssen, wie man mit dem sicheren Untergang gelassen weiterleben kann, denn der nächste schwere Ausbruch ist gewiss, nur weiß keiner, wann und wo, so wie langsam zur Gewissheit wird, dass wir so blöd sind, das Klima endgültig zu Grunde zu richten, nur weiß keiner, wann die Menschheit dann ausstirbt.

Sa 30.11. Ubung (km 24.737)

Heute hat es zum ersten Mal seit Wochen wieder geregnet und das heftig. Ich flüchtete zum nächsten Bauernhaus, die Leute waren hocherfreut über meinen Besuch. Sie brachten mir Kaffee und wollten mir auch was zu essen geben, das musste ich aber leider ablehnen, weil ich zuvor schon gegessen hatte. Das wäre ja kein Problem, ich kann auch locker 2x hintereinander essen, aber ich erlaube es mir nicht. Ich schleppe genug Reserven mit mir rum. Mein "innerer Esser" wird es mir nicht verzeihen. Die Leute erzählten mir, hier regnet es jeden Tag. Das ganze Jahr. Nach einer Stunde war es vorbei, ich konnte weitergehen, die Sonne kam wieder heraus, es war schwülheiß. Nachmittag so gegen 4 genehmigte ich mir die nächste Kaffeepause, hier in Ubung. Da sprach mich einer an, er möchte mich zum Essen einladen. Jetzt wars ok, frühes Abendessen. Später erfuhr ich, das war so was wie ein Bürgermeister. Er schleppte mich zu einem Haus, dort fand eine Zeremonie statt. Drinnen saßen etwa 25 Männer, die Frauen waren vermutlich in der Küche beim Kochen. Zuerst wurde gebetet, dazwischen 5 minutenlange Mantras rezitiert, 3 oder 4 Worte, eines erkannte ich als Allah, in gefühlt endlosen Wiederholungen, ein monotoner Gesang. Nach einer halben Stunde gabs dann Essen für alle. Reis, Gemüse, Fleisch und schon wieder Kaffee. Auch in Indonesien essen die meisten Menschen, nicht alle, mit der Hand. Ich kann es inzwischen schon etwas besser, aber ein Löffel ist mir lieber. Das ganze war eine nachträgliche Hochzeitsfeier von einem der Anwesenden, fürs Dorf. Die Gäste waren jedenfalls nicht die besten Freunde, dafür ging es viel zu steif zu. Zum indonesischen Kaffee: manchmal findet man ein Cafe mit einer italienisch aussehenden Kaffeemaschine, die können Espresso, Cappucchino, Latte Machiato, alles in ordentlicher Qualität, 3x so teuer (immer noch billig) wie der traditionelle indonesische Kaffee (20 bis 30 Cent). Sie nennen ihn Kopi, der wird gemacht, wie man das in Deutschland als türkischen Kaffee bezeichnet. Gemahlenen Kaffee und Zucker in die Tasse, heißes Wasser drauf, umrühren, 5 Minuten warten, dann setzt sich das Kaffeepulver, fertig zum Trinken. Es gibt auch noch verschiedene Nescaffees, aber der traditionelle schmeckt mir inzwischen von allen am besten. Die Kaffeebohnen werden überall kultiviert und geröstet, schmecken wie der Kaffee in Deutschland auch.

Hier haben sie mir erzählt, dass es heute zum ersten Mal seit langer Zeit endlich wieder geregnet hat!? Die Distanz zum Bauernhaus ist nur 10 km und beide Orte liegen südöstlich vom Vulkan. Das verstehe wer will.

Der Vulkan ist noch nicht das einzige lebensgefährliche Problem. Am 5. August 2018 hatten sie ein Erdbeben der Stärke 6,9, bei dem "mindestens" 480 Menschen starben, um die 400.000 wurden obdachlos. Bei 3,5 Millionen Einwohner ist das schon eine Menge. 2 Wochen später dasselbe nochmal, dazwischen jede Menge kleinerer Nachbeben. Beim ersten Beben gabs auch einen kleinen Tsunami, aber nicht bis hierher. Wir sind schon viel zu weit im Landesinneren auf 90 m über dem Meer. Alles ganz normal auf dem pazifischen Feuerring. Inzwischen war es abend und einer der Gäste, Rusni, 30 Jahre alt, lud mich ein bei ihm zuhause zu übernachten. Nette Familie, der Vater ist so alt wie ich, herzkrank, spindeldürr und hustet, die Mutter sieht noch fit aus. Unzählige Familienmitglieder, Onkel, Tanten, Geschwister (die ältesten sind schon um die 50), deren Kinder. Dazu noch jede Menge Nachbarn, alle kamen um den Alien zu sehen. Dabei sind Touristen hier nicht so selten. Sie erzählten mir vom Erdbeben, welche Ängste das ausgelöst hat, zeigten mir die Risse im Haus, vieles funktioniert seitdem nur noch provisorisch, aber das Leben geht weiter. 

Rusni war als junger Mann in Saudi Arabien, hatte einen Job als Koch. Die leben in Saus und Braus, haben Geld ohne Ende, müssen nicht arbeiten und haben ihn behandelt wie einen Hund. Immer nur arbeiten, keinen freien Tag, nicht mal genug Zeit zum schlafen und wenig Geld. Das hat er nur 3 Jahre ausgehalten. Danach ging er zur indonesischen Navy, den Seestreitkräften. Hier hat er wenigstens die Wochenenden frei, normalerweise. Einer seiner Brüder hat ein Zimmer hier im Haus, da betreibt er einen mobileshop, repariert auch Handys. Hier schlafen wir, Rusni auf einem dünnen Teppich, ich bekomme eine Matratze. Jetzt ist es hier 4 Uhr morgens, der Lautsprecher der Moschee plärrt. Als ich das zum erstenmal erlebte, in der Türkei, konnte ich kaum glauben was ich hörte. Das war so surreal, unglaublich. Wer in einem säkularen Land aufgewachsen ist, für den ist das unvorstellbar, der erkennt darin sofort die Gehirnwäsche Absicht. Auf Lombok sind die Menschen wieder zu 90% Muslime und haben nicht die geringsten Zweifel, dass ihre Religion die einzig wahre und richtige ist. Weil ihnen das seit 400 Jahren eingeprügelt wurde und immer noch wird. Diese Lautsprecher empfinde ich auch als Gewalt, als Vergewaltigung. Das machen in Asien alle Religionen so, auch die Christen. Hier darf ich nicht sagen, dass ich Atheist bin, dann wissen sie sofort, ich bin asozial, rücksichtslos und eine Gefahr für die Menschheit. Das habe ich auch schon in der Türkei gelernt. Vor ein paar Wochen habe ich geträumt, den Behörden hier ist die Adresse meines Blogs in die Hände gefallen und es hat ihnen nicht gefallen, was sie da lesen mussten. Schließlich verurteilten sie mich zu 135 Stockschlägen. Mir war klar, dass man sowas nicht überleben und meine Rettung nur in Selbstmord bestehen kann. Ich habe den Gedanken dann nicht weiter verfolgt.

So 01.12. Masbagik (km 24774)

Das ist er, der Rinjani von Süden, Entfernung etwa 25 km, im Vordergrund abgeerntete Reisfelder. Hier hielt ein Motorrad neben mir, Vater und Tochter, und die sprach mich auf Deutsch an. Aus der Aufschrift an meiner Box hat sie auf meine Herkunft geschlossen. Nach einem kurzen Gespräch, es war schon abend, lud sie mich ein, in ihrem Elternhaus zu übernachten, dort konnte ich duschen, bekam zu essen und eine Matratze auf dem Fußboden. Sie studiert Medizin am Bodensee, dafür meinen allerhöchsten Respekt. Ihr Vater hat eine Apotheke hier, und dann war da noch ihr Bruder, der hat auch grad Urlaub, er arbeitet in Kuala Lumpur, Malaysia, irgendwas mit Computer. Ihre Namen habe ich leider alle vergessen.

Sumbawa

Mo 02.12. Alas (km 24.803)

Der Bruder brachte mich nach dem Frühstück mit dem Auto zur Fähre nach Lombok City. Ich glaube, ich muss von nun an mitrechnen, wieviel CO2 ich verursache. Das waren dann 2x 31km a (geschätzt) 150g = 9,3 kg. Das habe ich nur gemacht, weil meine Zeit bis Dili immer noch knapp ist.

Ich muss doch wieder zurück zum Klimawandel.

In Europa ist es inzwischen üblich, dass kaum jemand noch seine Abfälle einfach wegwirft. Es hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Umwelt allen gehört und niemand sie verschmutzen darf. Fast jeder reagiert auf diesbezügliche Verstöße sauer. Ich halte dies für eine Errungenschaft von unschätzbarem Wert. In Asien gibt es das alles nicht. Jeder, wirklich jeder verwandelt seine nächste Umgebung in eine Müllkippe. Und dann sagen sie mir, dass es ihnen in ihrem Land nicht gefällt. Aber warum sehen wir nicht, dass die Luft und die Atmosphäre genauso dazugehört? Und das ist noch tausendmal schlimmer, weil es nämlich das Klima verändert in einem Ausmaß, wie es sich keiner vorstellen kann, wenn er/sie nicht hört oder versteht, was die Wissenschaft dazu sagt. Und das wird mit jeder neuen Erkenntnis immer dramatischer. Die ersten Kipppunkte sind schon erreicht oder gar überschritten, z.B. die Permafrostböden emittieren jetzt schon mehr CO2 als sie aufnehmen. Wie wir das aufhalten oder gar umdrehen können ist mir schleierhaft, ich hoffe auf den Klimagipfel in Madrid und auf Greta, dass sie die richtigen Worte findet. Dasselbe mit der Eisschmelze in der Antarktis. Mit einer solchen Geschwindigkeit hat bis vor kurzem niemand gerechnet. Oder die Begrenzung der Temperaturerhöhung auf möglichst 1,5 Grad bis zur nächsten Jahrhundertwende, ha ha, das haben wir jetzt schon. Wenn jetzt noch jemand sagt das stimmt alles nicht, die Wissenschaftler haben keine Ahnung oder lügen und er weiß es besser, dabei plappert er nur dummes Zeug aus diversen Verschwörungstheorien nach, unbewiesen oder längst widerlegt, dann macht er sich eines Verbrechens gegen die Menschheit schuldig. Wenn wir sofort! radikal handeln, haben wir vielleicht hoffentlich noch eine Chance. Warum sollen wir Einzelnen erlauben, als Freizeitbeschäftigung, just for fun, mit Verbrennungsmotoren unsere gemeinsame Luft zu verschmutzen? Lasst euch was besseres einfallen. Es macht mich fassungslos, dass die Verkaufszahlen der SUVs (tonnenschwere Spaßmobile) immer noch wachsen und den Spritverbrauch in die Höhe treiben. Hat schon mal jemand behauptet, es sei Freiheitsberaubung wenn er seinen Müll nicht auf die Straße werfen darf? Die Freiheit der Umwelt vom Müll ist doch ein Mehrwert für alle. Dasselbe gilt für CO2. Dessen Erzeugung ist keine Freiheit sondern Dummheit und Frechheit und bald ein Verbrechen. So wie die Klimakatastrophe immer schneller kommt, wird der Zorn der Klimaschützer wachsen, und bald schon, für die anderen völlig überraschend und unvorhersehbar, werden die ersten Steine fliegen gegen die SUVs. Und ich werde Beifall klatschen.

Mi 04.12. Lape (km 24.890)

Gerade habe ich gelesen, dass Christian Kullnik, der Chef eines der größten oder des größten Chemiekonzerns in Deutschland die Klimadebatte für maßlos übertrieben und hysterisch hält. Damit deckt sich seine Meinung mit der vieler CDU Politiker (Friedrich Merz etc.), alles alte Männer, deren Gehirnverkalkung es ihnen leider verunmöglicht, dieser Debatte noch folgen zu können. Aber dummerweise interessieren sich immer noch zuviele Menschen für den Stuss, den sie von sich geben. Könntet ihr nicht mal eine Vorschulpädagogin hinschicken, die ihnen mit einfachen Worten, so dass sie es auch verstehen können, erklärt, worum es bei der Klimaproblematik geht? Jedes Wort von ihnen hört sich so an, als hätten sie noch nie etwas davon gehört oder verstanden.

In den USA läuft eine Klage gegen den Ölmulti Exxon, die haben vor fast 50 Jahren firmeneigene Wissenschaftler beauftragt, die langfristigen Folgen der Ölverbrennung zu untersuchen und die sind schon damals zu dem selben Ergebnis gekommen, wie die Klimaforscher jetzt (der Bericht an den Vorstand liegt dem Gericht als Beweismittel vor). Das hat diese Herren Manager aber nicht davon abgehalten, bis heute das genaue Gegenteil zu behaupten und damit alle Schutzmaßnamen zu torpedieren. In genau diesem Kontext muss man das Geschwätz von einigen Wirtschaftsgrößen und ihren Freunden in der Politik sehen und verstehen. Für sie zählt nur die Kohle, nach ihnen die Sintflut. Als König der Welt würde ich dieses Verhalten sofort für kriminell erklären und das ganze Pack in den tiefsten Kerker werfen lassen. Auch jene die einwenden, dass Deutschland die Welt nicht alleine retten kann. Da steckt dieselbe Absicht dahinter.

Wir sind ja nicht alleine. Unter den vielen, die sich inzwischen für Klimaschutz einsetzen, sind wir als eines der reichsten Länder auch kein Vorreiter, im Gegenteil, wir stolpern hinterher. Obwohl wir pro Kopf und Jahr doppelt so viel Treibhausgase erzeugen (je nachdem wie man rechnet, 8 bis11 Tonnen), wie der Durchschnitt vom Rest der Welt (Indonesien 2 Tonnen). Dafür muss man sich schämen.

Wie soll ich den Asiaten mit diesem Hintergrundwissen erklären, dass sie nicht so viel verbrennen sollen? Wären wir Vorreiter, wär das schon einfacher. Solarzellen produzieren hier (in Asien) doppelt so viel Strom wie im verregneten Deutschland im hohen Norden, aufs Jahr gerechnet, bei der Rentabilität haben da Öl und Kohle noch viel schlechtere Chancen als in Mitteleuropa.

It (fast) never rains in West Sumbawa. Jetzt bin ich schon fast in der Mitte, hier ist die Landschaft etwas grüner. Auch hier beginnt die Regenzeit im Dezember und dauert bis März. Mitte Nord gibts auch hier einen Supervulkan, Tambora heißt er, und das ist auch so ein unberechenbares Monster. Soweit man es zurück verfolgen kann, gab es etwa alle 600 bis 4000 Jahre eine schwere Eruption mit Weltweiten Auswirkungen, die letzte 1815, davor soll er 4300 m hoch gewesen sein, danach nur noch 2850. Die Differenz und noch viel mehr Material wurde pulverisiert und in die Stratosphäre geschleudert. Der darauffolgende Sommer fiel in der nördlichen Hemisphäre komplett aus, die schlimmsten Hungersnöte des 19. Jahrhunderts waren die Folge. Die Menschen, die bis dahin dort lebten, hatten eine eigene Sprache, die hieß auch Tambora und die war danach verschwunden. Indonesien war ja damals bereits britische Kolonie. Dazwischen gibt es noch jede Menge kleinere, harmlose Aktivitäten, die letzte 1967. Wer hier seelenruhig leben will oder muss, der braucht schon ein dickes Fell. Und ich habe den Eindruck, mein Fell wird immer dünner.

Wenn Kinder sich existentielle Sorgen machen müssen und nicht mehr in die Schule gehen können weil sie sich ums Klima kümmern müssen, was ja eigentlich der Job der Erwachsen wäre, die haben es ja schließlich versaut und die wollen einfach so weitermachen, dann haben wir ihre Kindheit gestohlen!

Do 05.12. Plampang (km 24.935)

Die Landschaft wird langsam ein bisschen  grüner,  aber das kann man an den abgeernteten Reisfeldern im Vordergrund natürlich nicht erkennen. Die Berge rechts von mir wurden immer höher, ich schätze bis 1000 m. Wohl deshalb hat es hier heute auch kurz geregnet. Die Wolken kamen von links (Nordosten) und haben sich vor den Bergen gestaut. 

Sumbawa ist etwa 3 mal so groß wie Lombok, Lombok hat aber 3 mal so viel Einwohner.

Waren es dort und auf Bali noch über 700 Einwohner pro qkm, sind es hier etwa 90. Die Abstände zwischen menschlichen Ansiedlungen, Dörfern und Städten sind deutlich größer, und obwohl es kaum Jobs (ein bisschen Bergbau, Gold und Kupfer) in anderen Bereichen als in der kargen Landwirtschaft gibt und keinen Tourismus, sieht das hier nicht nach Armenhaus aus, wie man meinen könnte. Auch die Landschaft finde ich nicht trostlos, sie ist halt deutlich anders. Was meine Stimmung manchmal etwas beeinträchtigt, das sind schon die trüben Aussichten bezüglich Klimawandel und dass das so gut wie keine Auswirkungen auf das Verhalten der Menschen hat. Und dass die meisten Politiker und Wirtschaftsbosse die Warnungen der Wissenschaft, ich muss sagen, mit schon fast krimineller Energie ignorieren und verharmlosen (wie Exxon).

So 08.12. Dompu (km 25.057)

Mein Gastgeber hier. Dieses Bild zeigt den Grund, warum die Asiaten (die meisten) so klein sind. Es liegt nur an den Beinen. Gut, meine sind überdurchschnittlich lang im Verhältnis zu meiner Körpergröße, aber die haben fast alle auffallend kurze Beine. Ob man damit noch laufen kann, weiß ich nicht. 

Mo 09.1 Jia (km 25.089)

Die Leute sind alle ganz wild auf ein gemeinsames Foto mit mir. Besonders die Kinder. Bei den Männern nervt mich ihr krankhafter Narzissmus, bei Kindern bin ich eher bereit mitzuspielen, die meisten haben tatsächlich ein für mich nachvollziehbares Aufmerksamkeitsdefizit.

Es gibt gefühlt 100 mal mehr Friseure als in Europa und die werden überwiegend von Männern bevölkert. Oft bleiben Motorradfahrer stehen um ein Selfie mit mir zu machen, natürlich nicht ohne vorher ihre Frisur in Ordnung zu bringen. Und dann müssen immer irgendwelche affigen Fingerzeichen mit aufs Bild, und ich werde herumkommandiert, wie sie es gerne hätten. Und manche wollen dann 20 Aufnahmen in dieser Weise machen. Ich verliere aber schon nach der dritten die Geduld und muss flüchten. Ich habe den Verdacht, sie wollen immer im Mittelpunkt stehen. Wenn sie eine Frau dabeihaben, muss sie fotografieren. Ob sie auch gerne mit aufs Foto möchte oder ein separates Selfie mit mir, spielt keine Rolle, sie wird nicht gefragt und sagt es auch nicht.

Die Männer sind in allen asiatischen Ländern felsenfest überzeugt, das schönere, stärkere, klügere Geschlecht zu sein und ihre Privilegien seien ihr natürliches Grundrecht. Das glauben die Frauen auch, weil es ihnen von Geburt an ihr ganzes Leben lang so eingetrichtert wird. Und dann erziehen sie ihre Söhne wieder zu Paschas und ihre Töchter zu Sklavinnen. Kann man tagtäglich auf den Straßen beobachten. Und weil Deutschland in ihren Augen das Paradies Nr. 1 ist, träumen manche dieser Männer von einer deutschen  Frau. Da kann ich nur lachen. Ihr Verhalten erinnert mich immer wieder an den Gockel auf dem Misthaufen.

Die Frauen tragen nicht alle, aber überwiegend Kopftücher, auch bei den Mädchen ist das so. Sie machen es also mehr oder weniger gezwungenermaßen freiwillig, ich schätze 70% in Indonesien. Bei den Schuluniformen ist immer ein Kopftuch dabei, schon ab 6 Jahren. So werden sie frühzeitig daran gewöhnt. 

Meine Meinung dazu: wenn sie es aus eigenem Entschluss tun, muss das in Ordnung sein. In allen anderen Fällen wissen wir es nicht, dann gilt: die Klappe halten und akzeptieren. Auf keinen Fall können wir uns als Vormund aufspielen und irgendwelche Verhaltensanweisungen austeilen oder den Fortschritt ihrer Selbstbestimmung ausforschen. Mein Fazit: es geht euch nichts, aber auch gar nichts an. Lasst sie gefälligst in Ruhe. Die junge Medizinstudentin von Lombok trägt auch Kopftuch, auch in Deutschland! Und hier ist das ganze Thema überhaupt kein Problem, das existiert nur im krankhaft  islamophoben Mitteleuropa. 


Was mir schon manchmal wie ein Helfersyndrom vorkommt, ist eine Verhaltensanweisung im Koran. Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft sind fest in ihrer Seele verankert. Und das leben sie auch tatsächlich, wenn auch nicht ohne Widersprüche (siehe Frauen) in allen islamischen Ländern. Die "Christen" oder wir Europäer sind davon meilenweit entfernt. Die Frauen haben sich in Europa ein für asiatische Verhältnisse unvorstellbares Maß an Gleichberechtigung erkämpft, ich denke aber, es liegt immer noch viel zu viel im Argen und bis zu wirklicher Gleichheit ist es noch ein weiter Weg. Um den zu unterstützen erkläre ich den Männern mit meinem Blog immer wieder, was falsch läuft.


Ja, in meiner Km Rechnung fehlen ca.50 km. Zuerst kam ein Polizist auf einem Motorrad und brachte mich 5 km, die steilste Stelle bis zum höchsten Punkt auf etwa 450 m. Als er dann stehenblieb fragte ich ihn, ob er hier bleibt und er sagte nein, ich fahre wieder zurück. Das hat er also nur für mich gemacht. Ich war ihm dankbar, denn es war quälend heiß. Ein paar Stunden später, fragte mich ein anderer junger Motorradfahrer,ob ich mitfahren will, er fährt nach Hause und das ist Sape. Tatsächlich war es Jia, ein Vorort von Sape, 8 km vor dem Fährhafen. Hier übernachte ich im Haus seiner Familie. Auf dem Foto das sind Mädchen aus der Nachbarschaft.

Flores

Mi 11.12. Ruteng (km 25.113 / H 1140m)

Ruteng liegt am höchsten Vulkan von Flores, dem Pocco Mandasawu, 2370 m hoch, also etwa auf halber Höhe, nur 5 km Luftlinie vom Gipfelkrater entfernt. Ich weiß nicht, was Menschen dazu bewegt, sich so nah an einem Vulkan niederzulassen.

Es begann am frühen Nachmittag zu regnen und ich erreichte gerade noch rechtzeitig ein Warung, das sind die traditionellen kleinen Restaurants in Indonesien und nutzte die zeit für ein Mittagessen. Rechtzeitig, weil es sich zu einem Starkregen entwickeite mit heftigem Gewitter in unmittelbarer Nähe. Im Gegensatz zu Sumbawa ist Flores eine sehr grüne Insel mit üppiger Vegetation, überall, von Anfang an (im Westen). Ein anderer Gast erzählte mir, dass es hier jeden Nachmittag regnet. Er schlug vor, dass ich mit ihm fahren soll, bis nach Ruteng. Ich konnte mich nicht sofort dazu entschließen weil das immer ein Verlust für mich ist (nur wo ich zu Fuß war, war ich wirklich). Ich hab nochmal nachgerechnet. Bis zur Grenze von Timor Leste sind es noch 570 Straßen km + 1 Tag für die Fähre und ich habe noch 18 Tage, abzüglich Fähre und ein Tag Reserve macht das 36 km pro Tag. In der Ebene würde ich mir das zutrauen, aber bisher war Flores sehr hügelig, die Straßen teilweise extrem steil, und nach den Satellitenbildern bleibt das auch so. Das wird also hart. Nach Ruteng sind es 80 km, das reduziert mein Tagespensum auf 31 km. Dies halte ich für locker machbar, wenn die täglichen Regenpausen nicht zu lange dauern. Ok, ich komme mit.

Gestern früh legte die Fähre um 10 Uhr von Sape ab, fuhr nahe nördlich an Komodo vorbei und erreichte um 16 Uhr Labuhanbajo auf Flores. Komodo ist berühmt für die Warane, die Indonesier nennen sie Drachen und die leben nicht nur auf Komodo, sondern auch auf den kleineren Inseln östlich davon, auch an der Westküste von Flores. Sie werden bis zu 3 m lang, haben wie Schlangen eine gespaltene Zunge und sie "züngeln" ständig, weil das ihr Riechorgan ist. Ihr Biss ist auch giftig, er lähmt das Opfer und tötet es langsam. Sie jagen auch größere Beutetiere wie etwa Wildschweine, die sie dann in Stücke reißen und verschlingen. Das heißt, sie können auch dem Menschen gefährlich werden. 


Dieses Bild habe ich von einem Hügel über dem Hafen von Labuhanbajo gemacht. Es zeigt deutlich, dass die Inseln nur die Spitzen von Bergen sind, viele davon Vulkane.

99% der Menschen auf Flores sind Katholiken, das haben die Portugiesen verbrochen, seit dem 17. Jahrhundert, 100 Jahre später bis zur Unabhängigkeit 1945 haben die Holländer hier ihr Unwesen getrieben, die letzten 3 Jahre auch die Japaner. Jedenfalls ist es den katholischen Missionaren gelungen, die Menschen hier zu überzeugen, dass sie nun endlich den richtigen Glauben gefunden haben, so wie das auf Sumbawa die islamischen Missionare geschafft haben. So wie ich das sehr abwechslungsreich beobachten kann, scheint das mit den Mitteln von Gewalt, Druck und Gehirnwäsche sowie soziale Hilfe und Fürsorge (Zuckerbrot und Peitsche) nicht allzu schwer zu sein.

Sa 14.12. Bajawa (km 25.230 / H 1350m)

Die Leute sagen, die Vulkane hier im Süden sind schon erloschen. Das erklärt ihre Sorglosigkeit. Aber ob man sich darauf verlassen kann? Manche können lange schlafen und dann überraschend explodieren. In 2 Wochen verlasse ich Indonesien, dann ist mein Tanz auf den Vulkanen des pazifischen Feuerringes vorbei und ich habe keinen einzigen in Aktion gesehen, was ich bedauerlich finde, ist aber wahrscheinlich besser so. Ich bin auch schon 2 Jahre in Asien unterwegs und bin noch keinem für Menschen gefährlichen Tier in freier Wildbahn begegnet. Dasselbe ist es mit den bösen Menschen, vor denen mich immer alle warnen, besonders die Polizisten. Be careful (hati hati auf indonesisch), don't trust anyone. Anfangs dachte ich, ich muss das ernst nehmen, die müssen es ja schließlich am besten wissen. Nein, wissen sie nicht. Sie sind von Berufs wegen Paranoiker und nehmen die Wirklichkeit auch nur verzerrt, aus ihrem Blickwinkel wahr. Uber diese Erfahrung habe ich auf Sumbawa mit einem Mann gesprochen, der mir gestanden hatte, dass er schon 3 mal im Gefängnis war. Also ein richtiger "Bösewicht". Mich hat er behandelt wie einen Bruder, er war Moslem.

Schaut euch mal den Straßenverlauf hier in der Gegend an. Die Kurven und Serpentinen spiegeln die Steilheit des Geländes. Wenn es nicht so weit weg wäre von Europa, würde ich Flores als Paradies für Bergradler empfehlen. Aber so muss ich sagen, kommt bloß nicht nach Indonesien, jedenfalls nicht mit dem Flugzeug.

So 15.12. Boawae (km 25.274/H 500)

In Ruteng habe ich bei der Familie des Fahrers der mich mitgenommen hat, übernachtet. Jede Scheune in Europa ist aufwändiger gebaut als dieses Wohnhaus. Hier die Küche. Der Fußboden die nackte Erde, niemand hat sich die Mühe gemacht, den Boden wenigstens zu ebnen. Gekocht wird am Lagerfeuer, Rauchabzug durch die Ritzen und Spalten zwischen den Brettern und den zwischen Wänden und Dach. Kurz nachdem wir ankamen regnete es wieder und zwar heftig. Zuerst kam das Wasser durch die Ritzen auf der Ostseite ins Haus, der Wohnzimmer Fußboden ist betoniert. Wir mussten die Matratzen dort wegnehmen und auf die Westseite legen.10 Minuten später drehte der Wind, Kommando zurück, alles wieder zur Ostseite. Das geht alles relativ einfach, es gibt ja keine Möbel außer 2 Hocker, was schon eine maßlos übertriebene Bezeichnung ist. Die bestehen aus einem Stück Brett mit 2 Klötzen darunter genagelt, 10 cm hoch. Ok, der Regen war ungewöhnlich stark, das ist also nicht jeden Tag so.


Die letzten Tage hat es tatsächlich täglich geregnet, manchmal sogar mehrmals, durchschnittliche Regenpausen gut eine Stunde am Tag. Heute war es durchgehend bewölkt mit ein paar kleinen Regenschauern, zum ersten mal in Indonesien.

Mo 16.12. Nangaroro (km 25.318)

Das ist der Vulkan Ebulobo, Blick auf die Nordseite. Dort sieht man deutlich den Qualm, der aus einer Spalte knapp unterhalb des Gipfels herausquillt. Dort habe ich wieder bei der Polizei genächtigt und die sagen, er ist sehr wohl gefährlich und kann viel mehr, als nur kleine Rauchwolken ausstoßen.


Ein anderer Gipfel hat mich schwer enttäuscht. Der für das Klima in Madrid. Das war ja eigentlich zu erwarten, wenn man die Politiker und die Wirtschaftsbosse (die Herren der Welt und ihre Lakaien) kennt. Als unverbesserlicher Optimist hoffe ich ja immer auf das Beste, drum machen mich solche Erfahrungen doch jedesmal zornig. Die einzige die nicht enttäuscht hat war Greta. Sie haben es immer noch nicht begriffen: das Leben auf diesem Planeten wird schon bald untergehen. Auch die Politiker der  Europäischen Union haben bisher nur verstanden, dass von ihnen erwartet wird, irgendetwas zu tun. Was genau, wissen sie nicht, deshalb tun sie auch nur so als ob. Wirksame Maßnamen sind das alles nicht, was sie da immer wieder hektisch beschließen. 25 € pro Tonne CO2 sind immer noch ein Witz und der Kohleausstieg bis 2038 ist ein Vernichtungsprogramm für kommende Generationen. 

Die Kurve des durchschnittlichen Temperaturanstiegs folgt exakt der Kurve des steigenden Treibhausgasanteils in der Atmosphäre. So kann die Wissenschaft ausrechnen, wieviel CO2 Äquivalent (damit sind alle Treibhausgase mit ihren unterschiedlichen Auswirkungen gemeint) es noch braucht, damit die Temperatur um 1,5 Grad ansteigt. Und dazu braucht es gar nicht mehr viel. Bei einer konstanten Emission in Höhe 42 Gigatonnen pro Jahr (2016, weltweit) wäre dieses Limit am 01.01.2028 erreicht, also in genau 8 Jahren. Es wird viel eher erreicht, weil die Emissionen seither weiter gestiegen sind und nach dem Ergebnis von Madrid noch weiter steigen werden. Einen höheren Temperaturanstieg dürfen wir auf keinen Fall provozieren, weil dann zu viele Kipppunkte überschritten werden und dann werden so viel Treibhausgase frei, dass alle weiteren Einsparversuche tatsächlich witzlos werden und keine Technik der Welt und der Zukunft dagegen noch etwas ausrichten kann. Das heißt, in etwa 7 Jahren dürfen wir überhaupt nichts mehr emittieren. Null! Das sage nicht ich, das sagt die Wissenschaft. Und sie sagen, da dies ja nicht von heute auf morgen geht, wir müssen ab sofort! jedes Jahr 6% von 42 Gigatonnen einsparen und weil es dann immer weniger werden, können wir uns bis 2035 Zeit lassen auf null zu kommen. Nicht bis 2050! Mit jedem Jahr, mit jedem Tag den wir vertrödeln, steigen die erforderlichen Anstrengungen und die Kosten dafür exponentiell an, nicht bloß linear. Ja, die Technik kann inzwischen CO2 aus der Luft filtern, aber zu 10 mal höheren Kosten als die gleiche Menge bei den Emissionen einzusparen.

Die Politiker die das nicht wissen und begreifen weil es sie nicht interessiert oder weil sie Profite für wichtiger halten, sie sind der größte Grund zur Panik. Und dann haben sie die Stirn mehr Respekt einzufordern. Also die haben wirklich nichts begriffen. Jeder Tritt in ihren Allerwertesten ist da zu schade. Um es mit Bob Dylan auszudrücken (masters of war): ihr seid das Blut nicht wert, das in eueren Adern fließt. Wer sind die Politiker, dass sie sagen, es würde reichen bis 2050 auf 0 Emissionen zu kommen, wenn die Wissenschaft sagt, dies müsse bis 2035 geschehen? Wer sind sie, sich nochmal ein Jahr Zeit zu lassen mit der Einführung der CO2 Steuer und diese viel niedriger zu bemessen als die Wissenschaftler empfehlen und dann erst mal die Wirkung abzuwarten (wenn es nicht reicht, können wir ja nachbessern)? Bis eine Nachbesserung dann wirkt, vergehen nochmal mindestens 3 Jahre (ab heute). Sorry, aber diese Zeit haben wir nicht mehr. Lieber Herr Bouffier (das ist der, der von Greta etwas mehr Respekt für gewählte Volksvertreter verlangt), verpiss dich!

Di 17.12. Ende (km 25.350)

Keine Sorge, das ist nicht das Ende meiner Reise, sondern nur Ende auf Flores. Die Stadt an der mittleren Südküste gehört mit 60.000 Einwohnern schon zu den größeren auf Flores, die Berge hier ringsum sind auch alles Vulkane. Ende liegt auf einer Halbinsel, ich bin jetzt auf der Ostseite, am Pelabuhan (Hafen) Ippi. Habe soeben auf der Fähre eingecheckt, hier gibt es Schlafsäle mit weichen, lederbezogenen Matratzen. Solange wir noch im Hafen liegen, hab ich Internet, aber nicht mehr lang, eigentlich hätte das Schiff um 20 Uhr ablegen sollen, jetzt ist es schon 20:40. So kann ich dies hier schreiben. Es ist die bisher größte Fähre, sie muss hochseetauglich sein, bis nach Kupang auf Westtimor sind es 400 km und das Meer ist so weit draußen etwas stürmischer als bisher, zwischen den Inseln. Wenn stürmisches Wetter angesagt ist, fahren sie nicht, man muss also mit Verzögerungen rechnen. Im Internet steht, dass die indonesischen Fähren die gefährlichsten der Welt seien, nirgendwo sonst gehen so viele unter. Sie spekulieren über mangelhafte Wartung, Pfusch an Bord usw. Alles Quatsch. Indonesien verteilt sich auf fast 20.000 Inseln, die Hälfte davon ist bewohnt, und das Land hat über 250 Millionen Einwohner. Nirgendwo ist so viel Fährverkehr, werden so viele Schiffskilometer gefahren, da ist eine höhere Havarie Rate eine notwendige Folge. Also ich mache mir da keine Sorgen (fast keine).

Bevor ich Flores verlasse, muss ich noch den homo floresiensis erwähnen. 2003 haben sie seine Knochen hier gefunden, 60.000 bis 100.000 Jahre alt und nur etwa 1 Meter groß. Er war also wohl schon ausgestorben, als die ersten modernen Menschen die Insel erreichten. Die geringe Körpergröße führen die Archäologen auf eine natürliche "Inselverzwergung" zurück, wie man sie in der Fauna von kleineren Inseln öfters findet.

Mir ist noch eine Lösung für das Klimaproblem eingefallen: jedes Jahr ein Supervulkan Ausbruch, oder ein mittelgroßer Asteroiden Einschlag. Aber das können wir auch nicht steuern und hätte wohl zu viele negative Nebenwirkungen.

Mi 18.12. Tenau (km 25.350)

Das ist der Hafen auf Westtimor, 10 km südwestlich von Kupang.                 

Um 22 Uhr sind wir gestern endlich gestartet und sind erstmal 200 km nach Süden gefahren, zu einem Zwischenstopp auf der kleinen Insel Sawu. Wir kamen nach 12 Stunden dort an, die ganze Umladerei dauerte 4 Stunden, es ging also um 14 Uhr weiter Richtung Timor, nach Osten. Der Schlafsaal war höllisch heiß, so musste ich öfters mal zur Abkühlung aufs Deck. Aber viel hat das nicht gebracht, selbst in der Früh vor Sonnenaufgang höre ich dort nicht auf zu schwitzen. Ich habe meine Matratze im Hafen von Sawu nochmal verlassen um ein bisschen beim Ein- und Ausladen zuzuschauen. Mittlerweile bin ich schon wieder so "leichtsinnig", dass ich meine Powerbank und das Ladegerät die ganze Zeit dort habe liegen lassen. Das kann man in ganz Asien getrost so machen, da passiert nichts, außer vielleicht in den Touristenzentren. Aber als ich diesmal zurückkam, war alles weg. Womit ich nicht gerechnet habe: das hat nicht jemand gestohlen sondern gefunden. Der dachte, ich wäre hier ausgestiegen und hätte das alles vergessen. Na hoffentlich kann er/sie es wenigstens nutzen. So teuer ist das hier nicht.

Auf dem Schiff waren schãtzungsweise 500 bis 1000 Menschen und ich war der einzige Ausländer. Etwa 2 Stunden nach Abfahrt von Sawu machte das Schiff plötzlich eine Kehrtwende und fuhr exakt den selben Weg zurück, was natürlich große Verwirrung unter uns Passagieren auslöste. Langsam sickerte durch, dass es eine Schlägerei an Bord gegeben hatte und der Kapitän hat Anweisung, die Delinquenten auf der nächsten Insel auszusetzen und das ist in dem Fall und an dem Ort eben Sawu. Nach weiteren 45 Minuten eine erneute Kehrtwende, wieder nach Osten. Sie hatten eine andere Lösung gefunden, die Übeltäter wurden zu einer anstrengenden Leibeserziehung verurteilt und die Strafe sofort vollstreckt. Und zur Verschärfung vor den Augen aller Passagiere. Die Tür von der Kommandobrücke ging auf und die 3 Sträflinge mussten unter der Bewachung von Schiffsoffizieren in der Hocke gehend das Deck umrunden. Um 01 Uhr früh waren wir dann endlich am Ziel. 

Fr 20.12. Takari (km 25.429)

Gestern habe ich wieder in einer katholischen? Kirche übernachtet. Dort gibt es fast immer einen Priester, der verheiratet ist und mit seiner Familie in einem schicken Wohnhaus gleich daneben, aber noch innerhalb der Kirchenmauern lebt. Dann gibt es noch weiteres Personal, das auch da wohnt. Alte und junge Menschen, mit Familie, mit Behinderung oder ohne. Natürlich habe ich immer sofort Familienanschluss, bekomme meist sofort etwas zum Essen und soll dann, eine oder zwei Stunden später mich nochmal am richtigen Essen beteiligen. Das ist mir aber doch zuviel und ich muss dankend ablehnen. Der junge Priester konnte so gut wie kein englisch, seine Frau dafür umso besser. Sie erzählte mir, dass sie alle 6 Jahre umziehen müssen innerhalb Westtimors. Und da wo sie zuletzt waren, war gegen Ende der Trockenzeit Wassermangel. Auch alle Brunnen waren ausgetrocknet und die Leute mussten 2 - 3 km bis zur nächsten Wasserstelle gehen. Wir sprachen über das Essen in Deutschland und in Indonesien und ich erzählte ihr, dass die Menschen hier wie dort fast schon selbstmörderisch wenig Obst und Gemüse essen, dafür zu viel Fleisch (she agreed). Mit der Familie lebt dort auch noch ihre jüngere Cousine im Haus und sie ist sowas wie eine Haussklavin. Sie bekommt nur kurze Anweisungen, z.B. mir Kaffee zu machen oder das Essen zu bringen oder sich um die Kinder zu kümmern. Sie war pausenlos beschäftigt, während wir auf der Veranda saßen und uns bedienen ließen. Dann kam mein Essen:

Reis, Fleisch, sonst nix. Nicht mal Chilli, was sonst immer dabei ist. Natürlich kann ich nicht erwarten, dass alles was ich sage sofortige Wirkung zeigt, ist ja mit dem Klimawandel nicht anders.

So 22.12. Soe (km 25.468/H 910m)

Die beiden letzten Tage ging es ganz schön auf und ab, erschwerend kam hinzu, dass ich schon wieder eine Erkältung habe. Aber nicht so schlimm diesmal, ich musste nur etwas kürzer treten, habe deshalb mein Kilometer Pensum halbiert. Hier scheint es kein Internet mehr zu geben, nicht mal in Soe. Man spricht das nicht als ö, sondern o und e. Und so ist es auch mit anderen Buchstabenkombinationen, immer werden sie so gesprochen wie sie dastehen. Heute bin ich wieder in einem Hotel, nachdem eine Pfarrerin es abgelehnt hat, mich in oder neben der Kirche schlafen zu lassen. Ich hatte ein ganzes Heer von jugendlichen Fürsprechern, die sich alle sehr über meinen Besuch gefreut haben, aber die Alte sagte Nein. Die Kids entschuldigten sich dafür nachher bei mir und meinten, sie hat nur Angst. Zuviele negative Gedanken. Den Rezeptor im Hotel konnte ich von 350 auf 150 Tausend herunterhandeln, dafür habe ich hier auch W-lan und kann wieder berichten.


Mi 25.12. Oelnitep (km 25.554/H 480m)

Hier werde ich oft von Privatleuten von der Straße geholt und muss eine Pause machen. Manchmal bieten sie mir Cocoswasser an, natürlich kann ich da nicht nein sagen. Schmeckt ja auch wirklich köstlich, noch dazu so frisch geerntet. Dazu muss einer der Söhne, in dem Fall der Opa hinaufklettern. Er schneidet dann mit der Machete gleich ein paar mehr ab, für die ganze Familie. Während er sie runterwirft, gehen alle respektvoll auf die Seite. Ich dachte immer, die werden schon irgendwelche Kletterhilfen benutzen, aber nix, das einzige was er dabei hat ist die Machete und er macht das ohne Schuhe. Gut, der Stamm ist nicht ganz glatt und manchmal schlagen sie auch Kerben hinein, aber es geht auch ohne. Dafür bekommt er von mir eine glatte 1. Gestern rief mich einer von der Seite zu sich, aber meistens will ich nicht, es ist einfach zuviel. Durchschnittlich alle 10 Minuten, da käme ich ja nicht mehr lebend heim. Aber das war ein harter Bursche. Er verfolgte mich mit seinem Moped, was mich auch schon beeindruckte, aber dann konnte er auch gut englisch, sogar ein paar Brocken deutsch und hatte gute Manieren. Mit solchen Argumenten ließ ich mich überreden aufzusteigen und 500 m mit ihm zurück zu fahren, zu seinem Haus. Das ist eine Obst und Gemüsefarm, dort lebt und arbeitet er mit seiner Familie. Die Produkte verkauft er am Markt in Soe, selber essen auch sie es nicht. Natürlich wurde ich zum Essen eingeladen und obwohl ich auch ihnen einen langen Vortrag über gesunde Ernährung gehalten hatte, gabs nur Reis und Spiegelei mit Chilly (immerhin). Ich vermute, einfache Leute waren früher so arm, dass sie sich kein Gemüse leisten konnten, so haben sie nie gelernt, es in der eigenen Küche zu verwenden. Und sie wissen einfach nicht, dass es gesundheits- und lebenswichtig ist. Und mit Worten kann man das nicht ausreichend erklären, jedenfalls nicht so schnell. Wie beim Klimawandel. Er hat mal Linguistik studiert, englisch, deutsch, japanisch und ich weiß nicht, was sonst noch, aber nicht bis zum Abschluss und das ist schon lange her. 1965 gabs eine Säuberungswelle in Indonesien, da wurden 5 Millionen Komunisten ermordet, oft mit der ganzen Familie. Viele auch in seiner Familie. Sein Großvater war schon damals ein wichtiger Mann, aber als die Soldaten kamen, dessen Bruder und seine Familie abzuholen, wusste er dass er da nicht mehr viel machen kann. So sagte er, meinen Bruder und seine Frau könnt ihr mitnehmen, aber die Kinder bleiben hier. Und so geschah es. Das muss man sich mal vorstellen. Welch ein Trauma für die ganze Familie, über Generationen. 

Ich hab dann auch bei ihm übernachtet.         


Ach ja, Westtimor ist ein überwiegend christliches Land, hauptsächlich Katholiken und Protestanten und da trennen sie streng. Für jede der Glaubensrichtungen liegen die anderen falsch, was für mich absurd ist. Weihnachten hat erstaunlicherweise keine große Bedeutung, da wird, wenn überhaupt, nur spärlich geschmückt, manchmal sagt jemand merry christmas. Für mich eine positive Überraschung.   

 Noch 100 km bis Osttimor.

Do 26.12. Oenopu (km 25.592)

Ich habe Muskelkater von den Bergstraßen hier. Seit Soe geht es ständig extrem steil rauf und runter, zwischen 400 und 1100 m hoch. Gestern, nach Kefamenanu wars aber etwas leichter. Wer mich auf so einer steilen Straße sieht, denkt automatisch: mein Gott, der Arme, was hat der wohl verbrochen, dass er sich so eine schwere Bürde auferlegt?

Sie wissen ja nicht, mit welchen Glücksgefühlen der Körper solche Anstrengungen belohnt. Ich komme von meinem Adrenalintrip überhaupt nicht mehr runter. Und inzwischen weiß ich, dass diese körpereigenen Drogen genauso süchtig machen. Die Natur hat das so eingerichtet, damit wir in der Lage sind, in Notfällen eine hohe körperliche Belastung über längere Zeit durchzuhalten. Und wie man an meinem Beispiel sieht, geht es auch ohne Not und Schuldgefühle. Zusätzlich werde ich noch belohnt durch ein Übermaß an Aufmerksamkeit, Freundlichkeit, ja Liebe. Alle Menschen hier lieben mich, besonders die Kinder. Sie hören besonders aufmerksam zu, wenn ich etwas sage und schon 10 jährige verstehen genau wovon ich spreche. Sie können oft besser englisch als die Erwachsenen und wenn nicht, funktioniert der Google Übersetzer bei ihnen genauso. 

Fr 27.12. Atambua (km 25.632)

Und mit der Geografie kennt sich eh keiner aus. Sie bringen sogar die Reihenfolge der großen Indonesischen Inseln durcheinander. Das höre ich, wenn sie das, was ich ihnen erzähle, für die anderen übersetzen. Erst recht andere Länder oder Kontinente. Australien, Amerika, Afrika, alles das selbe. Bei jeder Wiederholung wird eine neue, absurde Route erschaffen. Das ist für sie aber kein Problem, nur für mich, dem sich dabei fast immer das Gehirn verknotet und der Magen umdreht.

Traditionelle Häuser auf Timor. 

Lustige Ortsnamen gibt es hier. Heute kam ich durch ein Dorf, das heißt Halilulik. In dieser Gegend bieten mir oft Privatmenschen einen Schlafplatz an, so auch gestern. Ich schaute in meinem Handy nach, ob ich was finde, sofort war ein junger Mann da und fragte mich auf englisch, was ich suche. Ich erzählte ihm, dass ich aus Deutschland komme, zu Fuß um die ganze Welt gehe, schon 2½ Jahre (Netto) unterwegs bin und jetzt einen Platz zum Schlafen suche. Sofort sagte er: komm mit mir nach Hause, du kannst im Haus meiner Familie schlafen. Ok, nichts lieber als das. Für sie ist mein Besuch eine sensationelle Abwechslung, wie Weihnachten. Und das auch noch an Weihnachten. Vor dem Haus saßen 10 junge Männer, rauchten und tranken Bier. Er nannte sie seine Brüder, aber so viele etwa gleichaltrige Brüder kann kein Mensch haben, da waren auch andere Verwandte und Nachbarn (was hier meistens dasselbe ist) dabei. Die Schwestern und Schwägerinnen stehen meistens im Hintergrund und dürfen (und man hat den Eindruck, sie wollen das auch) die Männer bedienen. Z.B. Kaffee für mich machen, Snacks bringen und auf die Kinder aufpassen. So lernen es die Mädchen von klein auf und akzeptieren es schließlich, vergessen, wie absurd ihnen diese Rollenverteilung als kleines Mädchen vorkam. Und wenn man/frau das vergessen hat, versteht er/sie nicht mehr, was daran falsch oder schlecht sein soll. So versteht es kein Mensch hier, wenn ich mal versuche vorsichtige Kritik zu üben.

Sa 28.12. Manek (km 25.653)

Ich habe inzwischen auch hier in Indonesien wie in allen Ländern, in denen ich war, viele Leser meines Blogs. Ich glaube, für die muss ich meine Gedanken nochmal etwas deutlicher erklären. 


Alle Menschen sind gleich! Wir werden mit gleichen Rechten und Pflichten geboren, egal ob schwarz oder weiß, arm oder reich, Mann oder Frau. Keiner ist von Geburt Herr und keiner Knecht. Mit solchen Vorstellungen werden wir geboren und ich halte sie bis heute für das unveräußerliche Grundrecht jedes Menschen. In den Erklärungen der Menschenrechte ist das auch so ähnlich formuliert und bis hierher wird mir auch jeder folgen. Die Realität sieht allerdings krass anders aus und das ist es, wogegen ich ständig rebelliere, seit...soweit ich zurückdenken kann. Die Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen finde ich besonders hier in Asien krass ungerecht. Wenn Männer gemütlich beisammen sitzen können und die Frauen sie bedienen müssen, nenne ich das Sklaverei. Warum ist es nicht umgekehrt? Keinem Mann würde diese Rolle gefallen. Gefällt sie den Frauen? Sicher nicht. Aber wieviel Schläge müssen sie ertragen, bis sie endlich den Traum von Gleichberechtigung vergessen haben? Mit welchem Recht werden die Töchter dafür geschlagen, dass sie nur die gleichen Rechte und Freiheiten haben wollen wie die Söhne? Und so viel besser sieht es in Europa auch nicht aus. Immer noch bekommen Frauen für die gleiche Arbeit weniger Lohn, auch wenn es dabei überhaupt nicht auf körperliche Kräfte ankommt. Und beim Erbrecht werden sie immer noch viel zu oft stark benachteiligt. Und warum? Der einzige Sinn und Zweck besteht darin, sie weiter in Abhängigkeit zu halten, in einer Knechtschaft gegenüber den privilegierten Männern.

Nehmen wir den Unterschied zwischen arm und reich. Jeder glaubt, auch in Europa, er hat das Recht, sein Eigentum nach seinem Tod an seine Kinder weiter zu vererben. Das bedeutet, Wohlstand und Macht bleiben in der Familie, das Kind des Reichen wird zum Herrscher geboren, das Kind des armen zum Knecht. Und das ist in Europa kein bisschen besser als in Asien und dies steht in krassem Widerspruch zu den allgemeinen Menschenrechten. Meiner Meinung nach gehört dieses Erbrecht auf den Müllhaufen der Geschichte.

Chancengleichheit durch Bildung? Pustekuchen!